Seit uralten Zeiten führen durch unsere Stadt zwei wichtige Verkehrswege: Die sogenannte Reichs- und die Kaiserstraße. Die Zwickauer- und die Dresdner Straße, die Zschopauer und die Leipziger Straße sind heute die Wege, die uns die Richtung jener alten Pfade andeuten. Wann sie entstanden, vermag niemand zu sagen. Vielleicht waren ihre Anfänge schon da, als noch nicht einmal die ersten Hütten gebaut waren, aus denen sich Chemnitz entwickelte. Bereits im Jahre 1449 waren die Straßen an den Seiten mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt oder durch Gräben begrenzt. Und doch kam es oft vor, dass die Wagenlenker ihre Wagen einfach ins Feld führten, weil auf den aufgeweichten Straßen bei Regenwetter ein Fahren oft unmöglich wurde. An eine Befestigung der Fahrwege nach heutiger Art dachte damals noch niemand.
Vor den Toren der Stadt Chemnitz erschienen 1445 schwere Nürnbergische Wagen, die Zinn, Kupfer und Stahl brachten. Andere Gefährte schleppten von Halle Salz heran, da der Stadt im Jahre 1393 der Salzhandel als Vorrecht verliehen worden war. Leinwand und Tuch dagegen beförderten Gespanne nach Böhmen oder nach Frankfurt.
Hatten Kaufleute oder Privatpersonen eine Nachricht, Waren oder sogar eine Geldsumme zu befördern, mußte man eine Gelegenheit abpassen, reisenden Kaufleuten und wandernden Handwerkern gegen einen Obolus die Sendungen mitzugeben. In dieser Zeit gewährten aber auch im Lande herumziehende Mönche, Lautenspieler, hausierende Juden (sogenannte Betteljuden) den Leuten, welche nicht eigene Boten bezahlen konnten, die einzige Gelegenheit zur Beförderung von Briefen.
„Neben anderer Untreu, so oftermals bei den Boten gespüret wird, daß sie die Brieffe auffbrechen, die Siegel verfälschen, Kleinigkeiten verraten, sind die auch merklich darauf abgerichtet, daß sie Päck‘ und Geld aufmachen, Verspielen, Versaufen u.s.w.“
Diesen Übelständen suchten die Handwerkergilden, Klöster und neugegründeten Universitäten durch Errichtung eigener Botenanstalten abzuhelfen, aber diese Einrichtungen genügten auf Dauer nicht.
Besondere Bedeutung erlangten die sogenannten Metzgerposten. Nicht selten schlossen Stadtverwaltungen im Mittelalter mit den Metzgerzünften Verträge wegen regelmäßiger Beförderung ihrer Briefschaften ab. Die Metzger, welche zwecks Ein- und Verkaufs von Vieh im Lande umherzogen, besorgten bei dieser Gelegenheit die Mitnahme von Briefen. Mit den Metzgerposten dürfte wahrscheinlich auch der Ursprung des Posthorns zusammenhängen. Die reisenden Metzger pflegten nämlich ihre Ankunft den Orten, die sie berührten, durch Blasen auf einem Horn anzukündigen, wohl weniger ihrer Brieftaschen wegen, als um Angebote auf Schlachtvieh entgegenzunehmen.
Zum Verkehr von Frachtwagen, Reitern und bewaffneten Knechten gesellte sich dann im 16. Jahrhundert ein anderer. Vielerorts wurde der bezahlte Botenverkehr eingeführt. Damals besaßen viele Sächsische Städte eigene Boten. Diese waren nicht fest angestellt und erhielten jeden einzelnen Botengang bezahlt. Nach und nach hatten sich neben der Briefbeförderung durch Einzelauftrag feste Touren herausgebildet, die regelmäßig von einem Boten begangen wurden. Wenn er auf diese Weise nun mehrere Schreiben gleichzeitig mitnahm, blieb doch das grundsätzliche Kennzeichen erhalten, daß der Bote direkt vom Absender zum Empfänger beförderte. Während im Postwesen von Anfang an das Prinzip weitestgehender Arbeitsteilung herrschte. In Ratsrechnungen z. Bsp. von Stollberg sind Ausgaben für solche Dienste nach Chemnitz ab 1610 detailliert verzeichnet. War der Bote bereits unterwegs oder viel wegen Krankheit aus, blieben natürlich die Nachrichten liegen, verspäteter Erhalt oder gar Verlust der Sendungen führten oftmals zu Streitigkeiten und Unmut.
Unter allmählicher Ablehnung des Kaiserlichen Postregals von Thurn und Taxis, (welches bereits 1516 von Kaiser Maximilian I. verliehen worden war, aber die Gefahr einer einseitigen Monopolisierung des gesamten Verkehres von Deutschland in sich schloss) erfolgte 1615 die Ausrufung des kursächsischen Postregals und damit die Gründung der sächsischen Staatspost. Dem ersten Postbericht von 1616 nach, der in dem Buch „Die Geschichte des sächsischen Postwesens“ abgedruckt ist, gab es von Leipzig wöchentliche Boten über Penig, Chemnitz, Zschopau, Marienberg und Komotau nach Prag. Die gesamte Strecke wurde dabei in vier Tagen zurückgelegt, wobei Chemnitz nach 1½ Tagen, Zschopau bzw. Marienberg nach 2 Tagen erreicht wurden.
