Neben den zuletzt beschriebenen Pferdedroschken im Chemnitzer Straßenbild gesellte sich bald ein neues Transportmittel dazu, die Pferdebahn. Heute eine altbekannte Erscheinung, stellt die Straßenbahn doch das jüngste Glied der städtischen technischen Großbetriebe dar. Denn erst seit dem 1.Januar 1908 heißen sie „Straßenbahnen der Stadt Chemnitz“
Ein Blick auf die Anfänge der schienengebundenen Beförderung im Stadtgebiet.
Bereits 1871 wurde der Stadt Chemnitz die Anlegung einer Pferdeeisenbahn in Aussicht gestellt. 2 Personen bewarben sich im November um die Konzession dazu, Herr Frederic (Friedrich) de la Hault aus Brüssel – der u.a. im November 1871 in Frankfurt am Main die Konzession erhielt und später auch in Köln (1877) die ersten Pferdebahn in die Spur brachte – sowie der Chemnitzer Fabrikant Rudolf Körner. Beide reichten ihre Pläne bei den städtischen Behörden ein und hofften auf eine baldmöglichste Entschließung, schien doch ein dringendes Bedürfnis auf Grund der hohen Zahl an Industriewerkstätten gegeben zu sein.
Die Interessen der Stadt versuchte der Rat durch hohe Kautionsforderungen und Genehmigungspflichten für Strecken und Wagen umzusetzen, woran auch 1878 das Konsortium bestehend aus den Herren Bahse, Händel und dem Berliner Ingenieur Schmidt nach Unterhandlungen mit den Stadtkollegien scheiterte.
Am 17. Juni 1879 bat der Ingenieur William Roebuck aus London um Erteilung der Konzession zur Erbauung einer Pferdeeisenbahn in hiesiger Stadt, die der Rat in seiner Sitzung am 26. Juni 1879 unter Beibehaltung der bereits im Jahre davor beschlossenen Bedingungen genehmigte. Die Stadtverordneten traten diesem Beschluß am 10. Juli 1879 bei. Die Konzessionsurkunde, in der der Betrieb auf 35 Jahre an Ingenieur Roebuck verpachtet wurde, ging mit dem Datum 15. Juli 1879 schließlich am 22. Juli an den Gesuchsteller. Die Geburtsstunde der Pferdebahn.
Zur Bau und der Betreibung wurde am 23. August 1879 eine Gesellschaft gegründet, die „The District of Chemnitz Tramways Company Limited“. Roebuck bestimmte den Chemnitzer Kaufmann P. Händel zu seinem bevollmächtigten Vertreter, das Kontor war am Neustädter Markt 16 (heutiger Theaterplatz), eingetragen im Handelsregister am 25. März 1880.
Diese Gesellschaft beabsichtigte vorerst den Betrieb nicht mit eigenen Pferden zu bewerkstelligen. Dazu wurde mit dem Pächter des Postfuhrwesens ein Abkommen mit einer vereinbarten Abfindungssumme getroffen. Ursache zu dieser Betriebsmaßnahme war die Absicht der Gesellschaft, später den Betrieb mit Dampfkraft zu bewerkstelligen. Hermann Michaelis lässt hier grüßen.
Noch im Herbst wurde mit den Bauarbeiten begonnen und am 24. März 4 Uhr Nachmittags konnte man den ersten „Omnibus“ auf dem Gleis zwischen Schillerplatz und Königsstraße bewundern.
Am 23. April 1880 wurde die erste – noch eingleisige – Strecke vom Centralbahnhof, wie er damals noch hieß, durch die Carolinen- und Königstraße, über den Johannisplatz, durch die Poststraße bis zur Nikolaibrücke eröffnet. Die Wagenremise befand sich noch in der damaligen Carolinenstraße.
„Die zur Eröffnung derselben versammelten Gäste, mehr als 50 an der Zahl, befuhren die Strecke in vier mit den Fahnen Deutschland, Sachsens, der Stadt Chemnitz und Englands geschmückten Wagen, die von bunten mit Bändern aufgeputzten Pferden gezogen wurden. Die Fahrt hinwärts wie herwärts nahm 10 Minuten in Anspruch.“ so berichtete der Zschopauer Anzeiger am 24.04.
Bei dem sich anschließenden Festesten ging es fast wie bei dem Liebesmahl eines diplomatischen Korps zu: man sprach fast ausschließlich englisch und die Spitzen der deutschen und der englischen Industrie nahmen an ihm teil.
