Die zunehmende Motorisierung ab 1910 führte auch in der Chemnitzer Bevölkerung und den zahlreichen Vereinen und Gruppierungen zum Wunsch, ihre sächsische Umgebung und die Schönheiten der Natur gemeinsam bei einem Ausflug kennenzulernen. Nur das zur Verfügung stehende Eisenbahnnetz konnte man bis dahin für die gemeinsamen Wanderungen nutzen. Fahrplangebunden gab es wenig Zeit für die Individualität bei der Planung und Durchführung.
Die Automobilhersteller erkannten die Notwendigkeit größere Chassis, auf Basis von Personen – und Lastwagenkonstruktionen, anzubieten. Horch stellte diesen Aussichtswagen- vermutlich auf Basis des Tourenwagens Typ 17/45 PS – vor, den der strebsame Ingenieur Camillo Erwin Ehrler in Reichenbrand 1912 erwarb. Damit setzte er, gemeinsam mit dem Chemnitzer Kaufmann und Garagenbesitzer Johann Heinrich Swoboda, auf der Langestraße 57 seine Geschäftsidee um: Die „Erste Chemnitzer Auto-Verkehrsgesellschaft“, die am 15.Mai 1912 mittels eines Gesellschaftervertrages gegründet und am 28. Juni 1912 auf Blatt 6717 ins Chemnitzer Handelsregister eingetragen wurde. Ziel war die Durchführung von Gesellschafts- und Vereinsfahrten nach allen Orten des In-und Auslandes, namentlich bei größeren Veranstaltungen, Massenbesuchen usw. Touren wurden u.a. zu den Greifensteinen, Warmbad Wolkenstein, Oberwiesenthal und Karlsbad angeboten und beworben.
Der 1. Weltkrieg brachte den Stillstand im Gewerbe, Betriebsstoffe, Reifen und Ersatzteile wurden knapp, die Autos mußten abgemeldet und eingemottet werden. Erst nach Kriegsende kamen zögerlich die ersten Nachfragen. Zu lange hat man verzichten müssen.
Wenig ist derzeit über die zwanziger Jahre der Firmenhistorien bekannt. 1922 schied Camillo Ehrler aus der „Autokremser GmbH“ aus und übergab den Geschäftsbetrieb an Benno Johannes Schmidt, ebenfalls aus Reichenbrand.
1922 wurde in der Langestraße 57 (Firmensitz weiterhin der „Ersten Chemnitzer Auto-Verkehrsgesellschaft“) die Geschäftsstelle des Allgemeinen Deutschen Automobilclub, e.V (ADAC) eingerichtet.
Weitere Konkurrenz für die Vermietungsgesellschaften war die Sächsische Kraftwagenverwaltung. Nach dem 1.Weltkrieg wurden zahlreiche Kraftomnibus-Strecken wiedereröffnet. Den Großteil des Linienbusbetriebes führte das staatliche Unternehmen in Form der „Kraftverkehr Freistaat Sachsen A.G.“ durch.
Nach den Inflationsjahren regte sich auch der Ausflugsverkehr wieder. Ein gut ausgebautes Streckennetz erleichterte jetzt das Kennenlernen der sächsischen Heimat und die Durchführung von Gruppenausflügen. Die Sächsische Kraftwagenverwaltung stellte zudem 1925 Aussichtswagen in Betrieb und bot ihre Omnibusse für Gesellschaftsfahrten zu mäßigen Preisen zur Verfügung.
In Dresden, Leipzig und Bad Elster wurden selbst große offene Aussichtswagen angeschafft, um den Fahrgästen die Sehenswürdigkeiten der Städte selbst sowie ihre Umgebung zu zeigen.
Die „Vereinigung der Chemnitzer Kraftdroschkenbesitzer“ mischte mit einem eigenen Aussichtswagen ebenfalls in diesem Reigen mit.
Auch die „Deutsche Reichspost“ unternahm eigene Anstrengungen, den überall aufkommenden Fremdenverkehr zu unterstützen und selbst daraus Nutzen zu ziehen. Sie bot neben ihren regelmäßig betriebenen Strecken ebenso Ausflugs-und Gesellschaftsfahrten in bequem eingerichteten und gut gefederten Aussichtswagen, teilweise mit aufrollbaren Allwetterverdeck, zu den beliebten Ausflugspunkten des Sachsenlandes an.
Wenige privatwirtschaftlich betriebene Bus-Unternehmen behaupteten sich weiterhin und boten Gesellschaftsfahrten und Ausflugstouren in ihren Bussen an.
Für die beiden im Beitrag genannten Firmen kam Ende der 20er Jahre das Aus. Die „Erste Chemnitzer Auto-Verkehrsgesellschaft“ wurde am 8. November 1929 nach Aufgabe der Autovermietung aus dem Handelsregister gelöscht, die „Autokremser-Gesellschaft“ verschwand im Mai 1930 aus dem Firmenverzeichnis.
(Quellen u.a. Adressbücher der Stadt Chemnitz und „Deutscher Reichsanzeiger“ zu finden unter https://digi.bib.uni-mannheim.de)