In der Reihe zur geschichtlichen Betrachtungen renommierter Restaurationen möchte ich in diesem Beitrag das weitgehend vergessene „Meyers Feldschlößchen“ an der Bernsdorfer Straße 99 vorstellen.
Wenn wir heute alte Ansichten dieser Lokalität betrachten, können wir nur einen Teil der einstigen Pracht erkennen und erahnen.
In der Historie des Hauses gab es einige Großveranstaltungen, die eine separate Betrachtung in neuen Beiträgen auf Grund der mittlerweile umfangreichen Bild- und Quellenlage verdienen. Diese möchte ich in der chronologischen Aufzählung hier nur kurz erwähnen.
Die Ursprünge einer Gastwirtschaft können wir an dieser Stelle, die sich zwar räumlich in Bernsdorf befand, aber zum Chemnitzer Stadtgebiet gehörte, bereits 1852 finden. In diesem Jahr taucht erstmalig der Schankwirt Christian Wilhelm Eduard Lippold in den Adressbüchern auf, die uns bei der Chronologie der Besitzer eine wertvolle Hilfe sind.
Die Schankwirtschaft befand sich am unteren Ortsausgang der Gemeinde, am Kommunikationsweg zur Zschopauer Straße hinauf, wie die Karte von 1874 zeigt. Wer also von den Besorgungen in der Stadt auf dem Heimweg entlang des Bernsbaches – dieser Feldweg mündete auf diesen Kommunikationsweg – war, dem bot sich als erstes eine Einkehr nach der langen Tour im „Feldschlößchen“ an. Diesen Namen finden wir erstmalig im Adressbuch 1864 unter dem gleichen Wirt. Noch im selben Jahr wurde das Objekt „Bernsdorfer Weg 16, V. Abth.“, wie es im Register hieß, an Friedrich Ferdinand Meyer veräußert.
Bis 1885 war er Inhaber des Restaurants. Nach dem Tode Meyers mußte seine Witwe Johanna Carolina selbst 3 Jahre die Wirtschaft führen, ehe der Sohn Theodor Meyer soweit war, um die Geschäftsführertätigkeit zur Zufriedenheit der Familie auszuüben.
Schon in diesen 80er Jahren des 19. Jahrhunderts hatte das Haus größere Ausmaße angenommen. Für die Bernsdorfer stand seitdem ein großer Festsaal zur Abhaltung größere Veranstaltungen zur Verfügung. Die Lutherfeier 1883, die jährlichen Sedanfeiern (zum Andenken an die Gefallenen im Deutsch-Französischem Krieg 1870/71) aber auch die Festlichkeiten zur Bernsdorfer Kirmes fanden in diesem Hause eine regelmäßige Heimstätte.
In diese Zeit fiel auch die Chaussierung der Bernsdorfer Straße entlang des Baches, sie wurde für den weiteren Straßenverkehr befestigt und trug ab 1888 diesen Namen, das Feldschlösschen die Adresse Bernsdorfer Str.99.
Eine weitere Aufwertung erhielt die Bernsdorfer Straße mit der Erweiterung der Straßenbahn, am 23.12.1893 fuhr die „Elektrische“ erstmals bis zum Rosenplatz. Und als am 24. Juni 1894 die Verlängerung bis zur Wartburgstraße in Betrieb genommen wurde, ist das „Feldschlösschen“ Endhaltepunkt, zuträglich für das schon ehedem florierende Geschäft. Die Gartenanlagen wurden großzügig angelegt und ein Wintergarten errichtet. Damit waren auch die besten Voraussetzungen für die großem Veranstaltungen, wie schon eingangs erwähnt, gegeben:
Die 1. Erzgebirgische Gartenschau 1895 unter dem Protektorat des Sächsischen Prinzen Friedrich August öffnete am 23. August die Tore auf dem erweiterten Gelände bis zur Wartburgstraße.
