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Vom Wandel an der Leipziger Straße

    Der soziale Wohnungsbau der Stadt zeigte seit 1981 deutliche Erfolge und hatte die Wohnbedingungen für rund 90.000 Bürger merklich verbessert. Im Rahmen dieser Politik wurde bei der Vergabe der Wohnungen ein klarer sozialer Akzent gesetzt, indem etwa 60 Prozent der Neubauwohnungen an Arbeiterfamilien gingen und kinderreiche Familien sowie junge Ehepaare bevorzugt mit Wohnraum versorgt wurden. Allein in der Zeit von 1981 bis Ende des ersten Halbjahres 1985 erhielten 559 kinderreiche Familien ein ihrer Größe angemessenes Zuhause, während für junge Ehepaare in diesem Zeitraum 5.880 Wohnungen bereitgestellt wurden. Der stark soziale Charakter der Wohnungs- und Mietpolitik spiegelte sich auch in den Kosten wider: Die Mieten beliefen sich lediglich auf drei bis fünf Prozent des Familieneinkommens und deckten nur etwa ein Drittel der tatsächlichen Aufwendungen.

    Für die nachfolgende Periode von 1986 bis 1990 war geplant, das Wohnungsbauprogramm fortzusetzen und dabei insbesondere den innerstädtischen Wohnungsbau in der Einheit von Neubau, Rekonstruktion, Modernisierung und Erhaltung weiter zu forcieren. Im Süden der Stadt wurde gleichzeitig mit dem Baugebiet VIII (Hutholz) bis 1988 der letzte große Abschnitt des „Fritz-Heckert-Wohngebietes“ fertiggestellt. Insgesamt entstanden dort bis 1990 rund 32.300 Plattenbauwohnungen.

    Die geplante innerstädtische Bautätigkeit sollte sich auf 18 Standorte konzentrieren und 68 Prozent des gesamten Bauvolumens ausmachen. Konkret war vorgesehen, in diesem Fünfjahreszeitraum etwa 7.600 Wohnungen neu zu bauen, 2.600 zu rekonstruieren und 8.200 zu modernisieren, wodurch ein Ausstattungsgrad im Wohnungsbestand von 93,9 Prozent bei Toiletten und 86,6 Prozent bei Bad/Dusche angestrebt wurde.

    Auch an der Leipziger Straße im damaligen Karl-Marx-Stadt sollte ein solches Bauvorhaben verwirklicht werden. Das wesentliche Anliegen der Stadtplaner, Architekten und Projektentwickler war es, der Fernverkehrsstraße (damals F 95) als einer der Hauptzufahrten zur Stadt ein charakteristisches Bild zu geben und den künftigen Bewohnern trotz der hohen Verkehrsbelastung gute Wohnbedingungen zu schaffen. Dazu sollten vor allem Ecksegmente, Durchgänge und Durchfahrten sowie Verbinder in Karrees eingesetzt werden. Die Bauform sollte ebenfalls zu verkehrslärmfreieren Innenräumen beitragen.

    Neben dem bekannten Bautyp IW 83 sollten eine Reihe von Neuentwicklungen genutzt werden. Im Erdgeschoss der Neubauten waren Gaststätten und andere gesellschaftliche Einrichtungen geplant. Dazu gehörten eine Biergaststätte, eine Speisegaststätte, eine Verkaufseinrichtung für Waren des täglichen Bedarfs, eine Zahnarztambulanz und ein Frisiersalon.

    Nachdem die alte, teilweise über 100 Jahre alte Bausubstanz entlang der Leipziger Straße ab 1985 abgerissen worden war, konnte am 6. Oktober 1989 mit dem Setzen der ersten Platte der Grundstein für dieses Wohngebiet gelegt werden. Insgesamt 1620 Neubauwohnungen sollten in den nächsten Jahren an der Leipziger Straße entstehen. Für den ersten Bauabschnitt, das Karree zwischen Winklerstraße, Arthur-Bretschneider-Straße und der heutigen Konradstraße, waren 520 Neubauwohnungen, davon 68 altersgerechte und 17 rekonstruierte Wohnungen, sowie eine Kinderkrippe mit 72 Plätzen geplant.

    Die Pläne wurden damals unter Leitung des VEB Komplexer Wohnungsbau Karl-Marx-Stadt nur teilweise umgesetzt. Die Wende und wirtschaftliche Umstrukturierungen zu Kapitalgesellschaften ließen das Baugeschehen und die Pläne zur Vitalisierung stoppen. Deshalb finden sich heute noch Freiflächen stadtauswärts zwischen Matthes- und Mittelstraße sowie an der Ecke Leipziger Straße zur Matthesstraße bzw. Kanalstraße.

    2018 begann die GGG als Eigentümer der Gebäude die umfassende Rekonstruktion unter anderem mit dem Anbau von Balkonen und teilweise von Aufzügen, Grundrissänderungen sowie die Erneuerung der Haustechnik, die Sanierung der Fenster, Fassaden sowie der Balkone der sogenannten Luisenhöfe. Leider waren diese werterhaltenden Maßnahmen nicht von Dauer. Den Zustand des Umfelds kann man täglich sehen, wenn man die Leipziger Straße entlangfährt.

    Quelle: „Broschüre Karl-Marx-Stadt heute“, herausgegeben vom Rat der Stadt Karl-Marx-Stadt 1986; Artikel in der Freien Presse Karl-Marx-Stadt, erschienen 9. Oktober 1989; Bilder aus der Sammlung von Silvia Baum; u.a.