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Sachsen-Flugwoche 1911 – Teil 1

    Annonce aus dem Burhardtsdorfer Anzeiger 1911

    Als einen weiteren Höhepunkt in der Chemnitzer Luftfahrtgeschichte kann man die Sachsen-Flugwoche 1911 bezeichnen. Sie wurde vom Königlich Sächsischen Verein für Luftschifffahrt gemeinsam mit den anderen sächsischen Vereinen für Luftfahrt organisiert.

    Den überaus schnellen Aufschwung des Flugwesens hatte Deutschland verschlafen, Frankreich, England und die Vereinigten Staaten hatten sich einen technischen Vorsprung geschaffen, dort waren die schon längeren Überlandflüge ein Zeichen der Vervollkommnung der eigenen entwickelten Flugapparate. Militärisch gesehen hatten dieser Länder auch schon die Vorherrschaft auf See. Mit der Förderung der Luftfahrt, damals als „Aviatik“ bezeichnet, wollte Deutschland erreichen, eine neue starke Waffe im europäischen Konkurrenzkampf zu besitzen. Man erkannte frühzeitig die Auswirkung einer Vormachtstellung in der Luft. Flugtage in vielen deutschen Städten sollten zur patriotischen Anteilnahme bei der Förderung des Flugwesens beitragen. Mit hohen Preisgeldern und Aussicht zu weiteren Aufträgen wurden Piloten und Firmen gelockt, ihre Flugzeuge vorzuführen.

     

    Mit stetig gesteigerten Anforderungen sollten die Flugzeugführer und Flugzeugfabrikation vor größere Aufgaben gestellt werden, um diese technischen Nachteile aufzuholen.

    Gleichzeitig mit der Flugwoche hatten die beteiligten großen Städte eigene Flugtage und ein Rahmenprogramm vorbereitet. Um keine Stadt zu übervorteilen, wurde im Vorfeld festgelegt, daß diejenige Stadt, die bis zum 15.Februar 1911 die meisten Geldmittel aufbringt, Ausgangs- und Endpunkt der Veranstaltung sein sollte.

    „Die Zeichnungen für den Garantiefond sind am 6. März abgeschlossen worden. Es haben gezeichnet: Chemnitz 106.359 Mark, Leipzig 28.000 Mark und Dresden 65.000 Mark“ meldete die Zeitung Flugsport. Chemnitz hatte die Nase vorn.

    18 „Aviatiker“ hatten sich zur Abnahme der Flugapparate am 20.05. 1911 in Chemnitz eingefunden. Darunter die besten deutschen Flieger wie Otto Lindpaintner (München) mit einem Farman-Doppeldecker, Hans Grade (Bork) mit einem Grade-Apparat, Eugen Wiencziers mit einem Morane-Eindecker. Aber auch der erprobte Chemnitzer Pilot Felix Laitsch ging mit einem Albatros-Doppeldecker an den Start. Zur Teilnahme berechtigt waren nur Flieger deutscher Staatsangehörigkeit, die nachweislich mindestens eine Stunde ohne Unterbrechung geflogen waren.
    Auf dem Garnisonsexerzierplatz an der Clausstraße – zwischen dem einstigen Restaurant „Zur schönen Aussicht“ und der Zschopauer Straße – sollten zuerst Flugvorführungen stattfinden, ehe der Weiterflug Richtung Dresden geplant war.

    Der 1.Tag in Chemnitz. Die Freunde des Flugsports und die vorbereitenden Herren der Sachsenwoche machten an diesem Sonnabend besorgte Mienen. In gleichmäßigen Strichen sandte der Himmel unaufhörlich einen feinen Regen zur Erde, man glaubte bereits, die ganze Veranstaltung würde verregnen.
    Gegen Abend ließ der Regen nach und es trat zugleich Windstille ein. Im Nu nahm der Flugplatz ein anderes Bild an. Die Fliegerschuppen wurden geöffnet, die Motoren knatterten und die Propeller surrten, die Flieger probierten ihre Motoren. Nacheinander brachten die Piloten ihre Maschinen aus den Unterständen und starteten die ersten Probeflüge, zum Genuß der zahlreichen Zuschauer. Die gute Stimmung war längst wiederhergestellt und hoffnungsfreudig sah man dem nächsten Tage entgegen.

    Am Abend fand im Kaufmännischen Vereinshaus ein Bankett zu Ehren der Flieger statt, an der zahlreiche Mitglieder des Chemnitzer Vereins für Luftfahrt, die Spitzen der Behörden und Ehrengäste, sowie u. a. die Flieger Wiencziers, Lindpaintner, Laitsch, Hofmann, Jahnow, Kahnt, Dr. Wittenstein und Flugzeugkonstrukteur Harlan-Berlin teilnahmen. Generalleutnant Exzellenz v. Laffert hielt eine Ansprache über die Entwicklung des Flugwesens, Oberbürgermeister Dr. Sturm, Herr Kommerzienrat Konsul Otto Weissenberger, der Vorsitzende des Chemnitzer Vereins für Luftfahrt, begrüßten die Gäste und brachten einen Toast auf gutes Gelingen und auf die gekommenen Gäste aus. Das Festmahl nahm in prächtiger Stimmung einen anregenden Verlauf.

