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Ein guter Sattel

    Ein wichtiger Industriezweig im auslaufenden 19.Jahrhundert war in Chemnitz der Fahrzeugbau, insbesondere der Bau von Fahrrädern (Velocipede, Zweiräder, Dreiräder).

    Ab 1886 begannen Winklhofer und Jaenicke 1886 (ab 1896 Wanderer) die ersten eigenen Fahrräder herzustellen, Nestler & Scadock ab 1887, die Gebrüder Nevoigt bauten ab 1895 Fahrräder unter dem Namen „Diamant“. 1896 folgten die bereits vorgestellten Fahrradwerke Salzer & Co. und „Presto“ ab 1897 in Chemnitz (nur die bekanntesten Namen) vervollständigten die umfangreiche Liste der Chemnitzer Firmen. Diese Produktionsstätten bedingten auch die Ansiedlung weiterer Firmen, die sich vorwiegend der Herstellung von Fahrradzubehör widmeten. Neben der weltbekannten Firma von Hermann Riemann in Chemnitz-Gablenz, der bereits im Jahre 1888 die Produktion von Fahrradlaternen aufnahm, gab es noch einige unbekannte, aber dennoch sehr ideenreiche und teilweise erfolgreiche Firmen in Chemnitz.

    Die Firma von

    Otto Saupe

    Inserat des Diebstahlschutzes für Fahrräder 1897

    möchte ich da hinzuzählen und Ihnen in diesem Beitrag vorstellen.

    Saupes Sortiment 1899 wird beworben

    Erstmals taucht der Name Carl (auch mit K) Otto Saupe im Adressbuch 1878 der Stadt als Sattler auf. Noch im selben Jahr eröffnet er in der Äußeren Johannisstraße 18 ein Sattlergeschäft. Wichtigstes Transportmittel waren damals Pferdewagen, die entsprechend Zubehör benötigten. Und Sattler kümmerten sich wie andere Gewerke darum. Über die Stationen Brückenstr. 3 (1885), erfolgreicher Meisterprüfung 1887 finden wir ihn ab 1888 in der Zschopauer Straße 3. Dort tüftelte er bereits an neuem Fahrradzubehör. Chemnitzer Firmen hatten durch ihre Vielseitigkeit und Einfallsreichtum schon damals einen sehr guten Ruf in Deutschland. So entwickelte er ergonomische Fahrradsättel und u.a. einen Diebstahlschutz. Schon damals ein wichtiger Bestandteil bei der immer größer werdenden Anzahl der Fahrräder.

    Ab 1897 nennt er sein Unternehmen „Fabrik für Fahrradsättel, Taschen u. Militär-Effecten, Polier-und Vernickelungsanstalt“ und zieht in die Platanenstraße 2b nahe der Zwickauer Straße um. Dort, in den vergrößerten Geschäftsräumen, kam es zu zahlreichen Entwicklungen, die er sich durch Patente schützen lies und damit bekannt wurde. So kam eine Sattelklemme als Höhenverstellung zur Ausführung, er entwickelte Taschen für Radfahrkarten und Fahrrad-Werkzeug.

    Sein 1901 patentierter Sattel wurde in der Fachpresse gelobt und wie folgend beschrieben:

    Annonce aus dem Jahre 1901

    Von der Sattelfabrik von Otto Saupe, Chemnitz i. Sa., wird ein neuer, unter Nr. 107.454 patentirter Fahrrad-Sattel „Probat“ auf den Markt gebracht, welcher vollständig von den bisherigen Konstruktionen abweicht. Die Vorzüge, welcher dieser Sattel bietet, berechtigen zu der Annahme, dass endlich die längst ersehnte Lösung der Sattelfrage gefunden wurde. Der Erfinder diese Sattels ging von der wohl einzig richtigen Annahme aus, daß, da der Sitz eines Rades dem Radfahrer so wenig Fläche bieten kann und die Bewegung des Körpers beim Fahren mitmachen muß, nicht durch Polster, welche auf harten Unterlagen angebracht sind, geschaffen werden kann.

