Großer Jubel herrschte unter der Chemnitzer Bevölkerung am 9. August 1936, als Karl Lorenz (genannt Carly) mit seinem Partner Ernst Ihbe aus Leipzig bei den Olympischen Spielen in Berlin in den Radsportwettbewerben das Zweisitzer-(Tandem-) Fahren über 2 km gewann. Es war der erste Olympiasieg eines Sportlers aus Chemnitz, dem noch viele weitere folgen sollten.
Bereits im Vorfeld der Rennen wurden sie als das aussichtsreichste Team gehandelt. Nach den Ausscheidungsrennen setzten sie sich auch in den beiden Finalläufen gegen die Niederländer Bernhardus Leene und Hendrik Ooms durch. Den ersten Lauf gewannen die Deutschen nach einem spannenden Finale mit einer halben Radlänge Vorsprung, auch den zweiten Lauf entschieden Ihbe-Lorenz für sich und holten damit die zweite Goldmedaille im Radsport bei diesen Spielen.
Der Aufstieg des jungen Rennfahrers
Karl Lorenz erblickte am 27. November 1913 in Drebach bei Riesa das Licht der Welt. Schon früh lernte er Rad fahren. Im Alter von 10 Jahren bekam er von seinen Eltern sein erstes Fahrrad geschenkt. Nach dem Umzug der Eltern nach Chemnitz fiel der Junge bei Radballspielen des R.C. „Merkur“ Chemnitz als Torwart einer Jugendmannschaft auf.
In dieser Zeit lernte er das „Stehen“, was ihm später in seiner sportlichen Laufbahn sehr zugute kam. Als die damaligen Radsportler des „R.C. Diamant“, Rösch und John, in der Umgebung von Chemnitz für die Deutschlandfahrt trainierten, erwachte auch in ihm der Wunsch, es diesen beiden tüchtigen Fahrern nachzumachen. Nach anfänglichen Misserfolgen, die jeden anderen zur Verzweiflung gebracht hätten, gewann er 1930 und 1931 fast alle Jugendrennen in Chemnitz.
Da er sich auf der Straße nicht die gleichen Erfolge in der großen Klasse erhoffte, wandte er sich dem Bahnradsport zu. Da sich die Chemnitzer Radrennbahn in Altendorf damals in einem schlechten Zustand befand, trainierte er auf einer ruhigen, 700 Meter langen Straße, die an seinem Elternhaus vorbeiführte. In Abwesenheit der deutschen Radsportelite, zu der u.a. Albert Richter und Willi Frach gehörten, die Deutschland 1932 bei den Weltmeisterschaften in Rom vertraten, gelang ihm in Halle nach vielen Misserfolgen erstmals der Sprung in die Nationalmannschaft. Von da an ging es unter Reichstrainer Matze Schmidt stetig bergauf, zahlreiche nationale und internationale Erfolge schmückten seine Laufbahn.
Sein größter sportlicher Erfolg bis zum Olympiasieg war der Gewinn der englischen Tandemmeisterschaft 1934 und des Pokals des italienischen Königs. Bei den Radweltmeisterschaften 1934 in Leipzig wurde er im Zwischenlauf disqualifiziert.
Lorenz galt neben dem Kölner Toni Merkens als bester deutscher Amateur. Beide lieferten sich immer wieder spannende Duelle, auch in der Halle. So im Februar 1935, als Lorenz in der Kölner Rheinlandhalle bereits 20 m Vorsprung hatte, ehe Merkens ihn besiegen konnte.
Im Frühjahr 1935 erlitt er schwere Stürze und wurde im Sportsanatorium Hohenlychen behandelt und wiederhergestellt. Zu dieser Zeit gehörte er dem R.C. Diamant Chemnitz an, in dessen Reihen auch die Straßenfahrer Hauswald, Reichel u.a. trainierten. 1936 bereitete er sich intensiv auf die Olympischen Spiele vor. Der Lohn war die Nominierung mit 20 weiteren Radsportlern für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin und der oben beschriebene Erfolg. Eigens dafür hatte der Chemnitzer Fahrradbauer „Diamant“ das neue Rennradmodell Nummer 67 mit einem außergewöhnlich leichten Rahmen geschaffen.
