Fortsetzung der Firmengeschichte – Herm. Riemann – Fahrrad-, Automobillaternen und Zubehörteile – Chemnitz-Gablenz
Paul Riemann führte die Firma im Sinne des Gründers August Hermann Riemann und Bruders Otto Riemann fort. Am 20. August 1913 wurde er, rückwirkend zum 1.12.1912, als persönlicher haftender Gesellschafter ins Handelsregister eingetragen. Werbung blieb auch unter P. Riemann ein wichtiges Instrument der Firmenphilosophie. Händler erhielten Plakate und Aufsteller, auch die Werbung in Automobilzeitschriften wurde kontinuierlich fortgesetzt. Der 1. Weltkrieg beeinträchtigte das bis dahin gut gehende Exportgeschäft. Immer wieder konnten die Ladungen – 1914 wurde der Dampfer Gneisenau im Hafen von Antwerpen mit Riemanns Kisten versenkt – entweder gar nicht oder stark verspätet ihre Empfänger erreichen.
Dem 50jährigen Firmenjubiläum 1916 wurde nur in stiller Weise gedacht und in Anbetracht der Kriegsverhältnisse von einer besonderen Feier Abstand genommen.
Auch Mitarbeiter der Firma ließen in diesem 1. Weltkrieg ihr Leben. Für die Nachbesetzung offener Stellen wurden in Annoncen u.a. Klempner, Metalldrücker und Werkzeugschlosser gesucht. Die schweren Zeiten nach dem 1. Weltkrieg wurden gemeistert. 1928 wurde als neuer Prokurist der Ingenieur Alfred Eberwein (Ehemann von Paul Riemanns 2.Tochter Edith) bekanntgemacht. Auch die späteren Jahre der Weltwirtschaftskrise überstand man unbeschadet.
Zum Jahresbeginn 1932 schied Carl Hermann Born, der über 25 Jahre als Prokurist der Firma ebenso zum Erfolg beitrug, aus.
Als Lieferant großer deutscher Automobilhersteller, wie Opel und die Auto-Union, konnte man in den 30er Jahren von deren Aufschwung ebenso profitieren.
Mit Eintritt der Kriegsproduktion des Dritten Reiches erreichte das Geschäft seinen Höhepunkt, denn Fahrzeuglampen und Signaleinrichtungen wurden in großen Stückzahlen für die Militärfahrzeuge benötigt. Eine Goldmedaille auf einer Ausstellung 1937 in Paris zeugte weiterhin vom guten Ruf und der anhaltend guten Qualität der Produkte.
Am 11. Juli 1938 starb Paul Riemann als langjähriger Firmeninhaber. Neue Gesellschafter der Firma wurden Alfred Eberwein und Riemanns 2. Sohn Erich Adalbert Riemann, der aber schon 1939 kriegsbedingt 36jährig sein Leben lassen musste.
Zum Kriegsende 1945 wurde die Fabrik teilweise beschädigt, besonders betraf es die Ecke Fürstenstraße/Hofer Straße, aber zum Teil auch den an der Fürstenstraße gelegen Gebäudeteil. Alfred Eberwein verbrachte die ersten Nachkriegsjahre in sowjet. Kriegsgefangenschaft, ob er zurückgekehrt ist, bleibt offen.
Ab 23. Oktober 1945 wurde von 22 Arbeitern (während des Krieges waren es immer noch 700 Beschäftigte) in der geplünderten Fabrik der betriebliche Neuaufbau gestartet. Sie verpflichteten sich, 4 Wochen ohne Lohn mitzuarbeiten. Von einst 700 Maschinen waren noch 40 vorhanden. Zuerst hieß es Schutt beseitigen und noch verwendbare Maschinen instand zu setzen. Dann begann man mit der Reparatur von Haushaltsgegenständen und widmete sich der Herstellung von Luftpumpen und Gartenrechen, eine finanzielle Grundlage mußte für die Wiederaufnahme der Scheinwerfer-Produktion geschaffen werden. Schon 1946 konnte eine Bestellung von 7.000 Scheinwerfern eine Beschäftigung von 70 Arbeitern für mehrere Monate sichern. Auf der Leipziger Messe wurde der Stand der einzigen Scheinwerferfabrik in der sowjetisch besetzten Zone von Interessenten des In- und Auslandes belagert.
Mit dem durchgeführten Volksentscheid 1946 in Sachsen zur Enteignung von Kriegsverbrechern wurde in den Folgejahren aus der Firma Riemann die „Spezialfabrik für Fahrzeugbeleuchtungen“ in Chemnitz und später der VEB Fahrzeugelektrik Karl-Marx-Stadt (Adresse damals Friedrich-Engels-Str. 83) mit einem breiteren Produktionsprofil. Weiterhin wurden vor allem Scheinwerfer und Zündanlagen für Kraftfahrzeuge gefertigt. In der Gesamtheit (mit Zweigwerken) gab der Betrieb in den nachfolgenden Jahren ca. 1.500 Menschen Arbeit.
Nach der politischen Wende im Jahr 1990 konnte von der neu gegründeten „Fahrzeug-Elektrik-Elektronik GmbH“ der Einstieg in die Marktwirtschaft nicht gemeistert werden, so dass 1992 das endgültige „Aus“ erfolgte. In den Jahren 1993/94 existierten noch Planungen für ein sogenanntes „Sonnenberg-Center“ in dieser Industriebrache, welche sich aber nachfolgend als Luftblasen entpuppten.
Der einstige Betrieb verfiel zur Ruine. Die folgenden Jahre brachten für den Gebäudekomplex Vandalismus und Zerstörung, so dass wiederholt Forderungen nach Beseitigung des Schandflecks auf dem höchsten Punkt des Sonnenbergs laut wurden. Mit Erleichterung musste deshalb die Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass im Jahr 2010 sowohl die Villa des Firmengründers an der Fürstenstraße als auch das Betriebsgelände verkauft werden konnten.
Doch es sollte noch bis 2016 dauern, ehe nach der Übernahme des Geländes durch eine große Immobiliengesellschaft Bewegung in die Sache kam und der Erhalt der bedeutsamen Gebäudeteile des Kulturdenkmals beschlossen wurde.
Nach umfangreichen Abbruch-/Entkernungs- und Wiederaufbauarbeiten konnten schließlich Ende 2021 die ersten Mieter in die entstandene gehobene Wohnanlage einziehen.
(Quellen u.a. Adressbücher der Stadt Chemnitz und versch. Zeitungsartikel sächs. Blätter, zu finden unter SLUB-Dresden.de; Firmen- u. Warenzeicheneinträge aus dem Dt. Reichsanzeiger; Webseite sonnenberg-chemnitz.de mit den Veröffentlichungen der AG Sonnenberg des Geschichtsvereines Chemnitz e.V.; Zeitungsartikel und Annoncen versch. Radsportzeitschriften zu finden unter https://www.onb.ac.at; Volksstimme Chemnitz, 26.10.1946;u.a.)