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Vom Ausbau bis zur Weihe

    Im Rahmen der Fortsetzung der Entstehungsgeschichte der ehemaligen Südkampfbahn zum heutigen Sportforum an der Reichenhainer Straße werde ich in diesem Artikel den Ausbau der Südkampfbahn bis zur Einweihung am 18. September 1938 ausführlich darstellen.

    Der Haupteingang an der Reichenhainer Straße, die Kassenhäuschen sind heute noch erhalten

    Im ersten Beitrag zur Südkampfbahn bin ich auf die Jahre bis 1934 eingegangen. In dieser Zeit war die Südkampfbahn nur eine mittelgroße Sportanlage, deren Bedeutung, abgesehen vom Sächsischen Landesturnfest 1930, nicht über die Stadt hinausging.

    Erst nach der Machtergreifung der NSDAP und den damit einhergehenden politischen Veränderungen trat eine entscheidende Wendung ein. Die neue Verwaltung setzte mehrere Bauvorhaben fort, welche in den Krisenjahren von früheren Verwaltungen eingestellt oder ausgesetzt wurden, darunter die Fertigstellung des 1929 begonnenen Stadtbades an der Mühlenstraße, um die Gunst der Bevölkerung zu gewinnen.

    Es soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass diese Dokumentation zum Ausbau der Sportanlage keine Verherrlichung der nationalsozialistischen Propaganda darstellt. Es ist wichtig, diese Entwicklung in der Geschichte der Stadt Chemnitz zu dokumentieren.

    Die Idee zur Umgestaltung wurde 1935 von Walter Schmidt initiiert. Zu dieser Zeit war er noch der 3. Bürgermeister und bekennender Nationalsozialist, jedoch schon führend im Rathaus tätig. Er sorgte im Stadtrat für einen schnellen Beschluss des Vorhabens. Am 5. Oktober 1935 wurde das Hochbauamt, unter Leitung von Fred Otto, mit der Durchführung beauftragt.

    Ziel war es, die vorhandene bescheidene Sportanlage zu einer großangelegten Kampfstätte auszubauen. Die Anlage soll den damaligen sportlichen Anforderungen entsprechen und zusätzlich ein Areal für große politische Versammlungen sowie für andere Veranstaltungen von größerem Ausmaß bereitstellen.

    Panorama des Areals, die Sitzbänke um die Laufbahn wurden später entfernt

    Ausbau der Südkampfbahn zur Großkampfbahn

    Modell der Gesamtanlage – interessant der überdachte Umgang über den Zuschauerrängen, der nicht mehr ausgeführt wurde

    Ohne eine gründliche Vorplanung und Kostenberechnung, die sich auf die Finanzierung auswirkte, legte Stadtbaurat Fred Otto im Oktober einfache Entwurfsunterlagen vor, aus denen das erste Modell einer Großkampfbahn entstand.

    Die Beschreibung des Umbauvorhabens war am ausführlichsten. Während die Absichten eines Befehlsgebäudes noch unklar waren, wurde die Errichtung eines Tribünenhauses mit Funktionsräumen sowie die Vergrößerung der Zuschauerwälle hervorgehoben. So ist zu lesen: „…Der Zuschauerwall umrahmt in Zukunft den vollständig erhaltenen Spielrasen mit Laufbahnen. Der Innenraum der Südkampfbahn soll unverändert bleiben, um die Kosten des Vorhabens möglichst gering zu halten…“.  Möglichst viele Leistungen sollten mit stadteigenen Kapazitäten erbracht werden. Das Tiefbauamt, das Garten- und Sportamt sowie das Elektrizitäts-, Wasser- und Gaswerk waren neben dem Hochbauamt beteiligt.

    Blick vom Befehlsturm Richtung Norden auf das Spielfeld und die Stadt

    Der geplante, abschnittsweise Umbau, der sich mit einigen Zwangspausen über drei Jahre hinzog, bot die Möglichkeit, den Sportbetrieb zu verlagern, zumal der Stadionraum der Südkampfbahn erhalten blieb und die Nutzung der Ballspielplätze hinter der Tribüne bis 1936 vereinbart wurde.

