Eine kleine schlichte Büste, deren Geschichte die meisten Chemnitzer selbst nicht kennen, möchte ich in diesem Beitrag vorstellen. Lange Zeit stand sie unscheinbar in den Grünanlagen am damaligen Neustädter Markt, Königsplatz bzw. nach einer weiteren Namensänderung am Theaterplatz, schräg vor dem Gasthaus „Zur Linde“. Man kann sie zurecht als früheste öffentliche Ehrenstatue der Stadt Chemnitz bezeichnen, denn erst anderthalb Jahrzehnte später wurde das Denkmal für Christian Gottfried Becker vor dem alten Rathaus errichtet.
Das Vater-August-Denkmal
Den Anlass zu ihm selbst gaben die hohen Verdienste, die der 1553 zum Kurfürsten ernannte August von Sachsen (geb.1526, gest. 1586) um Chemnitz hatte. Er war es, der durch besondere Verträge das Chemnitzer Bleichereimonopol im 16. Jahrhundert ausgebaut hatte, dem Chemnitzer Handel zu neuem Aufschwung und dem einheimischen Gewerbefleiß zu seiner späteren Blüte verhalf.
Zur 300-jährigen Wiederkehr eines Festschießen, das am 14. September 1556 unter Beteiligung des Kurfürsten auf dem als damals Schützenplatz benutzten „Anger“ in Chemnitz veranstaltet wurde, gab die Privilegierte Schützengesellschaft der Stadt die Büste in Auftrag.
Der Entwurf für das Denkmal stammte von Ernst Rietschel, einem der bedeutendsten deutschen Bildhauer des Spätklassizismus, der unter anderem auch das Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar schuf. Gegossen wurde die Büste aus Kanonengut 1856 hier in Chemnitz nach dem Modell in der Hartmann‘schen Maschinenfabrik, in der Firma von Ernst Kirchhoff anschließend ziseliert und brüniert.
Das Postament war eine viereckige essenkopfartige Säule aus roten polierten Meissner Granit, 1,46 m hoch 0,58 m breit und 0,4 m tief, die auf einem 0,36 m hohen Sockel aus dem gleichen Material ca.0,7 m im Quadrat stand. Die Büste selbst war ca. 46 cm hoch und 30 cm breit.
Auf der Hauptansichtsseite der Säule stand in vergoldeten Lettern „Dem Churfürsten Vater August die noch heute dankbare Stadt Chemnitz“. Neben dieser Inschrift existierte an der Rückseite eine zusätzliche Metalltafel mit folgendem Text: „1556 den 14. September nahm Churfürst August von Sachsen an dieser Stelle an dem Festschießen der Bruchschützen Theil. Zur Erinnerung daran und an die großen Verdienste dieses Fürsten um die Stadt Chemnitz ward dieses Denkmal gegründet den 27. August 1856.“
1860 /1861 sind der Neustädter Markt mit dem daran anstoßenden Schillerplatz der Stadt zum Schmuck geschaffen worden, das Denkmal säumte die südwestliche Seite nahe der Königsstraße, wie der Kartenausschnitt von 1865 zeigt. 1886 wird über fehlende Buchstaben an der Vorderseite des Denkmals geklagt, die genauso wie 1935 erst nach Eingaben und Hinweisen von Privatpersonen ersetzt wurden. Ab 1899 nimmt man auch die zyklische Reinigung der Stadtdenkmäler in den städtischen Haushaltsplan mit auf. Bis zum 1.Weltkrieg werden alle 3 Jahre neben der Vater-August-Denkmal auch der Saxoniabrunnen, das Beckerdenkmal und das Siegesdenkmal an der Theaterstraße gereinigt. Nach dem 1. Weltkrieg steht dafür kein Geld mehr zur Verfügung.
Im Juli 1941 wurde die Büste abgebaut und dem Museum für Stadtgeschichte (der Vorgänger des Schloßbergmuseums) zugeführt. In diesem Jahr lief die reichsweite Erfassungsaktion aller Gegenstände aus Buntmetall, um sie der Kriegsrüstung zuzuführen. Einige stadtbildprägende Monumente, beispielsweise die Figuren des Saxoniabrunnens und die Sandalenbinderin, wurden in diesem Zusammenhang demontiert und ab Januar 1942 begann auch der Ausbau der Bronzeglocken von den Türmen der Chemnitzer Kirchen. Von hier aus hat sie wahrscheinlich den Weg in einen Schmelzofen angetreten, belegen kann es das Museum momentan nicht. Es ist nachweisbar, dass die Kunstsammlungen seit 1940 eine ganze Reihe von Objekten – von haustechnischen Einrichtungen bis hin zu Sammlungsgut (z. B. dem Zinnbestand) – für diesen Zweck zur Verfügung gestellt haben. Auch für das Schloßbergmuseum sind ähnliche Vorgänge bekannt.
Vor 165 Jahren wurde das Denkmal seiner Bestimmung übergeben. Freilich braucht man sich heute nicht zu wundern, daß solchen Jubiläen heute keine Aufmerksamkeit seitens der Stadt geschenkt wird. Wenn 2025 die Touristenströme nach der Geschichte der Stadt fragen, wird die Stadt sich eingestehen müssen, das nachhaltige Aufarbeitung geschichtlicher Ereignisse und das Gedenken daran unterblieben ist und temporäre Installationen keine weiteren Nutzen (außer Schulden) hinterlassen.
(Quellen: Dresdner Journal August 1856/57 und weitere Zeitungsausschnitte, zu finden unter SLUB-Dresden.de; Beitrag von E.Weinhold in „Chemnitz und Umgebung“ 1906; Allg. Zeitung Chemnitz vom 28.07.1941; Festschrift zur Rathausweihe 1911 u.a. – Dank auch an Dr. Stefan Thiele; Kurator Kunstgeschichte im Schloßbergmuseum Chemnitz, für die Unterstützung)