Die Frage, wann denn wohl überhaupt zum allerersten Mal in unserer Heimatstadt ein richtiges Fußballspiel ausgetragen wurde, möchte ich mit diesem Artikel beantworten.
Es ist heute genau 125 Jahre her, als sich am 31. Oktober 1896 auf dem Spielplatz am Küchwald fußballbegeisterte Pennäler der Realschulen von Chemnitz und Mittweida trafen, um das erste Mal den Kampf mit dem braunen Lederball auszutragen.
Der städtische Spielplatz am Küchwald diente seit 1890 für die Körperertüchtigung der Chemnitzer Schuljugend. Über dessen Geschichte habe ich im Artikel „Der Küchwald mit seinem Festplatz“ ausführlich berichtet.
Der langjährige Vorsitzende und Ehrenvorsitzende des Chemnitzer Ballspiel-Clubs (C.B.C.), Curt Ulbricht, erinnerte in einem Artikel „Heute vor 40 Jahren“ im Chemnitzer Tageblatt am 31. Oktober 1936 an das erste Spiel.
An diesem wirkte er selbst mit und schilderte die schwierige Anfangszeit. Die strengen Direktoren und Kollegien der Schulen mußten erst zur gütigen Erlaubnis bewegt werden, galt doch das Spiel mit dem runden Leder als böse „Fußlümmelei“.
Rasch den Turnanzug und die Turnschuhe eingepackt und dann hinaus auf den großen Festplatz am Küchwald. Zwei Teppichklopfstangen, die prall aufgeblasene „Kuller“ und zweimal elf Fußballbegeisterte, mehr brauchte es nicht. Die Chemnitzer schlugen sich recht wacker: Nur knapp mit einem Tor Unterschied (2:1) blieben die durch Studenten aus dem Technikum verstärkten Mittweidaer siegreich.
Das frische Drauf und Dran des Kampfes um den Lederball zündete in den Pennälerherzen; Vereinsgründungen wurden geplant, ja versucht. Dagegen aber äußerten nur allzubald die hochwohllöblichen Kollegien starke Bedenken, die Ideen scheiterten vorerst. Der Fußball freilich flog und rollte weiter, und diejenigen ließen am allerwenigsten von ihm ab, die eine „Strafe“ um seiner willen im Karzer der Schule abbrummen mußten.
Welch ein Hochbetrieb herrschte doch Abend für Abend auf dieser Wiese, wieviel Schuhe und Hosen wurden dort zu der Eltern „Freude“ unbrauchbar gemacht und gar manche Wäschestütze, die aus Mutters Keller von der Jugend requiriert ward, um als Torstange zu dienen, mußte ihr Leben aushauchen.
Doch ein frischer Mut und die Begeisterung ließen die Unentwegten nicht von Ihrem Vorhaben abbringen. Es vergingen noch 3 Jahre, ehe schließlich am 1. Dezember 1899 von Mittweidaer und Chemnitzer Studenten der 1. Chemnitzer Fußballklub, der „Sport-Club Britannia“ Chemnitz – Vorläufer des C.B.C. gegründet wurde.
Federführend dabei Herr Udo Alfred Steinberg aus Mittweida, der den Verein auch am 28. Januar 1900 in Leipzig bei der „3. Wahlversammlung der Deutschen Sport-Behörde für Athletik“ und gleichzeitig „10. deutschen Fußballtag“ vertrat.
An diesem Tag wurde nach ausgedehnten Debatten die Gründung eines großen deutschen Fußballspielerbundes beschlossen. Fast alle größeren Ballspielverbände und -vereine Deutschlands waren hier vertreten, Einigung wurde über die Zusammenfassung aller Verbände erzielt, die sich der tatkräftigen Pflege der Rasenspiele, deren Ausbreitung und Förderung zur Aufgabe gemacht hatten.
Eine elfköpfige Kommission wurde gebildet, die die Organisation in die Wege leiten sollte und allgemeine deutsche Fußballregeln festsetzte, englische Kunstausdrücke soweit als möglich durch deutsche ersetzen sollte und die Vorbereitung für eine Schiedsrichterordnung übernehmen sollte.
Diese Veranstaltung gilt als der Gründungstag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).
Doch noch einmal zurück und den Anfängen im Chemnitzer Fußball.
Schon bald wird der Spielbetrieb des neu gegründeten Vereins aufgenommen, im Frühjahr 1900 wird von den ersten Fußballspielen berichtet. Der „Sport-Club Britannia“ spielte im März gegen die 2.Mannschaft des „Mittweidaer Ballspiel-Clubs“ und mußte eine deftige 1:11 Niederlage hinnehmen. Doch durch energisches Training und durch Eintritt alter und routinierter Spieler, die man vom „Leipziger B.C.“ gewann, wurde am 20. Mai mit dem 0:6 gegen die 1.Mannschaft des „Mittweidaer Ballspiel-Clubs“ vor sehr zahlreichem Publikum in Chemnitz ein besseres Resultat erzielt. Und schon wenige Tage später, am Himmelfahrtstag gab es mit einem 3:0 gegen den „Mittweidaer Fußballklub Germania“ den ersten Sieg. „Der Erfolg ist allein in dem Zusammenspiel der Mannschaft zu suchen, auf dessen Ausbildung die Gründer des Clubs von Anfang an das Hauptgewicht gelegt hatten.“ So das „Prager Abendblatt“ am 26. Mai 1900.