    Mit Hilfe von Fürsorgearbeitern, die vom Tiefbauamt zur Verfügung gestellt wurden, sowie freiwilliger Gemeinschaftsarbeit, ließ das Amt für Leibesübungen zunächst die Zuschauerwälle höher aufschütten. Noch 1935 wurden dafür 26.000 cbm Erdmassen angefahren. Der östliche Längswall erhielt 18 Stufen, die mit Zementplatten eingefasst wurden. Ein Teil der Kurven konnte auf 16 Stufen erhöht werden. Das 1934 angelegte Spielfeld westlich der Kampfbahn wurde fachgerecht entwässert und befestigt. Um Platz für den weiteren Ausbau zu schaffen, mussten mehrere hundert Bäume und Sträucher herausgegraben werden, die nach der Westkampfbahn verpflanzt wurden. Das „Jägerschlößchen“, die einst beliebte Ausflugsgaststäte an der Reichenhainer Straße, wurde abgebrochen, der alte Baumbestand blieb stehen. Hinzu kamen auf dem gesamten Gelände noch Nebenarbeiten wie die Sicherung von Schleusen und Wasserleitungen, die Verlegung von Kabeln etc.

    Das Jahr 1936 brachte das Werk seiner Vollendung einen großen Schritt näher: Der Ostwall erhielt 24 Stufen und die Kurven bis zu 20 Stufen. Die anderen Wälle konnten auf 8 bzw. 12 Stufen erhöht werden. Besonders nachteilig wirkte sich bei diesen Arbeiten der große Höhenunterschied von bis zu 4 m zwischen den einzelnen Geländeabschnitten aus. Dies führte auch dazu, dass der Damm an der Basis stellenweise bis zu 40 m breit ist. 40.000 cbm Erdmassen wurden für diese Arbeiten benötigt. Gleichzeitig wurde das Aufmarschgelände trockengelegt. Dazu mussten 13.000 Meter Drainagerohre verlegt werden. Nur so war es möglich, auch bei schlechtem Wetter die volle Nutzbarkeit der Kampfbahn zu gewährleisten.

    Gleichzeitig wurde an der westlichen Längsseite mit dem Bau der dreiseitig verglasten, wind- und wettergeschützten Zuschauertribüne begonnen. Sie war 60 m lang und bot 1200 Sitzplätze mit guter Sicht auf die Kampfbahn. Mit ihren Inneneinrichtungen wie getrennte Damen- und Herrenabteilungen, Umkleide-, Dusch- und Massageräumen, Arzt-, Geschäfts-, Presse- und Postzimmer sowie einer Gaststätte für 200 Personen im ersten Stock konnte sie als eine der modernsten und zweckmäßigsten in ganz Deutschland bezeichnet werden.

    Grundsteinlegung am 21. Februar 1937 zum Turmportal, erst später wurde der Begriff Befehlsturm geprägt

    In der folgenden Zeit wurden die Erdaufschüttungen für die Zuschauerböschungen fertiggestellt und die einzelnen Stufen mit Betonplatten belegt. Die Wälle erhielten jeweils 24 Aufgänge und zahlreiche breite Treppen. Diese Arbeiten zogen sich bis etwa Juli 1938 hin.

    Inzwischen war auch mit dem Bau des Befehlsturms an der südlichen Schmalseite der Kampfbahn begonnen worden, dessen Grundsteinlegung am 21. Februar 1937 feierlich begangen wurde. Besondere Bedeutung erlangte diese Grundsteinlegung durch die Teilnahme des Reichsministers Dr. Frank. Auf dem weitläufigen Gelände der Kampfbahn waren die Gliederungen der Partei und die angeschlossenen Verbände angetreten. Nach kurzen Ansprachen wurden die Urkunden des Gau- und Kreisleiters sowie des Oberbürgermeisters mit verschiedenen Zeitdokumenten in einer Kassette eingemauert, begleitet von den Hammerschlägen des Reichsministers Dr. Frank, des Gauleiters M. Mutschmann, des Kreisleiters Papsdorf und des stellvertretenden Oberbürgermeisters Walter Schmidt.

    In der ersten Entwurfsbeschreibung von Otto war noch offen, ob der alte Befehlsturm der Südkampfbahn erhalten oder ein Neubau errichtet werden sollte. Ob dies aus taktischen Gründen geschah, sei dahingestellt. Im Mai 1936 wurde der marode Holzbau baupolizeilich untersucht. Ergebnis: bedenklicher Zustand mit erheblichen Schäden. Ein Ersatzbau wurde empfohlen. Fred Otto fertigte einen Entwurf an, den er im November 1936 Bürgermeister Schmidt vorlegen durfte. Schmidt stimmte zu und legte für die von Otto genannte Kostenannahme von 180.000 RM sogleich die Finanzierung fest: 60.000 RM Sondermittel aus Sparkassenüberschüssen, 60.000 RM sofortige Nachbewilligung, 60.000 RM wurden in den städtischen Haushalt 1937 eingestellt. Schmidt wünschte auf dem Turm kein Stadtwappen, sondern den Reichsadler, sofortiger Baubeginn und Fertigstellung zum 15. April 1937 wurden angestrebt.

