Das Chemnitzer Bankwesen kann bereits auf eine über 200jährige Geschichte verweisen. Das enge Zusammenwirken von Industrie, Handel und der Banken ermöglichte die rasante Entwicklung des Chemnitzer Bezirkes zu einem wichtigen Produktions- und Industriestandort.
1811, am Ende der Kontinentalsperre, begründete der Chemnitzer Garnhändler Julius Haase das erste Geld- und Wechselgeschäft in der Webergasse. Weitere Bankhäuser folgten ihm im Laufe des 19.Jahrhunderts, die großen Bankpaläste wie Chemnitzer Bankverein, Dresdner und Deutsche Bank erst zu Beginn des 20.Jahrhunderts.
Bereits ab Januar 1876 besaß Chemnitz auch eine Filiale der Reichsbank. Zunächst noch in der Annaberger Straße 33 untergebracht, suchte man nach einem repräsentativen Bauplatz. Mit der Planung eines Durchbruchs zwischen Post- und Langestraße und der Verlängerung der Bachgasse bis zur Reitbahnstraße entstanden neue innerstädtische Grundstücke. Dieser Durchbruch wurde die neue Kronenstraße, ab 1876 wuchsen dort die ersten Geschäftsbauten in Richtung der Reitbahnstraße empor.
Für die Reichsbank fand unter verschiedenen in Vorschlag gebrachten Bauplätzen derjenige an der Kronenstraße an das Rathaus grenzende Platz die Billigung der Behörde. Das Rathaus befand sich zur damaligen Zeit noch an der Poststraße/Beckerplatz. Der Bau, im italienischen Renaissancestil ausgeführt, wurde am 1. Juli 1884 begonnen. Mehr als 70 Arbeitern waren tagtäglich beschäftigt, der Dachstuhl sollte bis Ende des Jahres stehen. Nach nur 1¼ Jahren Bauzeit konnte der 3 Stockwerke hohe Monumentalbau im Laufe des Monats Oktober 1885 fertiggestellt werden. Die Gesamtkosten beliefen sich auf fast 200.000 Mark.
Das Chemnitzer Tageblatt beschreibt Anfang Oktober 1885 den prächtigen Neubau:
„Das in seiner Ausführung und in seinen Verhältnissen einen durchaus günstigen Eindruck hervorbringende Gebäude ist nach dem Grundrißskizzen des Königl. Sächs. Landbaumeisters Herrn Julius Temper hier, welcher auch die Oberbauleitung des Baues hatte, erbaut, während die Fassaden und die Detaillierung von dem Preußischen Regierungsbaumeister Max Hasak in Berlin herrühren, dem auch die Leitung des Baues selbst übertragen worden war.
Der Bauplatz für das neue Reichsbankgebäude ist ziemlich genau nach Süden gerichtet, er ist 30 m tief und 40 m lang, enthält also rund 1200 Quadratmeter Grundfläche. Der Hof, zu dem ein geschmackvolles, imposantes Portal führt hat eine Breite von 12 Meter. Das Bankgebäude selbst liegt mit seiner Westfront an der Kronenstraße, und mit der Südfront nach der Poststraße, die anderen beiden Fronten werden durch Hof und Garten flankiert.
Das seinen Erbauern, wie den Bau ausführenden Geschäften und Meistern zu hoher Ehre gereichende Reichsbankgebäude besteht aus einem Erdgeschoß und 2 Etagen, wie Kellerräumen. In letzteren sind u.a. die Centralheizung, die Waschlocalitäten etc. untergebracht. Das Erdgeschoß, welches von der Kronenstraße aus durch die Haupttür, aber auch durch einen Eingang von der Seite aus durch das Portal erreicht werden kann, ist lediglich für den Geschäftsverkehr der Bank bestimmt. Der hervorragendste Raum im Parterre ist der große Saal für die Cassen- und Expeditionsbeamten mit 300 qm Grundfläche. Dieser Saal ist mit einer gewölbten, von vier mächtigen Säulen getragenen Decke versehen, welche, dem Geschäftszweck entsprechend, einfach gehalten ist. Jede der erwähnten Säulen, auf denen sich die Obergeschoße aufbauen, hat die angebliche Last von 160.000 kg zu tragen. Der Platz, welcher für die Cassierer bestimmt ist, wir durch Oberlicht erhellt. Vom Saal rechts gelangt man in das Direktorzimmer, welches ebenfalls gewölbt und entsprechend verziert ist.
