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Der Autobahnabschnitt Chemnitz-Stollberg

    Im Beitrag „Die Autobahn um Chemnitz“ habe ich den ersten Abschnitt des Reichsautobahnbaus von Dresden kommend beschrieben. Weitere Impressionen dieses Abschnittes zum Ende der 30er Jahre sollen hier die fortführenden Baumaßnahmen einleiten.

    Waren es 1938 die Teilstrecken im Vogtland, die durch ihren beiderseitigen Anschluß an die Hofer Reichsstraße für den Durchgangsverkehr aus Sachsen und dem Osten des damaligen Deutschen Reiches nach dem Süden bereits eine bedeutende Verkehrsverbesserung brachten, so erhoffte man sich durch die Fertigstellung der neuen Teilstrecke für das obere Erzgebirge, insbesondere aber für Chemnitz selbst, eine fühlbaren Entlastung des stetig steigenden Verkehrs. Der starke Durchgangsverkehr brachte Chemnitz zunehmend große Probleme, auch im Stadtinneren. Die engen Straßen konnten die Verkehrsflut kaum noch aufnehmen. Mit dieser Umgehungsstraße sollte Abhilfe geschaffen werden.

    Schlagzeile vom 15.August 1939 - Chemnitzer Tageblatt

    Nachdem am 3. Juni 1938 die Teilstrecke Treuen-Pirk und ein halbes Jahr später der Abschnitt von Zwickau-West bis Treuen mit zusammen 38 Kilometer durchgehender Streckenlänge der von Chemnitz nach Hof führenden Reichsautobahn dem Verkehr übergeben werden konnten, folgte am 15.August 1939 die Freigabe eines weiteren Teilstücks der geplanten Strecke Chemnitz – Hof-Naila.

    Der 17 Kilometer lange Abschnitt zwischen Anschlußstelle und gleichzeitigem Abzweig Chemnitz-Nord bis zur Anschlußstelle Stollberg wurde an diesem Dienstagmorgen 10:00 Uhr für den allgemeinen Verkehr freigegeben. Bereits einen Tag vorher wurde der Presse Gelegenheit gegeben, unter Führung des Vertreters der Obersten Bauleitung, Reichsbahnoberrat Graupner, und des Vorstehers der Bauabteilung Chemnitz, Regierungsbaurat Lohrmann, die bis auf belanglose Nebenarbeiten fertiggestellte Strecke zu besichtigen. Die gärtnerische Ausgestaltung sollte bis zum Herbst erledigt sein.

    Über die Schwierigkeiten der Streckenführung berichtete das Chemnitzer Tageblatt vorab in ihrer Ausgabe vom 12.August:

    „Die 17 Kilometer lange Teilstrecke, mit deren Bau im Frühjahr 1937 begonnen wurde, zweigt kurz hinter der Anschlußstelle Chemnitz-Nord von der Reichsautobahn Dresden-Meerane-Weimar ab, biegt von da nach Süden, verläuft durch die dicht besiedelten Gebiete von Rottluff und Siegmar-Schönau und überquert die Reichsstraße 173 (verlängerte Neefestraße) von der aus die Reichsautobahn über die Anschlußstelle Chemnitz-Süd erreicht werden kann.

    400m nach der Anschlusstelle Chemnitz-Nord beginnt der neue Streckenabschnitt

    Der Abzweig wurde wegen des zu erwartenden starken Eckverkehrs von Dresden in Richtung Plauen und umgekehrt in Trompetenform ausgebildet, wobei besonders darauf Wert gelegt werden mußte, daß der Eckverkehr in sanften Bögen auf die neue Strecke übergeleitet wird. Der Bau des Abschnittes bis Anschlußstelle Chemnitz-Süd bot besondere Schwierigkeiten, weil einmal sehr dichte Bebauung durchquert und das andere Mal das Kappelbachtal in Siegmar-Schönau durchquert werden mußte. Die Fahrbahnen konnten ans diesem Grunde nur in einer Breite von 21 Meter gegenüber 24 Meter bei normalen Verhältnissen unter Zusammenziehung des Mittelstreifens hergestellt werden.

