Mit dem schnellen Wachstum der Stadt Chemnitz auf Grund der voranschreitenden Industrialisierung am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden verschiedene neue Wohnviertel. Für besser Betuchte Villen mit allem Komfort in schöner Stadtrandlage, für die Arbeiter die enggebauten Mietskasernen nahe der Industrieansiedlungen. Diese hatten größtenteils, heute kaum noch vorstellbar, kein eigenes Bad. Um die notwendige Ganzkörperhygiene zu betreiben, behalf man sich früher mit alternativen Badegelegenheiten im Haus, so zum Beispiel in der Küche, Waschküche oder im Keller. Man nahm mit transportablen Zinkwannen vorlieb, später entstanden elektr. betriebene Schrankbäder, u.a.
Stadtplaner, Fabrikanten und vor allem Mediziner setzten sich dafür ein, dass Sauberkeit und körperliche Hygiene dem ganzen Volk gut täten und errichteten am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Volksbäder vor allem in ärmeren Wohngegenden oder in Ihren Fabriken.
Die Wende in der deutschen Geschichte der privaten Sauberkeit hatte die Berliner Hygiene-Ausstellung von 1883 eingeleitet. Dort stellte der Berliner Dermatologe Oskar Lassar erstmals die Brause als eigenständige und wegen ihres geringen Wasserverbrauchs billigste Badeform für die Bevölkerung vor. Lassar: „Zu einem Brausebad, wenn es geradezu verschwenderisch bemessen wird, genügen bei richtiger Beschaffenheit der Douschenöffnung ad maximum zehn Liter. Man kann jedoch schon mit 5 Litern ganz gut auskommen.“ Seine Kernthese zudem war: wer sich und seine Kleidung regelmäßig gründlich mit Wasser und Seife säubert, lebt gesünder.
Dies griffen auch die Chemnitzer Stadtväter auf und errichteten am ehemaligen Friedrichplatz in Brühlnähe zwischen August 1899 und März 1900 das erste Chemnitzer Volksbrausebad. „Da erfahrungsgemäß solche Bäder am besten geeignet waren, dem unbemittelten Teil der Bevölkerung das ganze Jahr hindurch um einen billigen Preis die Möglichkeit zu einer infolge ihrer schnellen Erreichbarkeit nur wenig Zeitaufwand erfordernden, bequemen Reinigung und Erfrischung zu gewähren.“ Für die Gesamtbaukosten, einschließlich Mobiliar- und Wäscheausstattung, sowie Platzherstellung und Versetzung der an diesem Ort stehenden öffentlichen Bedürfnisanstalt waren 43.700 Mark veranschlagt worden.
Die Entschließung zum Bau verzögerte sich, da inzwischen der Vorschlag gemacht worden war, die Volksbrausebäder unter Umständen mit den in derselben Absicht geplanten Schulbrausebädern zu verbinden. Diese entstanden später z.Bsp. an der Bernsbach- und Markersdorfer Schule.
Die Aufstellung des Planes und die Ausführung erfolgten seitens des Stadtbauamtes unter der Oberleitung des Stadtbaurats Hechler. Mit der speziellen Bearbeitung und Bauleitung war der Architekt Luthardt betraut.
Lesen wir uns die Beschreibung des Gebäudes durch, damit für Sie ein Bild entsteht:
Das Gebäude hat eine Länge von 12,10m und eine Breite von 11,0m; im Anschluß hieran ist noch ein kleiner Wirtschaftshof von 5 m Länge und 5 m Breite angebaut.
Es enthält ein Kellergeschoß mit den Wirtschafts- und ein Erdgeschoß mit den Baderäumen. Die Umfassungen sind außen mit roten Verblendziegeln unter Verwendung von Sandstein für Fenster- und Türumfassungen hergestellt. Der Zugang erfolgt zu ebener Erde in der Hauptachse des Gebäudes. Dem Eingang gegenüber liegt die Kasse, links und rechts liegen die Warteräume für Männer und Frauen.
Die Zellen selbst, 12 für Männer und 2 für Frauen, liegen um den Mittelbau, welcher die Verbindungstreppe nach dem Kellergeschoß, sowie die Reservoire für kaltes und warmes Wasser enthält, ferner zur Ventilation dient und deshalb bis über Dach geführt ist. Jede Zelle besteht aus der 1,15m x 1,15m großen An- und Auskleidezelle und der gleichgroßen Zelle für das Brausebad. In den Badezellen ist eine 50×50 cm große und 10 cm tiefe Fußwanne angeordnet, die mit einem kombinierten Ab- und Überlaufventil versehen ist. Asphaltierte Gußeisenrohre führen die Abwässer ab.