Im Rundfunk sprach der 23jährige Chemnitzer gleich nach seinem Sieg im Olympia-Radstation neben Ihbe und bezeichnete dabei den Tag seines Olympiasieges als den schönsten seines Lebens überhaupt. Die Stadt Chemnitz richtete an das Siegerpaar Ihbe-Lorenz folgendes Glückwunschtelegramm: „Die Stadt Chemnitz freut sich mit Ihnen über ihren herrlichen Sieg. Mit der Erringung der Goldmedaille haben Sie den Namen der Stadt der Arbeit, Chemnitz, weit über Deutschland hinaus größte Ehre gemacht. Der Oberbürgermeister der Stadt Chemnitz. W. Schmidt, Bürgermeister.“
Am 18. August 1936 kehrte er nach allen Ehrungen nach Chemnitz zurück. Zu seinem Empfang hatten sich neben den Eltern des Siegers Vertreter der Stadt und Abordnungen der Sportvereine eingefunden. Die Menschenmenge vor dem Bahnhof bereitete Lorenz einen jubelnden Empfang. Der Olympiasieger wurde vom Turn- und Sportwart Neubert begrüßt und von seinen begeisterten Sportkameraden auf die Schultern gehoben und zum Auto getragen. Vor dem Rathaus begrüßte Bürgermeister Schmidt den Sieger. Der Oberbürgermeister drückte seine Freude darüber aus, dass es auch einem Chemnitzer gelungen sei, eine Goldmedaille zu erringen. Anschließend trug sich Lorenz in das Goldene Buch der Stadt Chemnitz ein. Eine besondere Freude war es für Lorenz, als ihm Oberbürgermeister Schmidt mitteilte, dass der Stadtrat beschlossen habe, ihn als Dank für seinen Sieg in städtische Dienste zu übernehmen. Lorenz war bisher arbeitslos.
Doch das Ausruhen auf den Lorbeeren des Erfolgs war nur von kurzer Dauer. Schon am folgenden Wochenende standen die Deutschen Meisterschaften im Bahnradsport in Frankfurt am Main auf dem Programm. Auch hier zeigte er sich seinen Konkurrenten überlegen und wurde am 23. August sowohl im Sprint der Amateure als auch im Zweisitzerfahren mit seinem Partner Ernst Ihbe Deutscher Meister.
Im Oktober fanden dann auch schon wieder die ersten Winterbahnrennen in Berlin statt. Bei einem Amateurkampf gegen dänische Sportler trat er in der Deutschlandhalle im Sprint an und gewann vor Ihbe, Horn und Hasselberg.
Anlässlich des 10jährigen Stiftungsfestes des R.C. Diamant Chemnitz Anfang November wurde Karl Lorenz zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt.
Anfang 1937 entschloss sich Karl Lorenz, das Fliegerrad an den Nagel zu hängen und künftig als Berufsfahrer Ausdauerrennen zu bestreiten. Nachdem er schon immer mit dem Stehersport geliebäugelt hatte, setzte der inzwischen 23-Jährige seinen Entschluss in die Tat um, zumal er bei Probefahrten auf der Chemnitzer Bahn entdeckt hatte, wozu er veranlagt war. Beim Verband der Berufskraftfahrer beantragte er im Januar eine Lizenz. Bald hatte der Chemnitzer Verträge für fünf große Rennen auf seiner Heimatbahn. Sein Schrittmacher wurde der Berliner Max Bajorat, der zu den besten Schrittmachern Deutschlands zählte und seinem neuen Schützling mit hoher Sportauffassung entgegenkam. Drei Wochen vor dem ersten Start Anfang Mai nahmen sie gemeinsam das Training auf seiner Heimatbahn auf. Am 2. Mai fanden die ersten Rennen des Jahres 1937 in Altendorf statt, Lorenz zeigte auf der gut besuchten Bahn „recht gute Anlagen“, wie die Presse schrieb, und belegte nach verschiedenen Rennen in der Gesamtwertung den 5. Platz. Besser lief es bei den Titelkämpfen der Berufsflieger Anfang August 1937 auf der Olympiabahn in Berlin. Unter 19 Teilnehmern belegte er nach einem Sieg über den Berliner Marklewitz den 3. Platz. Vor ihm dominierte Albert Richter, der zum fünften Mal in Folge den Titel vor seinem alten Rivalen Toni Merkens gewann.