    Aber auch das war zu euphorisch gedacht. Die Bauvorbereitungen gerieten ins Stocken. Am 16. April erfolgte die zweite Bauanzeige für den Turm. Doch kurze Zeit später, am 3. Mai, kam die überraschende Nachricht aus dem Hochbauamt, dass die benötigten 78 Tonnen Betonstahl nicht verfügbar seien. Seit 1936 bestimmte der 4-Jahresplan die Wirtschaft – der „Wehrwirtschaftsplan“. Der Bau war in diesem Plan nicht vorgesehen. Keine Kennziffer – kein Stahl. Damit waren auch die Beziehungen des Oberbürgermeisters Schmidt zu hohen Nazi-Funktionären am Ende.

    Das Hauptportal mit dem Reichsadler

    Bis Anfang Juli wurden Anträge an hohe Dienst- und Regierungsstellen bis hin zum Ministerbüro Göring als Beauftragten für den 4-Jahresplan gestellt – alle erfolglos.

    Der Befehlsturm ist die städtebauliche Dominante der Gesamtanlage und zugleich ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt. Als Bindeglied zwischen der Kampfbahn und dem südlich anschließenden Aufmarschgelände erhob sich der streng in den Zuschauerwall integrierte, 27 Meter hohe Befehlsturm zu einer imposanten Einheit. Breite Terrassen und Balkone bieten noch heute einen herrlichen Ausblick auf die Kampfstätten, die Stadt und die erzgebirgische Landschaft. Auf der oberen Plattform befanden sich zwei mächtige Flammenschalen, deren Feuerzeichen bei besonderen Anlässen weit ins Land hinausgetragen wurden. Der Befehlsturm wurde in schlichten, edlen Formen von Chemnitzer Firmen errichtet. Die reiche Verwendung des einheimischen, farbenprächtigen Hilbersdorfer Porphyrs gab dem Monumentalbau seine besondere Note.

    An der Südseite schmückte ein vom Bildhauer Bruno Ziegler entworfener 36 Quadratmeter großer, und vom Kunstschmied Max Großmann aus eloxiertem Leichtmetall geschmiedeter Adler als eindrucksvolles Hoheitszeichen den Befehlsturm. Drei mächtige Torbögen stellten die Verbindung zwischen Kampfbahn und Aufmarschgelände her. Links und rechts davon waren 2 Uhren angebracht. An der Nordseite ergänzte eine vierzeilige Anzeigetafel die Ansicht. Im Inneren des Befehlsbaues waren Betriebsräume sowie ein repräsentativer Empfangs- und Ehrensaal untergebracht.

    Im südwestlichen Teil des Geländes wurde 1938 eine großzügige Schießanlage errichtet. Mit seinen zwölf Kleinkaliber- und drei Pistolenständen mit automatischer Schnellfeuerzieleinrichtung zählte sie in Einrichtung und Ausstattung zu den modernsten in ganz Deutschland.

    Über das gesamte Gelände der Großkampfbahn erstreckte sich ein ausgeklügeltes, weitverzweigtes Netz von Telefon-, Lautsprecher- und Mikrofonleitungen, um alle Nachrichten schnell und einheitlich zu übermitteln und auch die größten Zuschauermassen zu lenken und an jedem einzelnen Ereignis teilhaben zu lassen.

    Besondere architektonische Aufmerksamkeit wurde den Eingangstoren gewidmet. Den mittleren Eingang an der Reichenhainer Straße bildete ein zweigeteiltes, überdachtes Tor, während sich am südlichen Eingang vier mächtige Porphyrpfeiler erhoben, das „Adlertor“, gekrönt von vier aus Stein gemeißelten Adlern des Bildhauers Hanns Diettrich. Die beiden Eingänge am Richthofenweg wurden durch vier jeweils 15 Meter hohe Porphyrpfeiler mit dem Hakenkreuz betont.

    Der Fest- und Ehrensaal im Inneren des Befehlsturmes

    Die Pfeiler sowie die Kassenhäuschen an der Reichenhainer Straße sind bis heute erhalten.

    Einige Zahlen zum Bau der Großkampfbahn dürften interessant sein: Für die Aufschüttung des Zuschauerwalls wurden ca. 120.000 cbm Erdmassen benötigt. Um diese zu bewältigen, mussten 230.000 Loren mit Erde gefüllt und 1.000 m weit herangeschafft werden. 2.000 m Gleis und 80 Loren waren ständig in Betrieb. Schätzungsweise 100.000 Tagewerke mit ca. 900.000 Arbeitsstunden wurden für den Ausbau der Wälle geleistet. Zeitweise waren mehr als 400 Hilfskräfte beschäftigt. Darüber hinaus waren ab Herbst 1937 insgesamt etwa 10.000 freiwillige Helfer aus SA, SS, Reichsbund für Leibesübungen und städtischen Gefolgsleuten am Bau beteiligt.