    Das Kappelbachtal wird auf einem 500 Meter langen und etwa 8 Meter hohen Damm durchquert, in den 300.000 Kubikmeter Erdmassen eingebaut worden sind. Durch Abtragung eines Berges links und rechts der Reichsautobahn bei Kilometer 5,0 wurden diese Erdmassen gewonnen. Auf 3 dicht hintereinander liegende Brücken überquert man den Kappelbach, die Dresden-Reichenbacher Eisenbahnlinie und die Hofer Reichstraße. Östlich der ‚Jagdschänke‘ führt die Trasse zur Anschlußstelle Chemnitz-Süd, die mit einer 44 m breiten Brücke überquert wird. Die Neefestraße ist zu diesem Zwecke hier wesentlich tiefer gelegt und von 8 auf 10 m verbreitert worden. Der gegenwärtig noch einseitige Anschluß von der Reichsautobahn zur Neefestraße soll später doppelseitig ausgebaut werden. Kurz hinter Stelzendorfer Flur ist die Reichsbahnautobahn bisher nur einbahnig für Gegenverkehr fertiggestellt. Die zweite Fahrbahn ist aber jetzt schon soweit vorbereitet, das im Bedarfsfalle nur noch die Fahrdecke aufgebracht zu werden braucht.

    In ihrem weiteren Verlauf führt die Strecke in zügiger Anpassung an das Gelände am Westausgang von Neukirchen vorbei nach Leukersdorf, das sie ebenfalls auf einem 6 Meter hohen Damm durchquert. An dieser Stelle boten sich wiederum besondere Schwierigkeiten. da das Gelände im Zuge der Reichsautobahn sehr naß und quellenreich ist. Die Ortsstraße von Leukersdorf wurde auf eine Länge von 800 Meter neu gebaut und unter der Reichsautobahn hindurchgeführt.

    Den landschaftlich schönsten Abschnitt erreicht die Strecke zwischen Kilometer 14,0 und 16,0, in dem sie am Steegenwald entlang verläuft. Hier mußte die Reichsautobahn auf einen 1,50 Meter hohen Damm gelegt werden, damit die bei dem dicht vorbeifließenden Würschnitzbach plötzlich auftretenden Hochwasser keinen Schaden anrichten können. Bei Kilometer 17, 1 erreicht die Straße ihr vorläufiges Ende. Sie stößt dort auf die Landstraße 1.Ordnung Lichtenstein-Niederdorf, an die die Reichsautobahn durch eine zwischenzeitliche Auffahrt angeschlossen ist.

    Die Reichsautobahnstrecke Chemnitz-Niederdorf steht vor der Eröffnung. In der Mitte des Bildes ist die Autobahnstrecke Dresden-Meerane in Chemnitz erkenntlich. Rechts und links die Abzweigung und Einmündung der Strecke nach Hof

    Die gewaltigen Arbeitsleistungen.

    Nachstehende Zahlen sollen Zeugnis von den gewaltigen Leistungen am Bau dieser Teilstrecke ablegen. Trotz starken Einsatzes von Baggern und sonstigem Großgerät schafften zeitweise 2200 Arbeitskameraden unmittelbar am Bau. Nahezu zwei Millionen Tagwerke wurden geleistet, rund 1.132.500 Kubikmeter Erd- und Felsmassen bewegt rund 1 ½ Millionen Quadratmeter Mutterboden abgetragen, 225.000 Quadratmeter Beton, 14.000 Quadratmeter Pflasterdecke hergestellt. Insgesamt wurden 29 Brückenbauwerke, davon 27 Unterführungen und 2 Überführungen erstellt.“

    Letztendlich resümierte der Autor:

    „Sehr fühlbarer Mangel an Arbeitskräften und sonstige unerwartete aufgetretene Schwierigkeiten konnten weder das Bautempo beeinflussen, noch das gesteckte Bauziel irgendwie gefährden. Alle am Bau Beteiligten gaben unter starker Anspannung ihrer Kräfte jeder an seinem Platze das Beste…“

    Ein sehr schöner detailreicher Aufsatz zu den Bauarbeiten im Chemnitzer Stadtgebiet, der lohnt, so veröffentlicht zu werden.

    1940 erfolgten noch die Freigaben der Strecken zwischen Stollberg – Hartenstein und Zwickau-West. Erst 1993 mit der Fertigstellung der Elstertalbrücke bei Pirk war die Strecke schließlich durchgängig befahrbar.

    (Quellen: Bertram Kurze, Reichsautobahnen in Mitteldeutschland, Erfurt 2014; Ausgaben des Chemnitzer Tageblattes 12./15.8. 1939 – auf Mikrofilm verfügbar in der Stadtbibliothek Chemnitz)