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Volks- und Freibad Gablenz

    eigene Luftbildaufnahme aus dem Jahre 2022

    Die jetzt wieder steigenden Temperaturen bringen hoffentlich eine Belebung der Chemnitzer Freibäder.

    Das nach langer Schließung am 9. Mai 1998 wiedereröffnete Freibad im Stadtteil Gablenz gilt mit seinem Edelstahlbecken samt Luftperlliegen und Nackendüsen, der 72 Meter langen Rutsche, dem Strömungskanal und dem separaten Sprungbecken als das Sommerbad mit dem größten Freizeit- und Erholungswert aller derzeit von der Stadt Chemnitz betriebenen Anlagen. In den vergangenen Jahren zählte das Freibad jeweils die meisten Besucher. Schon immer galt es als eines der Beliebtesten im Stadtgebiet, mit einer über 100-jährigen Geschichte, die in dieser Art noch nie zusammengefasst wurde.

    Das Areal in Chemnitz-Gablenz wurde im Jahre 1921 von der Firma E. Riedel AG für den Arbeiter-Schwimm-Verein Chemnitz und Umgebung e.V. als offenes Gelände käuflich erworben. Nach mühevoller und zäher Arbeit wurde der damals sehr stark verschilfte Teich von Vereinsmitgliedern zu einem Bad hergerichtet. Im Sommer 1922 wurde die Anlage als Volksbad getauft und zur allgemeinen Benutzung der Öffentlichkeit übergeben. Mit einem Schwimmfest am 25.Juni des Jahres wurde das Bad eingeweiht. Der ursprüngliche Teich genügte bald den vielen Ansprüchen nicht mehr. Man mußte etwas Modernes und zugleich Hygienisches schaffen. Schließlich einigte man sich, eine 100-Meter-Schwimmbahn bauen zu lassen. Als besonderer Abschluss sollte ein Sprungturm dienen. Das Schwierigste war jedoch die finanzielle Frage, denn liquide Mittel besaß der Verein nicht genügend, um die hohen Kosten aufbringen zu können. Man beschloss deshalb, an die Stadtväter heranzutreten, um von ihnen ein Darlehen zu erhalten. Es verging eine geraume Zeit. Der Umstand, daß es im Stadtteil Gablenz noch kein Bad gab, half dem Verein, das dem Gesuch Rechnung getragen wurde.

    Erste Aufnahme des Areals im Hintergrund des Kleingartenvereins
    Der Vorstand des Vereins übertrug die auszuführenden Arbeiten einer Spezialfirma für Betonbau, der Firma Karl Brand, Dresden. Das Bad wurde im Frühjahr 1924 von diese Firma ausgeführt. Ein Betonbecken mit den Maßen 100 x 28 Metern und einer Tiefe von 0,5 – 4,0 m entstand. Gleichzeitig wurde eine Sprunganlage mit zwei 1-m-Brettern und eine Holzturmanlage mit 2x 3m, 1x 6m und 1x 10m Absprung errichtet. Im September 1924 erhielt man von der Stadt Chemnitz noch ein zusätzliches Darlehen von 21.000 Mark zum Ausbau des Vereinsbades. Doch nach drei Jahren war dieser stolze Bau vollkommen ruiniert. Die Betonwände waren zerfallen, die Anlage musste zum Beginn der Badesaison 1927 gesperrt werden. Die Baufirma wurde in Regress genommen, dazu gerichtliche Schritte eingeleitet. Man stand vor einer schweren Aufgabe, was nun? Das erste Darlehen der Stadt war noch zu tragen, sollte man ein Weiteres aufnehmen? Schweren Herzens ging man diesen Schritt. Man versuchte erneut bei der Stadt Gehör zu finden. Nach längeren Untersuchungen und auch Verhandlungen willigte man nochmals ein, ein weiteres Darlehen dem Verein unter gewissen Voraussetzungen zu geben. Nun hatte man fieberhaft zu tun, um in allerkürzester Zeit das Bad neu entstehen zu lassen. Unter der Bauoberleitung des Herrn Professor Pfalz wurde mit der Chemnitzer Baufirma G. Lohse & Berger verhandelt, die sofort die Tätigkeit, noch im Frühsommer 1927, aufnahm.

    Die 100-m-Bahn wurde mit neuen Betonwänden versehen, dazu eine umlaufende 40 cm breite Fußspülrinne angelegt, die Leitern wurden eingelassen. Das mit Startsockeln versehene Becken eignete sich hervorragend als Sportbahn und für Vereine gab es eine Wasserballspieleinrichtung. Die Sprungturmanlage wurde aus Eisenbeton erbaut, und wies zwei 1- und zwei 3-m-Bretter, sowie eine 5- und 10-m-Plattform auf. Eine neue Abortanlage wurde geschaffen, elektrische Leitungen in sämtliche Räume und Licht zur Zufahrtstraße verlegt. Und nach nur zweimonatiger emsiger Bauzeit konnte Ende August 1927 die Fertigstellung verkündet werden. Gleichzeitig hatte man weitere 5.000 m² Fläche zur Pacht übernommen, die Gesamtgröße betrug damit rund 25.000 m². Davon war der mit Sportgeräten versehene Turn- und Spielplatz ca. 4.000 m² groß. Neben 76 Auskleidezellen war ein Garderobenraum für etwa 1500 Besucher vorhanden. Ein 64 m² großes Planschbecken für das „Kleinvolk“ vermittelte die Freude des „Naßwerdens“. Ein Wirtschaftsgebäude mit Gaststätte für 200 Personen sorgte für das leibliche Wohl. Natürlich war auch ein Parkplatz für die Wagen und Räder der Gäste vorhanden. Bis zu 100.000 Besucher jährlich wurden in den ersten 5 Jahren gezählt.