Ein Jahr später, am 16. August 1938, fand auf der Chemnitzer Radrennbahn in Altendorf vor über 15.000 Zuschauern die Deutsche Meisterschaft der Berufsflieger statt. Karl Lorenz hatte sich neben Albert Richter (Köln), Ehmer (Berlin) und Siehl (Offenbach) für das Finale qualifiziert. Mit einer halben Radlänge Vorsprung siegte Richter vor Lorenz, Ehmer wurde Dritter.
Am 9. Juli 1939 gab es bei den Meisterschaften in Braunschweig erneut nichts gegen den überragenden Richter zu gewinnen, wieder blieb ihm nur der zweite Rang vor Hürtgen.
Im Februar 1940 vermeldeten die sächsischen Zeitungen erneut den Entschluß von Karl Lorenz, sich als Berufsdauerfahrer zu versuchen. Partner und Schrittmacher sollte diesmal der Leipziger Karl Schubert werden. Er startete aber auch weiterhin als Einzelfahrer und nahm an verschiedenen Hallenrennen teil. Am 6. Juli 1941 wurde Lorenz bei der Fliegermeisterschaft der Berufsfahrer hinter Jean Schorn Zweiter, Ende Juni 1942 schied er in den Vorläufen der deutschen Meisterschaften in Nürnberg bei den Dauerfahrern aus.
Unbestätigten Quellen zufolge wurde Lorenz in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs 1945 in den „Volkssturm“ einberufen, desertierte jedoch mit dem Fahrrad.
Die Zeit als Trainer
1952 finden wir erste Hinweise auf seine Trainertätigkeit beim SC Dynamo Berlin. Für die Sektion Radsport der DDR wurde ein Trainerrat gebildet, dem er angehörte. Ziel war die Erstellung von Jahrestrainingsplänen und die Betreuung der Sportler auf wissenschaftlicher Grundlage sowie die Förderung des Spitzensports. Schon bald stellten sich die Erfolge ein. Als Radtrainer leitete er bei den Olympischen Spielen 1956 und 1960 die olympischen Verfolgungs- und Tandem-Mixed-Mannschaften. 1960 betreute er in Rom das Tandem Lothar Stäber und Jürgen Simon sowie den Vierer, die jeweils die Silbermedaille errangen. Er wurde dafür im selben Jahr von der DDR-Sportführung mit dem Ehrentitel „Verdienter Meister des Sports“ ausgezeichnet. Auch hatte er großen Anteil an den Erfolgen Ostberliner Sportler auf der Winterbahn in der Berliner Werner-Seelenbinder-Halle.
Im Januar 1987 finden wir eine letzte Veröffentlichung. Auf der Berliner Winterbahn wurden im Rahmen der Traditionspflege ehemalige Aktive und Trainer, darunter Karl Lorenz und Klaus Ampler, die den Grundstein für die Erfolge des DDR-Sports legten, zu einer Ehrenrunde eingeladen.
Kurz vor seinem 80. Geburtstag starb Karl Lorenz am 25. November 1993 in Bad Liebenwerda und wurde in Chemnitz beigesetzt.
(Quellen: „Türmer der Stadt Chemnitz“ – 1936 S.363; Meldungen versch. sächsische Tageszeitungen zu finden unter SLUB-Dresden.de; Webseite www.olympedia.org; Zeitungsausschnitte Berliner Tageszeitungen – zu unter Zefys.de; u.a.)