1897, beim gewaltigen Hochwasser, stand die Flut sprichwörtlich vor der Tür, nur knapp wurde das Areal verschont. 1898 fanden die Chrysanthemen-Ausstellung des Erzgebirgischen Gartenbauvereins und das Sommerfest des Erzgebirgsvereines im „Feldschlösschen“ statt. Auf dem großzügigen Platz an der Ecke Wartburg- zur Bernsdorfer Straße wurde im Jahre 1900 die große Festhalle für das 9. Deutsche Kegelfest und das Erzgebirgische Bundes-Sängerfest errichtet. Die parkähnlichen Gartenanlagen, ausgestattet bereits mit Gartenteich, Wasserfall und einem Fontänen-Brunnen sowie zahlreichen Bäumen, Koniferen, Beeten und Palmengarten, wurden für diese Großereignisse nochmals erweitert.
1902 starb Theodor Meyer, die Erbengemeinschaft unter der Leitung der Witwe Hulda Meyer und den 6 Kindern, führte das „Feldschlösschen“ bis in die 20er Jahre hinein, allen Schwierigkeiten zum Trotz, erfolgreich weiter.
Die 2. Erzgebirgische Gartenbauausstellung 1905, bei der auch der am 14. Oktober 1904 zum Sächsischen König gekrönte Friedrich August III. seine Aufwartung machte, bildete einen weiteren Höhepunkt des Garten-, Concert und Ballsaal-Etablissements.
Das repräsentative und sehr opulent ausgestattete Restaurant mit Ballsaal, u.a. hatte man frühzeitig elektrische Beleuchtung installiert, dazu deutsche und französische Billardtische angeschafft, blieb zudem ein beliebter Treffpunkt Chemnitzer Vereine, der Garten ein beliebtes Ausflugsziel in der schönen Jahreszeit, und der glamouröse Ballsaal ein gern besuchter Veranstaltungsort für jedwede Festlichkeit. Eine anerkannt gute Küche mit verschiedenen Biersorten und hochfeinen Weinen konnte damals empfohlen werden.
Am 8. August 1913 wurde auf der neu angefügten Straßenbahnstrecke „Meyers Feldschlößchen – Pappelstraße – Bernsdorf“ der Betrieb aufgenommen.
Den ersten Weltkrieg als Bewährungsprobe auf Grund mangelnder Versorgung meisterte das Familienunternehmen, am 28. Juli 1926 lässt man die Firma „Meyers Feldschlößchen Hulda verw. Meyer“ auf Blatt 9737 ins Handelsregister der Stadt Chemnitz eintragen.
In den wirtschaftlich schlechten Zeiten übernahm vorübergehend der Chemnitzer Gastwirt Michael Treutlein von 1928-1932 das Etablissement, ehe Max Ferdinand Meyer die Familientradition fortsetzte und schließlich am 10. Februar 1934 als neuer Firmeninhaber ins Handelsregister eingetragen wurde.
Ab März 1933 fanden auch 14tägig katholische Missionsgottesdienste im Haus statt, da die Einwohnerzahl rapide gestiegen war und in diesem Stadtteil kein kath. Gotteshaus zur Verfügung stand.
Im 2.Weltkrieg von einem Bombentreffer zerstört, verschwand Meyers Feldschlösschen wenig später aus dem Stadtbild und auch aus den Erinnerungen der Chemnitzer. Es blieben die Parkanlagen, die als Park der DSF und jetzt als Marie-Luise-Pleißner-Park Bernsdorf zum Verweilen einladen.
Ich hoffe, die Zusammenfassung konnte ihnen einen groben Überblick über das einst bekannte und beliebte Haus geben.
(Quellen u.a. Adressbücher der Stadt Chemnitz und Zeitungsausschnitte, siehe SLUB-Dresden.de; „Deutscher Reichsanzeiger“ zu finden unter https://digi.bib.uni-mannheim.de, Dank an Uwe Kaufmann für die Bereitstellung verschiedener Ansichten zu meinem Projekt)