    Für Sonntag, den ersten offiziellen Chemnitzer Flugtag (21. Mai), war ein reichhaltiges Programm aufgestellt und mit Spannung sahen die sportfreudigen und opferwilligen Chemnitzer den flugsportlichen Darbietungen entgegen. Der Regen hatte nachgelassen, doch böiger Wind machte sich in unangenehmer Weise bemerkbar. Die Schaulustigen konnten hier erfahren, was Hoffen und Harren heißt.

     Tausende umstanden im weiten Umkreis das sehr günstig gelegene Flugfeld. Aber auch die turmgekrönten Höhen des Adels- und Beutenberges, die Abhänge und Straßen der Umgebung waren von Menschen belebt — in langen schwarzen Kolonnen reihten sich Mann an Mann, es waren die Zaungäste, die sich den seltenen Genuss des „himmlischen“ Schauspiels so billig verschafften. Den fast 20.000 geduldig auf dem Exerzierplatz Wartenden war Gelegenheit geboten, sich die Zeit zu verkürzen. Man konnte die Piloten im Flugzeug-Schuppen treffen und deren Flugapparate bestaunen.
    Gegen 3 Uhr nachmittags ließ der Wind etwas nach und die Flieger erschienen mit ihren Apparaten am Start zum – mit 600 Mark für den Sieger dotierten – Eröffnungspreis. 2 Runden a 2,5 km mussten geflogen werden. Oswald Kahnt, der Inhaber der Leipziger Fliegerschule, war der Erste, der das Startband überflog, ihm folgte sein Lehrmeister Grade. Die beiden Flieger umkreisten die Flugbahn und landeten dann glatt. Ein Bravo, das wohl zugleich die anderen Flieger aufmuntern sollte, ertönte. Nun schien der Bann gebrochen. Wiencziers erschien mit einem Morane-Eindecker auf dem Plane. Der noch nicht erprobte Apparat erwies sich aber nicht flugfähig und der sonst sieggekrönte Flieger musste sich ohne Lorbeeren vom Flugfelde zurückziehen, Leutnant v. Mossner, Leutnant Jahnow, Röver, Lindpaintner, Büchner, Dr. Wittenstein und Erich Schmidt stellten sich bald dem Starter. Der Harlanflieger Jahnow sicherte sich den ersten Preis, während der zweite Preis an Lindpaintner und der dritte an Büchner fiel.

    Felix Laitsch studierte und wirkte in Chemnitz
    Felix Laitsch studierte und wirkte in Chemnitz

    Anschließend starteten 8 Piloten zu einem kleinen Überlandflug über ca. 20 km, zum Adelsbergturm, nach dem Turm auf dem Beutenberg und wieder zurück zum Startpunkt. Lindpaintner mit dem bekannten Chemnitzer Automobil-Herrenfahrer Direktor Willy Pöge als Passagier, Kahnt, v. Mossner, Jahnow, Röver, Büchner, Laitsch und Hofmann. Nicht weniger als sechs Flugzeuge befanden sich dabei zu gleicher Zeit in der Luft. Die Herren v. Mossner und Büchner mussten eine Zwischenlandung vornehmen. Die Resultate : Lindpaintner sicherte sich die 1500 Mark Siegprämie, 2. wurde F.Hofmann, 3. Laitsch, 4. Kahnt, 5.Jahnow, 6.Röver.

    Um den vom Limbacher Verein für Luftschiffahrt gestifteten großen Überlandflugpreis, den Preis von Limbach (30 km), starteten anschließend nur 3 Flieger. Die Flieger mussten nach Limbach fliegen, dort einen Fesselballon umrunden, dann zum Maria-Josepha-Turm in Grüna vorbei zum Flugplatze zurückfliegen. Lindpaintner legte diesen Flug glatt zurück (3000 Mark Siegprämie), Laitsch mußte bei Grüna eine Zwischenlandung vornehmen, Kahnt mußte wegen Motordefekts bei Meinsdorf aufgeben. Schließlich fand am Abend noch ein Höhenpreis statt, den wieder Lindpaintner (2000 Mark) mit 650m gewann. Zweiter wurde Röver mit 270m, Dritter Grade mit 170m.

    Wie die nächsten Tage verliefen, berichte ich einem weiteren Artikel zur Sachsen-Flugwoche 1911.

    (Quellen: Deutsche Luftfahrt Nr.11/1911, Bericht in VS-Aktuell 03/2001; Adelsberger Mai/Juni 2011, u.a.)