    Besonderes Augenmerk legten das Hochbauamt und das Stadterweiterungsamt bei der Planbearbeitung auf die außerordentlich wichtige Verkehrsfrage. Um das enorme Verkehrsaufkommen bei Großveranstaltungen reibungslos abwickeln zu können, wurden Fahr- und Fußgängerverkehr grundsätzlich getrennt. Die stadtseitigen Straßen (Reichenhainer Straße, Augsburger Straße und Richthofenweg), die von Norden, Osten und Westen zur Großkampfbahn führten, blieben bei Großveranstaltungen ausschließlich dem Fußgängerverkehr zur An- und Abreise vorbehalten. Die Reichenhainer Straße wurde zu diesem Zweck ab dem Krematorium auf ganzer Breite, der Richthofenweg (die heutige Werner-Seelenbinder-Str.) im östlichen Teil ausgebaut (der Bereich bis zu den heutigen Tennisplätzen). Im Gegensatz dazu wurde der gesamte motorisierte Verkehr südlich der Großkampfbahn geführt, so dass es zu keiner Kreuzung mit dem Fußgängerverkehr kam. Eine früher angedachte Straßenbahnlinie über die Reichenhainer Straße bis zum Stadion wurde nicht gebaut.

    Großkampfbahn - Weihe und Eröffnung 1938

    Die Einweihung der nun propagandistisch so genannten „Großkampfbahn Chemnitz“ am 18. September 1938 mit dem Fußball-Länderspiel Deutschland – Polen, das die deutsche Mannschaft mit 4:1 gewann, bildete den Abschluss des ersten Bauabschnitts.

    Aufnahme vom Eröffnungsspiel Deutschland – Polen mit den überfüllten Zuschauerrängen und der Südkurve

    Dieses Ereignis war ein Meilenstein in der Sportgeschichte der Stadt Chemnitz, die nun über die größte und modernste Sportanlage Mitteldeutschlands verfügte, die in der Folgezeit als Symbol nationalsozialistischer Tatkraft weiter ausgebaut werden sollte. Die Schießstände wurden 1939 noch erweitert. Ein Aufmarschgelände für 200.000 Personen mit Wehrkampfbahn, Reitbahn mit Reithalle, ein Sportbad mit 50 m Becken, besonderer Sprunggrube, Kinderplanschbecken und Liegewiese, einer Rollschuhbahn, einem Turnierplatz, Sammel- und Verpflegungsfeld für größten Masseneinsatz, eine Turn- und Festhalle für 12.000 Menschen und ein Olympisches Dorf sollten entstehen. Auch die gärtnerische Ausgestaltung des Vorgeländes längs der Reichenhainer Straße mit Pavillon und Gartenkaffee sowie Parkanlagen mit Sportplastiken waren vorgesehen. So war es noch Ende August 1939 euphorisch im Chemnitzer Tageblatt zu lesen, doch schon wenige Tage später, mit Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurden diese weitreichenden Pläne zunichte gemacht.

    Die Finanzierung des Vorhabens war, wie bereits eingangs angedeutet, sehr mangelhaft. Die Nachkalkulation des gigantischen Bauvorhabens vom Juni 1939 wies Gesamtkosten von 2,16 Mio. RM aus. Offene Rechnungen für Unternehmerleistungen aus dem Jahr 1938 konnten nicht mehr beglichen werden. Mit Kriegsbeginn wurden die Mittel rigoros gekürzt. Selbst erste notwendige Reparaturen konnten kaum noch durchgeführt werden.

    Bei allen Vorbehalten aus heutiger Sicht darf nicht vergessen werden, dass an diesem Projekt viele fleißige Menschen mit der Überzeugung gearbeitet haben, etwas Gutes für den Sport und die Stadt zu tun und zu schaffen.

    Über die feierliche Eröffnung vor 85 Jahren und das 1. Fußball-Länderspiel in Chemnitz wird in einem weiteren Beitrag berichtet.

    Quellen u.a.: „Der Türmer von Chemnitz“, Folge 11/1938; Artikel im „Chemnitzer Roland“ Hefte 2+3/2016 – Autor Hilmar Uhlich erhältlich beim Chemnitzer Geschichtsverein; Chemnitzer Tageblatt vom 19.9.1938 und 27.9. 1939; Adressbücher der Stadt Chemnitz 1939+1940 und versch. Artikel aus sächsischen Tageszeitungen, zu finden unter SLUB-Dresden.de