Über 90 Jahre ist es nun her, das dieses Industriedenkmal seinen Betrieb aufnahm. Einiges hat man dazu schon gelesen, vielleicht schon dem darin befindlichen „Museum für sächsische Fahrzeuge“ einen Besuch abgestattet. Übrigens immer empfehlenswert, fühlt man dort noch ein wenig den Charme der alten Zeit. Wie gespannt man 1928 in den Medien auf die Eröffnung schaute, zeigt dieser Original-Zeitungstext aus den Chemnitzer Neuesten Nachrichten vom 18.Oktober, den ich meinen werten Besuchern nicht vorenthalten möchte:
Der Garagenhof Chemnitz – 400 Boxen – ein Maximum an Komfort
In Kürze steht uns wieder einmal eine Überraschung bevor. Wenige Wochen noch, Anfang November dann wird der Chemnitzer „Garagenhof“ seine Pforten öffnen.
„Garagenhof“! Ein sechsstöckiges Auto-Hotel. Die Idee eines weitblickenden Unternehmers, geboren aus Erkenntnis und Notwendigkeit, denn die Industriestadt Chemnitz, deren Straßen täglich unzählige Kraftwagen und Motorräder durchschießen, deren Besitzer die weitverzweigten Geschäftsverbindungen unserer Industrie hierher führen, muß diesem Verkehr Rechnung tragen und für ausreichende Unterkunft, sowohl der Geschäftsleute als auch ihrer Fahrzeuge, sorgen. Mit der Unterbringung der Besucher ist es so eine Sache. Die Hotels sind meist schon in den frühen Abendstunden besetzt. Man hat deshalb den „Chemnitzer Hof“ geplant, ein Riesenhotel, was am Theaterplatz gebaut werden soll. Vorläufig ist der Bau genehmigt. Gebaut wird noch nicht. Aber auch das wird noch kommen.
Um die Unterbringung der Autos und Motorräder steht es wesentlich besser. Mit der Eröffnung des „Garagenhofes“ wird auch der letzte Mangel beseitigt sein. Schon lange ist dieser Plan kein Plan mehr, auf dessen Ausführung man nur hoffen darf. Schon seit Monaten wird gebaut. Ein Regiment von Arbeitern hat die Ziegelmauern dieses Riesengebäudes hochgeworfen. Ein Turm ragt über die Häuserfront. Nur der Blick ist noch nicht frei. Immer noch steht das Gerüst und hindert den Blick. Aufzüge schleppen Material aufwärts, sechs Stockwerke hoch. Arbeiter schaffen fleißig. Vorübergehende können kaum ahnen, welch Werk hier entsteht.
Nur Wochen noch, dann wird das stattliche Gebäude vollendet sein. Hineindrängen wird es sich in das Blickfeld aller Passanten der Zwickauer Straße. Und triumphieren wird dieses Hochhaus über all die Häuser und Häuschen seiner Umgebung.
Die Hauptfront des „ Garagenhofes“ wird vorerst noch in die öde und unwirtliche Walkgrabenstraße blicken. Man wird dann nicht mehr umhin können, diesen Weg, der seit Jahren schon als Entlastungsstraße der Zwickauer Straße gedacht ist, auszubauen und nutzbar zu machen. Und die Auto- und Motorradfahrer werden befriedigt sein und froh über Unterkunft und Verpflegung ihrer Mercedes, Wanderer, NSU und DKW in den Hof dieses Unternehmens steuern.
Der Betrieb wird sich ganz hotelmäßig abwickeln.
Man läutet, bringt seine Wünsche hervor. Ein Dienstbeflissener erscheint: „Bitte Boxe 299.“ Der Wagen wird in einen der beiden Fahrstühle geschoben und fährt nach oben. 42 Sekunden Fahrtdauer. Der Wagen steht im fünften Geschoß. Der Führer kommt zur gleichen Zeit im Personenaufzug oben an. Der Wagen wird in eine der Boxen geschoben oder im umfangreichen Mittelraum aufgestellt. Innen alles Betonbau. Feuersicher. Überall noch besonderer Feuerschutz für alle Fälle. Die Boxen sind durch sieben Zentimeter starke Wände voneinander getrennt und nach dem Mittelraum, in dem hauptsächlich kleinere Wagen untergebracht werden sollen, durch einen verschiebbaren Roll-Laden aus Blech abgeschlossen. Für Lüftung, Licht und Überwachung wird gesorgt.
400 Autos und Krafträder können Platz finden.
Der Wagenführer kann sich dann in den in jedem Geschoß befindlichen Waschräumen vom Straßenschmutz säubern und ein Brausebad nehmen. Danach kann er sich im Kasino stärken und schlafen. Auf Wunsch wird sein Wagen in der Zwischenzeit in den in jedes Geschoß eingebauten Wagenwaschräumen gereinigt und nötigenfalls in der Reparaturanstalt im sechsten Geschoß fahrtfertig gemacht. Natürlich kann jeder Fahrer auch all diese Arbeiten selbst erledigen, denn 15 Wagenwaschplätze, ein Großtankservice mit sechs Tankstellen stehen immer zur Verfügung. Sonntags, wochentags, Tag und Nacht, auch für Vorüberfahrende.
Dieses Garagen-Hochhaus wird aber nicht nur Autofahrer dienen, es wird zugleich das Straßenbild verschönern. Dieser Kolossalbau mit seiner Zehn-Fenster-Front wird den Ruf Chemnitz‘ als Industriemetropole Sachsens und aufstrebende Großstadt, die allen Anforderungen unserer bewegten Zeit gewachsen ist, weiter festigen, so daß der Name „Chemnitz“ der näheren Bezeichnung „i. Sa.“ immer weniger bedarf.
Ein schönes Zeitdokument, es vermittelt einen realitätsnahen Eindruck, den der Leser in diesem Jahr vom Entstehungsprozeß des Gebäudekomplexes erhält.
Weitere umfangreiche Infos und Fotos dazu unter Fahrzeugmuseum-Chemnitz.de und https://de.wikipedia.org/wiki/Stern-Garage
(Quelle: Chemnitzer Neueste Nachrichten vom 18.Oktober 1928)