Der interessanteste Raum des Erdgeschosses ist der Tresor oder die Schatzkammer, in welcher die Vorräte an barem Geld, Banknoten und Wechseln aufgespeichert werden. Hier galt es wohlverwahrte, gegen Einbruch und Feuersgefahr vollständig gesicherte Platze anzulegen. In der Tat ist auch nichts unterlassen worden, um diesen Tresor so einzurichten, daß nach menschlichem Ermessen jeder Unfall ausgeschlossen erscheint. Die Schatzkammer ist mehrere Meter tief und von allen Seiten mit Cement Klinkern unter- und ummauert, und ebenso wie das feste Mauerwerk dürften die starken eisernen Panzertüren jeder Diebesarbeit Widerstand leisten. Die in dem in zwei Abtheilungen zerfallenden Raum angebrachten, aus starken Bohlen gefertigten Regale sind bestimmt zum Niederlegen der Millionen von Mark, welche in der Reichsbank zusammenströmen. Ein Schallrohr führt aus dem Tresor in die gerade darüber befindliche Wohnung des Cassendieners; durch dieses Schallohr wird der leiseste Ton, welcher im Tresor laut wird, so verstärkt, das jedes verdächtige Geräusch sofort bemerkt werden muß. Der Saal weist noch einiges Bemerkenswerthe auf; derselbe wird durch eine von Herrn Ingenieur Kelling in Dresden eingerichtete Heißwasserheizung erwärmt, mit der eine praktische Lüftungsvorrichtung verbunden ist, die bis 1000 cbm stündlich Luftwechsel schaffen soll. Eine weitere neue und praktische Einrichtung ist bezüglich der Fenster getroffen worden. Um möglichen Zug zu vermeiden, sind nämlich sämmtliche Fenster fest verglast und haben nur einen Schlagflügel. Man verspricht sich von dieser Einrichtung die besten Erfolge.
Über dem Erdgeschoß sind in zwei Etagen die Wohnungen der Vorstandsbeamten der Bank. Dieselben sind bequem und elegant eingerichtet, und mit allem Comfort ausgestattet. Zur Helligkeit der Vorsäle trägt der Lichthof, durch welchem für die Cassenbeamten Oberlicht geschaffen wird, viel bei. Rothe Marmorstufen führen zu den Wohnräumen empor.“ Soweit die Vorstellung des Gebäudes im Originaltext von 1885.
Am 2. November 1885 verlegte die Reichsbankfiliale ihre Geschäftsräume in die Kronenstraße 2. 60 Jahre lang wurden dort sämtliche Bankgeschäfte erledigt, viele Chemnitzer Firmen hatten ein Konto bei diesem Geldinstitut.
Im Jahre 1945 verfügten die Alliierten im Potsdamer Abkommen die Auflösung der Reichsbank wegen ihrer tragenden Rolle in der Rüstungsfinanzierung. Das von Bombenangriffen weitestgehend verschonte Gebäude, der markante rote Ziegelbau, wurde nach dem Krieg zeitweise als Polizeiwache genutzt und schließlich 1964, im Zuge der Neubebauung der Chemnitzer/Karl-Marx-Städter Innenstadt, abgerissen. An dieser Stelle entstand die neue Zentralhaltestelle des Städtischen Nahverkehrs. Auch diese hat bekanntermaßen nur eine kurze Geschichte erlangt, heute finden wir am ehemaligen Standort der Reichsbank das Parkhaus der Galeria Kaufhof.
(Quellen: Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 13.10.1885, Buch „Chemnitz am Ende des 19. Jahrhunderts“, Beitrag zur Bankengeschichte von W.Bausch in VS-Aktuell 01/2009, Bilder aus der Sammlung von S.Baum/M.Unger – Dank an dieser Stelle für die wertvollen Zeitdokumente)