Wer heute die Parkstraße und das Gebiet hinauf bis zur Stollberger Straße kennt, kann sich vielleicht nicht vorstellen, wie es dort früher ausgesehen hat. Heute finden wir neben modernen Wohnbauten und Eigentumsanlagen noch wenige alte Villen, die sich Begüterte und Chemnitzer Großindustrielle dort im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert errichteten ließen. Zwischendrin jedoch, an der Einmündung Beckerstraße/Parkstraße bis hoch zur Stollberger Straße ragten 2 Prachtbauten heraus, die von Zimmermannsche Stiftung oder auch Naturheilanstalt, die ich Euch vorstellen möchte.
Namensgeber und Stifter dieser Heilstätte war einer der Begründer des Chemnitzer Werkzeugmaschinenbaus, der Geh. Kommerzienrat Johann v. Zimmermann. Seine Villa an der Ecke Carola-/Bahnhofsstraße finden wir heute noch im Stadtbild. Dieser, der sich aus kleinen Anfängen zum einflußreichen, später geadelten Fabrikherrn emporarbeitete, lernte einst die Segnungen der natürlichen Heilweisen aus eigener Erfahrung kennen. Es gelang ihm, eins seiner Kinder, schwerkrank und von den Ärzten aufgegeben, durch Wasseranwendungen zu retten.
Seine Millionenstiftung, die den Bau und die vorbildliche Einrichtung des v. Zimmermannschen Sanatoriums in den Jahren 1885-1886 ermöglichte, war der Grundstock für eines der ersten großen Therapiezentren Deutschlands. In einem herrlichen eigenen Park gelegen, konnten nicht nur Leichtkranke und „Erholungsbedürftige“, sondern auch Schwer- und Schwerstkranke Hilfe und Heilung nach ausgesuchten Naturheilverfahren suchen. Angehende Mediziner konnten sich in Massage, Heilgymnastik, Ortopädie, Wasseranwendungen und Diät-Ernährung ausbilden lassen. Das Defizit im damaligen Gesundheitswesen hatte er sehr klar erkannt, denn es gab zu der Zeit nur ein einziges Krankenhaus, das Stadtkrankenhaus an der Zschopauer Straße, welches aber den gesundheitlichen Versorgungsbedarf der bevölkerungsmäßig nahezu explodierenden Stadt schon bald nicht mehr decken konnte. Es gab auch weder eine Frauenklinik noch eine Lungenheilstätte, so daß auch derartige Leiden dort bald ins Behandlungsspektrum aufgenommen werden mußten.
Kurzzeitig verfügte man dort später sogar über eine eigene Strahlentherapie-Abteilung, in der bösartige Frauenleiden behandelt wurden, bis die Frauenklinik bzw. die Strahlenklinik ihre Arbeit aufnehmen konnten. Eine Chirurgische Abteilung und eine Geburtshilfestation ergänzten den Komplex. Es gab sogenannte Lufthütten für Schwindsuchtkranke im angrenzenden Park, denn schon damals wußte man, daß Sonne, gute Luft das Immunsystem stärken und die Remissionsrate bei Tbc verbessern. Vorrangig wurde auch immer an eine vernünftige Ernährung zur Heilung und Vorbeugung gedacht.
1895 zahlte man für Wohnung, Beköstigung inkl. Arzt und Kur, Konsultationen und Zwischenmahlzeiten zwischen 5 und 12,50 Mark.
Der Zuspruch war so groß und das hinterlegte (und inzwischen vermehrte) Kapital so umfangreich, daß wenige Jahre nach der Jahrhundertwende ein zweiter Bau nahe der Stollberger Straße – postalisch Hausnummer 59 – errichtet werden konnte, dieser allerdings im sogenannten Heimatfachwerkstil.
Wie alle „Naturheilanstalten“, so war auch die Zimmermannsche Stiftung in den Jahrzehnten des Bestehens oft genug den Angriffen ihrer Gegner ausgesetzt. Natürliche Heilmethoden und Homöopathie standen im Widerspruch zu den wissenschaftlich untersuchten und geförderten Krankenbehandlungen.
Doch man behauptete sich, hatte zudem wichtige Geschäftsleute wie Otto Riemann (Herm. Riemann Fahrzeuglaternen) im Vorstand sitzen. Wertschätzung erhielt die Anstalt, als am 2. März 1905 der Sächsische König Friedrich August diese besuchte.
Das Sanatorium stand bis 1907 unter der Leitung von Dr. Richard Winchenbach. Dessen Nachfolger wurde Dr. Ludwig Disqué, der die ärztliche Oberleitung bis dahin innehatte und sich auch Verdienste um die naturheilkundlich physikalisch-diätische Therapie erwarb. Dr. Loebell und Dr. Wittkugel, Namen die wir auf weiteren Annoncen finden, setzten die begonnene erfolgreiche Arbeit fort.
Bedauerlicherweise wurden beide Hauptgebäude des Zimmermannschen Sanatoriums zerbombt. An der Parkstraße konnte wenigstens noch ein Teil des Hauptgebäudes gerettet werden. Nach dem 2.Weltkrieg wurde das wieder instand gesetzte Erdgeschoß zusammen mit weiteren Neubauten als Pflegeheim genutzt, nach der Wende entstand hier eine Pflegestation für Apalliker (schwerst Hirngeschädigte). Inzwischen sind die Nebengebäude abgerissen und dort ein Neubau errichtet worden. Der Arbeiter-Samariter-Bund Ortsverband Chemnitz und Umgebung e.V. hat in den alten Gemäuern seine Geschäftsstelle, betreibt zudem ein Altenpflegeheim im ehemalige Gelände des Sanatoriums.
(Quellen: Führer durch Chemnitz 1913 – Der Türmer von Chemnitz 1935 – Beitrag von Uwe Kaufmann unter https://www.flickr.com/photos/41569813@N03/5339108412 u.a.)