    Dieser neue Sattel zeichnet sich dadurch aus, dass unter dem gepolsterten Sitzleder 2 Längsfedern angebracht sind, welche dem Druck der Schenkel leicht nachgeben, auch ermöglichen die schmalen Längsfedern einen in der Mitte des Sitzes weiten Ausschnitt, wodurch das so gesundheitsschädliche Drücken auf das Mittelfleisch in Wegfall kommt. Dieser Vorzug würde allein genügen, um den Sattel „Probat“ für den praktischsten zu halten; denn so manchem Fahrer ist das Radfahren nur durch jenen Uebelstand verleidet worden, der auch oftmals, besonders bei Damen, die Ursache ärztlichen Verbotes ist. Ein weiterer Vorzug ist dadurch geschaffen, dass die weichgefütterten Sitzbacken, wie die Abbildung zeigt, nicht auf harten Unterlagen ruhen, sondern auf weichen Spiralfedern. Dadurch ist in Folge der großen Dimension des obersten Ringes der Feder ermöglicht, das die Sitzbacken des Körpers sich eine natürliche, dem Körper anpassende Lage schaffen. Der Sattel „Probat“ hat ein hochelegantes und gefälliges Aussehen und dürfte nach alles diesen Vorzügen in den weitesten Kreisen zur Einführung kommen. Dieser Sattel wird in zweierlei Ausführung fabriziert, in langer Form für Herren und in etwas kürzerer Form für Damen. Der Preis beträgt 12,50 Mark für das Stück.“

    Annonce aus dem Jahre 1903

    Das Grundprinzip der noch heute häufigsten Sattelformen war geschaffen worden, von einem Chemnitzer. Weitere Entwicklungen wie eine Hinterradbandbremse folgten. Sie konnten sich aber nicht so erfolgreich durchsetzen.

    Am 28. November 1905 wurde schließlich die Firma „Otto Saupe“ aus Chemnitz und als deren Inhaber Herr Sattlermeister Karl Otto Saupe daselbst, auf Blatt 5696 ins Handelsregister der Stadt eingetragen. Warum er aber bereits wenige Monate später, am 22. Januar 1906, als Inhaber ausscheidet und der Berliner Fabrikbesitzer Guido Röseler die Firma übernimmt, ist nicht zu erfahren. Am 7. Mai 1907 wurde durch Röseler daraus die Vereinigte Lederwarenfabriken Berlin-Chemnitz GmbH gegründet.

    Doch Saupe gab so schnell nicht auf und gründete am 1. Juli 1907 mit dem Chemnitzer Kaufmann Ernst Bruno Scherf die offene Handelsgesellschaft „Saupe & Scherf“ in Chemnitz, angegebener Geschäftszweig: Fabrik für Fahrradsattel und Taschen, Lederwaren und Militäreffekten. (HR Blatt 6221) Als Firmensitz wird die Hartmannstraße 11 HG angegeben.
    Neue Ideen, wie Sporen für Stiefel zum Rodeln und Bergsteigen, reiften in diesen Jahren, konnten sich aber damals nicht durchsetzen.

    Vorbei war es mit den großen Aufträgen, die Firma geriet zunehmend in Zahlungsschwierigkeiten und gegen Scherf wurde im Juni 1911 das Konkursverfahren eröffnet, das am 24. November des Jahres aufgehoben wurde. Die Firma war dennoch erloschen. Scherf finden wir ab 1912 nicht mehr im Adressbuch der Stadt Chemnitz, Saupe führte ein kleines Sattlergeschäft in der Dresdner Straße 16 bis zu seinem Tode 1920 weiter.

    Noch 1909 versuchte Saupe neue Ideen umzusetzen

    Wir können trotzdem stolz auf Karl Otto Saupe sein, trug er doch dazu bei, das ein so wichtiges Detail des Fahrrades maßgeblich nach Ideen eines Chemnitzers verbessert wurde und heute in ähnlicher Form noch breite Anwendung findet.

    Die Zunahme der Fahrräder führte aber auch zu mancherlei Schwierigkeiten, die die Radler schon frühzeitig in die Schlagzeilen brachten. Der Artikel „Immer diese Radfahrer“, fast auf das Datum 3 Jahre alt, schildet die Umstände.

    (Quellen u.a.: Adressbücher der Stadt Chemnitz zu finden unter sachsendigital.de, Ausgaben des Reichsanzeigers, verschiedene Artikel aus Radsportzeitschriften der Jahre 1897-1909)

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