Erst im Juni 1900 muß die Umbenennung, nicht wie auf Wikipedia geschrieben im April, zum „Chemnitzer Ballspiel-Club“ erfolgt sein. Das „Prager Tageblatt“ kündigt am 26. Juni 1900 erstmals unter dem neuen Namen ein Spiel gegen den Mittweidaer BC an. Am 4. Juli finden wir dann den Hinweis im Leipziger Tageblatt: „…Udo Steinberg brillirte vielmals das Fußball-Wettspiel des „Mittweidaer Ballspiel-Clubs“ mit dem „Chemnitzer B.-C.“, es schloß mit dem unerwarteten Resultate von 3:1 für Chemnitz, gespielt wurde in 7er Mannschaften…“
Damit ist auch der Nachweis für den 1. Einsatz des C.B.C. gefunden.
Behörden und Privatpersonen hatten zunächst noch wenig Sympathie für den aufstrebenden Fußballsport. Die Vereine waren sich selbst überlassen. Bekannt war zu jener Zeit auch der unorganisierte, wilde Spielbetrieb auf der Kappler Ulmenwiese am Fuße des Kassberges, ein Tummelplatz vieler ambitionierter Fußballer, und solcher die es werden wollten. Gar zu oft gingen aber dort die Meinungen weit auseinander und wurden nach „Schmeling-Art“ ausgetauscht.
Beflügelt von der Anziehungswirkung der ersten Spiele und der Begeisterung gründen sich bald weitere Vereine in Chemnitz:
- am 1. August 1900 der „Chemnitzer Sport-Club“ (später „S.C. National“)
- am 1. August 1900 der Fußballklub „Chemnitzia“
- 1901 der Chemnitzer Sportclub „Reunion“ (ab 1914 „FC Hohenzollern“, ab 1919 „V.f.B.“)
- am 1. November 1901 der Fußballklub „Teutonia“ zu Chemnitz-Altendorf
- 1902 FC „Sachsen“
- 1902 FC „Vorwärts“ (1905 „Sportfreunde“)
- im Juli 1902 der Fußballklub „Hohenzollern“ (bis 1906)
- 1903 der Sportclub „Wettin“
- am 17. Januar 1904 der Chemnitzer Fußballclub „Sturm“
- am 3. April 1904 noch einmal ein FC „Britannia“.
Einige Vereine hatten nur von kurzer Dauer Bestand – wie der FC „Sachsen“ und der SC „Wettin“. Andere wurden gegründet und vereinigten sich rasch mit etablierten Vereinen, oder wurden Jahre später noch einmal neu gegründet, wie der FC „Bavaria“.
Ein nicht unerhebliches Problem war die Platzfrage. Die Großstadt Chemnitz hatte zu jener Zeit nur einen einzigen Spielplatz, eben den am Küchwald, auf dem ein Teil der Vereine trainierte und spielte. Für die vielen Vereine mußten neue Möglichkeiten geschaffen werden, um den Spielbetrieb aufzunehmen. So wurde neben der Ulmenwiese, auf der nun mittwochs und freitags trainiert wurde, auf dem Garnisonsexerzierplatz an der Zschopauer Straße gespielt oder auf der alten Reitbahn an der Beckerstraße dem Leder nachgejagt.
Erste eigene Spielplätze besaßen ab 1904 der FC „Teutonia“ auf der Roonstraße (heutige Horst-Menzel-Straße) und der C.B.C. in Chemnitz-Furth, die heutige „Fortuna“-Anlage.
Mit dem Bau des Städtischen Sportplatzes 1905 an der Leipziger Straße (heutiger Abzweig Wittgensdorfer Straße/Parkplatz Eisstadion konnte die Situation weiter entspannt werden. Dort fand der SC „Reunion“ seine erste feste Spielstätte. Und auch in Altchemnitz neben „Reichels Neuer Welt“ entstand 1905 ein neuer Platz, Heimat des „Chemnitzer Sport-Club“.
In den Aufzeichnungen zur Chemnitzer Fußballgeschichte bis zum 1.Weltkrieg gibt es noch viele Lücken. Wenig Material steht zur Verfügung, um zu den Anfängen des beliebten Sports zu recherchieren. Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen einiges richtig stellen und Ihnen einen kurzen Einblick in die Geburtsstunden des Chemnitzer Fußballs geben.
Die nachfolgende Galerie zeigt eine Auswahl Vereinsembleme alter Chemnitzer Mannschaften.
(Quellen: Artikel im Chemnitzer Tageblatt vom 31.10.1936, diverse Zeitungsausschnitte zu finden in der Österreichischen Nationalbibliothek und in der Sächsischen Landesuniversitätsbibliothek, Chronik 30 Jahre SV Sturm Chemnitz; Adressbücher von Chemnitz; Sammelbilder aus dem Album „Kurmark-Vereinswappen“, Dank an Frank Neubert; u.a.)