Fortsetzung des 1. Berichtes zum Sachsen-Rundflug 1911
Am Montag, den 22. Mai 1911, sollten die Chemnitzer Flugtage ihren Fortgang nehmen. Zwar war der Andrang am Exerzierplatz nicht minder stark, auch brachten die Straßenbahnzüge zahlreiche Zuschauer heraus, aber der heftige, böige Wind machte ein Starten unmöglich. Nachdem um 17.00 Uhr das Komitee zu einer Beratung zusammenkam, beschloß man, den großen Rundflug um Chemnitz, für den 16.000 Mark an Preisen zur Verfügung standen, abzusagen. Ebenso den geplanten Aufklärungs- und Wurfpreis. Es sollten jedoch, wenn das Wetter es zulässt, kleine Wettbewerbe stattfinden.
Ein Wettbewerb um den kürzesten Anlauf fand als Erstes am Abend statt. Kahnt, der mittlerweile mit seinem Flugzeug zurückgekehrt war, und dafür vom Publikum auf Grund der Wetterverhältnisse gefeiert wurde, siegte mit 29 m vor Leutnant v.Mossner (32 m), Röver (51 m), Dr. Wittenstein (55 m) und Grade, dem es nicht gelang, abzuheben.
Gegen 8 Uhr wurde dann noch einmal der Eröffnungspreis ausgetragen. Hierzu hatten sich 5 Flieger gemeldet. Bedingung war, dass die ausgewiesene Flugbahn zweimal umrundet wurde. Preise: 600, 400, 250 und 100 M. Resultate: 1.Leutnant Jahnow, 2. Büchner, 3. Dr. Wittenstein, 4. Kahnt.
Auch am Dienstag, dem 23.Mai 1911, machte sich die Frage breit: Wird geflogen, wird nicht geflogen?
Die Flieger hatten sich am Abend vorher telegraphisch an die leitenden Persönlichkeiten gewandt, der Fernflug nach Dresden möchte um einen Tag verschoben werden, damit die lokalen Preise in Chemnitz zunächst ausgeflogen werden könnten. Diesem Ersuchen wurde jedoch nicht entsprochen.
Am Mittag bereits beschloß das Organisationskomitee, den Rundflug in Chemnitz aufzugeben und am Ende der Sachsenwoche abzuhalten, wenn es das Wetter zuließe. Nachdem man mit den Fliegern verhandelte und die Windverhältnisse prüfte, entschloß man sich, die am Vortag abgebrochenen Wettbewerbe fortzusetzen und dann den Flug nach Dresden anzutreten.
„Obwohl es frühzeitig zu regnen angefangen hatte und der Himmel mit einer dichten bleigrauen Wolkenschicht überzogen war, schien der Tag doch den Flugkünstlern günstiger zu sein als der gestrige. Schon zeitig wurden die Apparate aus den Zelten gezogen und bald stimmten die Propeller ihr lustiges, wenn auch eintöniges Surrlied an. Die Zuschauertribünen freilich waren diesmal nicht sehr stark besetzt.“ so die Dresdner Neuesten Nachrichten in ihrem Bericht vom Flugtag.
Zunächst wurde der Aufklärungspreis ausgetragen. Die Flugübung hat folgende Idee zugrunde: In einer Entfernung von höchstens 10-15 km vom Start wurde eine feindliche Stellung, durch Flaggen gekennzeichnet, angenommen. Der Preis war demjenigen Flieger zugedacht, der in kürzester Zeit die beste Meldung über die Anzahl der verschiedenen Flaggen und den Aufstellungsort brachte. Jeder Flieger hatte gleich nach Eintreffen innerhalb von 5 Minuten eine Meldung über seine Erkundung zu schreiben. (Daran erkennt man die militärische Bedeutung der noch jungen Fliegerei.) Es starteten Jahnow, Lindpaintner, v. Moßner, Grade und Laitsch. 3.000 Mark erhielt Hans Grade als Sieger, der in 23,5 Minuten deutlich vor Laitsch und Lindpaintner triumphierte. Der Wurfpreis wurde ebenso wie der Passagierpreis nicht ausgetragen.
Am Abend erfolgte der Start zur 1.Etappe – Chemnitz-Oederan-Freiberg-Dresden – des großen Rundfluges durch Sachsen. 9 Flieger hatten sich dazu gemeldet. Otto Lindpaintner stieg als erster gegen 17:15 Uhr mit seinem Doppeldecker, begleitet von Lt. Korrmann, auf 17:40 Uhr erhob sich Felix Laitsch, begleitet von Oberleutnant Eyssen, mit seinem Albatros-Doppeldecker in die Lüfte. Mit einem größeren Abstand folgte v.Moßner (Wright-Apparat) mit Frl. Melli Beese, damals noch Flugschülerin, als Begleiterin. Jahnow hatte sich seinen Apparaten bei Probeflügen beschädigt und musste verzichten. Auch die übrigen Flieger beschlossen, trotz der bereits eingetretenen Dunkelheit zu starten. Sie nahmen sich eine Zwischenlandung vor, um am Mittwoch früh den Weiterflug nach Dresden anzutreten, mußten aber dafür Strafpunkte in Kauf nehmen. In der Zeit von 19:30-20:30 Uhr starteten Büchner, Kahnt, Grade, Dr.Wittenstein und E.Schmidt. Kahnt und Grade kamen nach kurzer Zeit wieder zurück. Starker Nebel erschwerte die Orientierung. Büchner mußte eine Zwischenlandung bei Meißen vornehmen.
Die Ankunft in Dresden.
Felix Laitsch landete nach 61 Minuten Flugzeit als erster auf der Vogelwiese nahe der Loschwitzer Elbbrücke. Im Nu war die Zuschauermenge auf viele Tausend angewachsen und konnte nur mit Mühe vom Betreten des Flugplatzes abgehalten werden. Lindpaintner traf um 19:27 Uhr auf der Elbwiese ein, er hatte sich bei Cotta, dicht vor den Toren verirrt und war nach Meißen geflogen, wo er eine Zwischenlandung vornahm. Von dort flog er weiter bis Dresden.
Am 24.Mai früh startete Büchner vom Meißen und traf bereits 6:05 Uhr in Dresden ein. Grade startete 12:08 Uhr in Chemnitz, Kahnt folgte ihm 3 Minuten später, mußte aber in Tharandt wegen starken Windes niedergehen. Grade verirrte sich, war in Dippoldiswalde zwischengelandet und traf erst Abends gegen 17:30 Uhr in der sächsischen Landeshauptstadt ein.
In Dresden begrüßten die Veranstalter an diesem Tag bei herrlichstem Wetter auch den König und die 3 Prinzen auf dem Flugplatz. Die Wettbewerbe wurden am nächsten Tag unter ebenfalls großer Zuschauerbeteiligung fortgesetzt, ehe die Flieger die nächste Etappe nach Leipzig in Angriff nahmen. Die Fortsetzung lesen sie im 3. Teil meiner Schilderung zur Flugwoche.
Quellen: Deutsche Luftfahrt Nr.11/1911, Ausgaben der Dresdner Neueste Nachrichten vom 20.-30.Mai 1911 zu finden auf SLUB-Dresden.de)