Heute amüsant klingen die ersten Zeilen aus der Polizeiverordnung zur Eröffnung:
„Aus Anlaß der bevorstehenden Eröffnung des Betriebes der Pferdeeisenbahn wird unter Vorbehalt der Bekanntmachung eines von den städtischen Collegien festzusetzenden Regulativs darauf hingewiesen, daß solchen Personen, welche durch Trunkenheit, durch abstoßende Krankheiten oder durch unreinliches Aeußeres die anderen Fahrgäste belästigen würden, die Mitfahrt zu verweigern und die Mitnahme von Hunden oder solchem Gepäck, welches durch Umfänglichkeit, üblen Geruch oder sonstige Beschaffenheit den Fahrgästen lästig oder gefährlich werden könnte, nicht gestattet ist….“
Das kurze Zeit später aufgestellte Regulativ der Stadt ordnete den Betrieb der Pferdebahn und das Verhalten der Conducteure (Kontrolleure) und Kutscher.
Bemerkenswert auch diese Zahlen: In den ersten 8 Tagen wurden 29.500, im ersten Monat über 105.000 Personen befördert, und das mit nur 8 Wagen in Betrieb, täglich also 3.500 Personen, was gewiß für eine Stadt mit 87.000 Einwohnern zur damaligen Zeit etwas heißen will.
Am 16. Mai 1880 erfolgte die Inbetriebnahme der Stecke „Schillerstraße-Wilhelmplatz“ und am 17. Juli 1880 der Strecke „Bahnhof-Theaterstraße-Nikolaibrücke“. Damit war der Stadtkern kreisförmig umschlossen.
Die Strecke von der Nicolaibrücke bis zur Flurgrenze zu Kappel (heutige Goethestraße) wurde ebenso verlängert und am 14. August 1880 in Betrieb genommen. Im Oktober waren auch die Wagenhalle und die Nebenanlagen im neuen Depot in Kappel an der Zwickauer Straße fertiggestellt. Gleichzeitig erwarb man nun eigene Pferde dänischer Rasse. Am 15. November 1880 wurde die letzte Teilstrecke von der Stadtgrenze bis zum Hauptdepot dem Betrieb übergeben. Der Vollbetrieb mit 19 Wagen und 55 Pferden auf einem Netz von ca.6 km Bahnlänge war damit hergestellt.
Man kannte noch keine Haltestellen, sondern hatte die Anweisung, auf jeden Winkenden zu warten. Das wäre nun freilich nichts mehr für uns, und schon damals mußte man bereits in den ersten Wochen einsehen, daß auch dem „Kundendienste“ gewisse Grenzen gezogen sind. Es wurden bald Stimmen laut, die sich über die entstehenden Verzögerungen beschwerten und die Einführung von offiziellen Haltestellen forderten. Für die Fahrt bezahlte man damals einen Groschen. Was an der Pferdebahn bemägelt wurde, waren allein „diese streichholzschachtelmäßigen winzigen Wägelchen“, in die schon damals „Vollschlanke“ einige Mühe hatten, einzusteigen.
Infolge zu geringen Ertrags gingen die Anlagen am 14. April 1882 an die damalige „Deutsche Lokal- und Straßenbahn-Gesellschaft“ mit Sitz in Dortmund über, die den Betrieb bis 1892 auf 7,2 km Bahnlänge mit 35 Wagen und 59 Pferden erweiterte. Diese Gesellschaft verband sich 1890 mit der „Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft“, um den elektrischen Betrieb einzuführen, womit 1892 hier in Chemnitz der Anfang gemacht wurde. Gleichzeitig wurde das ganze Netz zweigleisig ausgebaut, so daß am 19. Dezember 1893 teilweise der elektrische Betrieb erstmalig aufgenommen werden konnte.
Lest dazu die Fortsetzung zur Geschichte…
Dieser Bericht soll nur als Ergänzung der Chemnitzer Straßenbahngeschichte beitragen. Ausführlich wurde schon darüber publiziert, die Bücher von Heiner Matthes dürften bekannt sein.
Online findet man ergänzende Dokumentationen zur Geschichte z. Bsp. unter www.wikiwand.com/de/Straßenbahn_Chemnitz oder im Forum von www.drehscheibe-online.de
Empfehlenswert natürlich auch ein Besuch des Straßenbahnmuseums Chemnitz auf der Zwickauer Straße.
(Quellen: Verwaltungsberichte und Adressbücher der Stadt Chemnitz, Buch Deutschlands Städtebau – Chemnitz, Dari-Verlag, 1929; Ausschnitte div. Tageszeitungen zu finden unter SLUB-Dresden.de; Bildband „Historische Fotografie in Chemnitz“ herausgegeben vom Stadtarchiv 1988, Buch Straßenbahnen in Karl-Marx-Stadt, 2.Auflage 1988, Heiner Matthes u.a.)