Von der Einrichtung, dem Badenden nur ein bestimmt zugemessenes Wasserquantum zuzuweisen, ist Abstand genommen worden; vielmehr steht demselben beliebig viel warmes und kaltes Wasser zur Verfügung. Die Badezeit soll höchstens 20 Minuten betragen. Zur weiteren Ausstattung der Zellen gehören eine Sitzbank, eine Kleiderleiste mit 5 Haken, ein Spiegel, ein kleines Wandbrett und ein Stiefelknecht. In jeder Abtheilung befindet sich am Gangende ein Wasserklosett, in der Männerabtheilung auch ein Oelpissoir.
Zur Heizung des Gebäudes, sowie zur Erwärmung des zu Badezwecken nötigen Wassers dient ein Niederdruckdampfkessel, der zur Erzielung einer möglichst rauchfreien Verbrennung mit Koksfeuerung versehen ist. Die Heizkörper sind teils glatte Radiatoren, teils glatte Rohre, welche unter den Sitzbänken in den Gängen untergebracht sind. Die Gänge und Zellen haben Terrazzofußboden und Wandverkleidung bis 1,80 bzw. 2,25m Höhe aus weißglasierten Meißner Plättchen. Sämtliche Thüren, Bänke und übrigen Holztheile sind aus Pitsch-Pine (schwere und kernholzreiche Kiefernhölzer), die Metallteile aus Bronzeguß, die Zellenzwischenwände und horizontalen Decken in Monierkonstruktion hergestellt. Die Kaltwasserrohre sind aus verzinktem Eisenrohr, das Warmwasserreservoir sowie die Warmwasserrohre aus Kupfer hergestellt. Die Dachkonstruktion besteht aus Holz und ist mit Korkplatten isoliert. Die Beleuchtung erfolgt durch 14 Gasglühlampen. Im Kellergeschoß befinden sich der Kesselraum mit daran stoßendem Kohlenraum und der Waschraum mit anschließendem Trockenraum, für den die Kesselwärme nutzbar gemacht wird. Vom Waschraum führt eine Treppe nach dem Wirtschaftshof, welcher die Aschen- und Abortgruben umschließt und auch zum Wäschetrocknen herangezogen werden soll.“
Ende Februar 1900 konnte man dann in der Chemnitzer Zeitung lesen:
„Das neue städtische Volksbrausebad ist nun soweit fertiggestellt, daß es morgen Donnerstag den 1. März dem Verkehr übergeben werden kann.… Jede Zelle ist in zwei Abheilungen, den eigentlichen Bade- und den Ankleidungsraum, geteilt. Die Brausebäder sind durch eine Kurbel von dem Badenden bis zu einem Wärmegrad von 35° Celsius zu regulieren. Am Boden der Badezellen befinden sich Einrichtungen für Fußbäder, die zugleich zum Abfluß für das Wasser dienen. Eine angenehme gleichmäßige Temperatur, durch Zentralheizung herbeigeführt, herrscht in den Bade, Ankleidungs- und Warteräumen….. Als Bademeister ist Herr Hofschulte angestellt, (der 1900 mit rund 125 Mark entlohnt wurde). Um das Bad zu einem wahren Volksbad zu gestalten und auch dem Ärmsten die Wohltat eines Bades im Winter wie im Sommer zu gewähren, ist der Preis für das einzelne Bad nur auf 10 Pf. gestellt. Für diese 10 Pf. steht dem Badenden der Baderaum auf 20 Minuten zur Verfügung, und es wird ihm außerdem dafür noch Handtuch und Seife geliefert. Für weitere 3 Pf. erhält er einen Kamm zur Benutzung. Das Bad ist das ganze Jahr hindurch und zwar im Winter von 7 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends, an Sonnabenden bis 9 Uhr Abends und an Sonntagen von 7 bis 12 Uhr Vormittags geöffnet. Im Sommer beginnt die Badezeit durchgehend eine Stunde früher, also um 6 Uhr Morgens.
Das Bad wurde zuerst von Vertretern der Städtischen Kollegien, des Ingenieur und Architekten-Vereins besichtigt und allseitig als allen praktischen und hygienischen Anforderungen entsprechend anerkannt.“
Fortan erfreute sich das Bad zahlreichen Zuspruchs.
Noch bis 1937 können wir vom 1.Städtischen Brausebad am Friedrichplatz Nr.8 lesen, ehe das in die Jahre gekommene Gebäude einem Autoparkplatz 1938 weichen musste.
Neben der bereits vorhandenen Badeanstalt im Hedwigbad nahe der Markthalle und Peters‘ Bad an der Zwickauer Straße entstanden weitere Volksbrausebäder: 1903 an der Oststraße (jetzige Augustusburger Str., nahe der Eisenbahnbrücke), 1909 an der Freigutstraße (jetzige Fritz-Maschke-Str.), und 1912 hinter der Bernsbach-Schule, am gleichnamigen Platz, die auch nicht mehr vorhanden ist. In Ebersdorf und Schönau finden wir später ebenfalls öffentliche Badeanstalten.
(Quellen u.a.: Bericht der Verwaltung der Stadt Chemnitz 1900, diverse Ausgaben des Generalanzeigers für Chemnitz; zu finden unter SLUB-Dresden.de)