Diese auch ab 1619 in den Chemnitzer Annalen genannten kursächsische Postreiter trugen außer ihrer Brieftasche als Ausweis und zum Schutze ihrer Person eine Botenbüchse auf der linken Brustseite. In dieser Büchse befand sich der kurfürstliche Siegelabdruck. Gemäß den wettinischen Landesfarben trugen sie einen blauen Rock und gelbe Hosen als Livree.
Am 30. April 1661 erschien für Sachsen durch den Kurfürsten Johann Georg II. die erste landesherrliche Verordnung über das Postwesen. Eine kurfürstlich sächsische Post (Oberpostamt) für Brief- und Personenbeförderung mit dem Verwaltungssitz in Leipzig wurde errichtet.
Die ersten Spuren einer Postanstalt für Chemnitz finden wir in den Ratsakten aus dem Jahre 1666. Als 1. Postmeister ist Jakob Herrmann erwähnt. Ihm folgte 1669 sein Sohn Michael Herrmann als Postverwalter.
Die ersten regelmäßigen betriebenen Postlinien mit der Kutsche als Zweispänner in Kursachsen wurden vom Oberpostamt in Leipzig geschaffen. Zu ihnen rechnete man auch eine Postlinie von Dresden, Freiberg über Chemnitz und Lungwitz nach Zwickau, auf der eine „fahrende Post“ vom 23. Juli 1693 an einmal wöchentlich verkehrte. Am 13. Juni 1696 verkündete ein Dekret des Kurfürstlich-Sächsischen Oberpostamt zu Leipzig die Einrichtung einer „wöchentlich zweimal gehend geschwind fahrenden Post“ von Leipzig über Chemnitz nach Annaberg, 7 Tage später verkehrte sie erstmals auf dieser Strecke. Natürlich erregte auch diese Neuerung die Furcht, daß durch dieselbe eine ältere Einrichtung überflüssig werde. Am 22. Juni 1696 reichten der Rat und die Bürgerschaft von Chemnitz beim kurfürstlichen Postmeister Johann Käs (Kees) zu Leipzig eine Petition ein, „daß es aus Geschäftsrücksichten ihrem ‚geschworen Boten‘, Michael Franke, auch fernerhin gestattet sei möchte, neben der neuen Post wöchentlich mit der Kutsche als Landkutscher unter oder zwischen den Posttagen nach Leipzig fahren oder bei üblem Weg und schlechtem Wetter reiten zu dürfen.“
Welche Bedeutung diese regelmäßigen Postlinien trugen, lässt sich auch an der bereits 1671 errichteten Klaffenbacher Bergschenke nachvollziehen. Sie lag isoliert vom Ort auf der Anhöhe am Ende des Harthauer Berges. Wohlwissentlich, daß die Pferde der Kutschen und Reiter nach dem Anstieg eine wohlverdiente Pause benötigten, versuchte die noch junge Gutsherrschaft Neukirchen mit dem zunehmenden Fernverkehr an dieser Stelle durch die Bewirtung, die Futterbereitstellung und den Pferdetausch Einnahmen zu erzielen. Viele ländliche Fuhrmannsgasthöfe blicken auf eine ähnliche Geschichte zurück.
Größere Ausdehnung erfuhr die sächsische Post in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Schon zu beginn desselben erstreckten sich die fahrenden Posten über einen großen Teil des Landes. Die Städte mussten entsprechend Postpferde bereithalten, der 1706 in Chemnitz bestellte Postverwalter Christian Kruschwitz besaß derer schon 24. Die Unterbringung, Pflege, der Futterkauf etc. erforderte für diese Anzahl von Pferden enorme Anstrengungen und Geldmittel. Postmeister Kruschwitz hatte bereits ein Gesuch um Trennung der Posthalterei von der Post-Expedition eingereicht, „da bei veränderten Umständen, und da der Geschäftskreis des Postamtes allhier, sich sehr erweitert und vervielfältigt hatte“. Dieses wurde aber vorerst abgelehnt.
Die Einkünfte des Postwesens waren damals an einzelne Unternehmer verpachtet, erst 1712 übernahm der Staat die unmittelbare Verwaltung des Postwesens. Das Oberpostamt Leipzig blieb weiterhin die vorgesetzte Behörde für die sächsischen Postanstalten.
Fortsetzung im Beitrag „Da geht die Post ab“.
(Quellen: Artikel in der Festzeitung 1929 – 30 Jahre Philatelieverein Chemnitz; Buch „Chemnitz und Umgebung Geschichtliche Bilder aus alter und neuer Zeit“ von E. Weinhold; Buch „Geschichte der Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz“ – 1888 von C.W. Zöllner; unveröffentlichtes Manuskript zur Postgeschichte von Stollberg von Fr. H. Hoffmann, Aufsatz zur sächsischen Postgeschichte im „Sächsischen Erzähler“ 1899; Ausschnitte zur Postgeschichte in versch. Tageszeitungen, zu finden unter SLUB-Dresden.de, u.a.)
Zürners Postkarte ist unter diesem Link abrufbar: https://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90062665/df_dk_0009572