    Doch die Wirtschaftskrise Ende der 20er / Anfang der 30er Jahre, verbunden mit andauernder Arbeitslosigkeit und starken Rückgangs der Mitgliederbeiträge brachte die Freie Turnervereinigung Chemnitz, die etwa 6.000 Mitglieder zählte und der auch mittlerweile der Arbeiter-Schwimm-Verein Chemnitz und Umgebung angehörte, in finanzielle Bedrängnis. Zwecks Abwendung des Konkurses wurde im Januar 1931 das Vergleichsverfahren beantragt. Die Verpflichtungen beliefen sich auf rund 124.000 Mark, sie sich auf das Volksbad Gablenz (rund 15.000 M.) das Luftbad im Küchwald (rund 96.000 M.) und die Turnerburg Seiffen (rund 13.000 M.) verteilten. Hauptgläubiger waren Baufirmen, die im Auftrage der Freien Turnervereinigung diese Anlagen modernisiert hatten und auf ihr Geld warteten. In der anschließenden Gläubigerversammlung wurden verschiedene Vorschläge zur Stundung und der zukünftigen jährlichen Rückzahlung der Schulden unterbreitet. Noch im April 1931 hoffte man auf eine Fortführung. Vergeblich, im Oktober erfolgte das Konkursverfahren mit anschließender Auflösung des Vereins. 1933 wurden alle anderen Arbeitervereine verboten, zwangsaufgelöst und im Zuge des Reichsgesetzes zur Einziehung kommunistischen und staatsfeindlichen Vermögens enteignet.

    Anfang Mai 1933 schließlich stimmte der Rat der Stadt der Verpachtung des Schwimm- und Luftbades in der Vorstadt Chemnitz-Gablenz an die Deutsche Turn-Sport- und Schiessgemeinde zu. Unter diesem Deckmantel wurde es ab diesem Jahr von der Chemnitzer SA übernommen. Es folgten Modernisierungsmaßnahmen an den vorhandenen Gebäuden, die neuen Garderobenanlagen konnten jetzt bis zu 4.000 Besucher aufnehmen. Ein Vorwärmeteich mit Wasserreinigungsanlage wurde zur Klärung des bisher natürlichen Zuflusses angelegt. Große Sandflächen boten Annehmlichkeiten eines große Seebades. Die gärtnerischen Anlagen wurden erneuert, 2 Brücken über den das Gelände durchfließende Bächlein verbanden die um 18.000 m² gewachsene Liegewiese. Am 13. Mai 1934 fand die feierliche Eröffnungsfeier als SA-Bad für die Chemnitzer Bevölkerung statt, daß bis zum Kriegsende 1945 unter diesem Namen, postalisch in der Eubaer Straße 34, fortgeführt wurde.

    Nach dem Krieg ein schwerer Neuanfang. Auf Grund fehlenden Brennmaterials wurden die Badanlagen geplündert, Bretterzäune, Teile der Holzbaracken und die der Toilettenanlagen verschwanden. Die Anlagen wurden so gut wie es ging wiedererrichtet und diesen anfänglichen Widrigkeiten getrotzt. Bademodenschauen waren die Besonderheit bei Badfesten in den 50er Jahren. Eine Wasserrutsche wurde gebaut und eine Lautsprecheranlage installiert.

    Auch die sowjetischen Besatzungssoldaten gönnten sich einen Badaufenthalt, zuvor wurden jedoch die Badegäste mit einer blechernen Flüstertüte hinauskomplimentiert, weil die Schwimmfähigkeiten dieser doch arg begrenzt waren. Der 10-Meter-Turm wurde nach einer tödlichen Bauchklatscherlandung eines dieser Soldaten abgebaut, wie die ehemalige Bademeisterin Eva Kluge in einem Presseartikel aus diesem Jahr berichtete.

    Schließlich waren die hygienischen Zustände nicht mehr haltbar. Der damalige verantwortliche Sportstättenbetrieb der Stadt Karl-Marx-Stadt plante zwar noch eine Generalreparatur, doch zu viel Investitionsstau an der überalterten Anlage führten zur Schließung 1978.

    Das dringend notwendige Bad wurde in den 90er Jahren komplett umgestaltet und 1998, also vor nunmehr 25 Jahren, eingeweiht. Seit dieser Eröffnung erfreut es sich bei den Gästen anhaltender Beliebtheit. Nicht gerade zufriedenstellend für die Anwohner, wurde doch die vorgesehene Lärmschutzwand weggelassen.

    2021 war das den Eingangsbereich zierende markante Zeltdach verschlissen und wurde erneuert. Hoffen wir, daß das Freibad Gablenz noch lange den Chemnitzern und seinen Gästen als willkommene Abwechslung in den heißen Sommermonaten dient.

    (Quellen u.a.: verschiedene Zeitungsartikel aus der Allg. Zeitung Chemnitz; Artikel sächsischer Tageszeitungen zu finden unter SLUB-Dresden.de; Vorstellung im Erzgebirgsverkehr 1928 und im Bäderführer 1933; Artikel der Freien Presse 1978 und 2021 – Dank dem Archiv)