Die Adresse selbst ist den meisten Chemnitzern nicht geläufig. Das Gebäude aber kennt jeder. In diesem Jahr feiert es gleich zwei Jubiläen. 1897 – vor 125 Jahren in Betrieb genommen und 1922 – die umfangreiche Erweiterung des Komplexes vor 100 Jahren. Eine Möglichkeit, das Gebäude an der Hartmannstraße, eines der wenigen heute noch erhaltenen Bauten der ehemals Sächsischen Maschinenfabrik, meiner Leserschaft näher zu bringen.
Bereits 1837 hatte sich Richard Hartmann mit seinen Werkstätten hier niedergelassen. Er hatte die Fabrikanlagen ständig erweitert, wie die nebenstehende Lithographie zeigt. 1870 wurde sein Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die Sächsische Maschinenfabrik AG Chemnitz gegründet.
In den Jahren 1895 bis 1898 expandierte die Sächsische Maschinenfabrik weiter und vergrößerte Ihre Fabrikanlagen. Dazu wurden an der Promenadenstraße alte Fabrikgebäude abgerissen, um Platz für die Erweiterungen zu schaffen.
1896 wurde mit dem Bau des neuen Verwaltungsgebäudes begonnen. Ausführende Firma war, unterstützt von vielen regionalen Handwerkern, die Chemnitzer Baufirma Otto Stäber (die z. Bsp. auch die Lutherkirche errichtete). Schon Anfang Oktober konnte Richtfest gefeiert werden. Erbaut wurde der Komplex, damals noch als Directionsgebäude bezeichnet, in L-Form an der Ecke Hartmann-/Promenadenstraße bis 1897. Ergänzt wurde das Vorhaben von einem dreistöckigen Fabrikgebäude für den Spinnmaschinenbau längs der Promenadenstraße.
Zum 75jährigen Firmenjubiläum 1912 wurde in den Grünanlagen vor der Verwaltung dem Firmengründer das bereits beschriebene Richard-Hartmann-Denkmal gesetzt.
Nach dem 1. Weltkrieg erblühte die Sächsische Maschinenfabrik erneut. Im Lokomotivbau war man gut beschäftigt, steigend war die Nachfrage im Textilmaschinenbau. Diese Erfolge fanden 1921/1922 ihren sichtbaren Ausdruck in der Erweiterung und Umgestaltung des Verwaltungsgebäudes an der Hartmannstraße. Das bestehende Gebäude wurde in Angleichung mit der vorhandenen Bausubstanz mit einem weiteren Flügel versehen, das Eingangsportal in die Mitte des Gebäudes verlegt und mit je zwei überlebensgroßen Figurenpaaren – Schmiede und Gießer- geschaffen vom Chemnitzer Bildhauer Bruno Ziegler versehen.
Die Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre bedeutete für die Sächsische Maschinenfabrik das Aus. Viele der Gebäude waren auf Grund Ihres Alters und Zustandes nicht weiter nutzbar und wurden abgerissen. Im September 1930 wurde das fast neue Gebäude für 800.000 Reichsmark aus der Insolvenzmasse der Maschinenfabrik vom Sächsischen Staat angekauft und für die Chemnitzer Polizei bereitgestellt. Untergebracht sollten neben dem Polizeipräsidium, dem Kriminalamt, Polizeidienststellen auch staatliche Behörden werden, darunter das Straßen- und Wasserbauamt, das Versorgungsgericht und die Versorgungsbehörden. Die alte Druckerei der Sächsischen Maschinenfabrik wurde zu einem Arresthaus umgebaut. Im Hof entstand ein Garagenkomplex für den Fuhrpark. Noch einmal 350.000 Reichsmark hatte man für den Umbau eingeplant. Der Einzug verlief in mehreren Etappen. Am 1. Juli zog als erste die 4. Polizeiwache von der Bergstraße ins Gebäude. Anfang Oktober 1931 erfolgte die Verlegung der Behörden. Der Umzug vom Beckerplatz in die Hartmannstraße fand in der Presse als größter Umzug, den Chemnitz seit Jahren erlebte, die entsprechende Beachtung. 15 große Möbelwagen und ein gewaltiger Stab von Transportarbeitern standen zur Verfügung. Die Polizeihauptwache verblieb mit Rücksicht auf die zentrale Lage wie bisher im Alten Rathaus am Beckerplatz.
Den 2. Weltkrieg überlebten die Gebäude fast unbeschadet. Gute Voraussetzungen für die Weiterführung als Polizeipräsidium bis mindestens 1949, allerdings nun als Volkspolizeipräsidium. Darüber hinaus war hier die Einsatzleitstelle der KVP, der Kasernierten Volkspolizei, bis zur Gründung der NVA 1956 untergebracht.
1952 Jahre finden wir im Telefonbuch hier nicht nur das VPKA, sondern auch eine Kfz-Steuerstelle (auch Anmeldung von Autos möglich), die Verwaltung des VEB Baubetriebe Chemnitz und die DHZ (deutsche Handelszentrale) für Industrietextilien.
1953 – In Gedenken an den am 30.Dezember 1952 von angeblich westlichen Terroristen ermordeten Grenzschützer Helmut Just wurde die Hartmannstraße umbenannt. Respektlos gegenüber einem der größten und bedeutendsten Chemnitzer Industrie-Pioniere, dem unsere Stadt sehr viel zu verdanken hat. 1991 wurde das wieder rückgängig gemacht.
Seit 1990 ist es nun Sitz der Polizeidirektion Chemnitz. Die Gebäude wurden in den letzten 20 Jahren umfangreich saniert, alte Gebäudeteile abgerissen und durch einen neuen Funktionsbau 2012 ergänzt.
(Quellen u.a.: Chemnitzer Roland Heft 3/1997 Artikel von Joachim Eichler; 13. Beiheft zum Chemnitzer Roland 2009 aus Anlass des 200. Geburtstages Richard Hartmanns, versch. Ausgaben des Generalanzeigers für Chemnitz, der Weißeritz-Zeitung, u.a., zu finden unter SLUB-Dresden.de)