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Der Dampfomnibus setzt sich nicht durch

    Der 3.Teil der Chronik zu Herrmann Michaelis.

    Der Chemnitzer Unternehmer versuchte mit Weiterentwicklungen seiner dampfgetriebenen Fahrzeuge den Omnibusbetrieb durchzusetzen. Doch es blieben ihm nur wenige Jahre, denn die aufkommenden neuen und leichteren Fahrzeugmotoren waren eine weitere Konkurrenz für die schweren Dampfwagen.

    Annonce 17.8.1886 – Sächsischer Landesanzeiger

    Als Fortsetzung der bereits berichteten Unternehmungen finden im Juli 1886 wieder Probefahrten statt. Im August wirbt Michaelis mit einem ganz neuen Fahrplan für seine Touren, die am 17.August vor seinem Firmengelände Zschopauer Straße 60 beginnen. (1883 wurde die Zschopauer Str. umnummeriert – aus Nr.21 wurde die Nr.60). Haltepunkte sind jetzt die bekannten Ausflugsgaststätten landwärts bis zur Reichenhainer Flurgrenze.

    Ein 2.Nachweis zu regelmäßigen Fahrten in Chemnitz, über den auch die Presse wieder gebührend berichtet:

    „… verkehrt täglich ein Dampfomnibus, der nach Art der Pferdebahnwagen gebaut ist und Sitze für 16 Personen enthält, während noch 8 Personen auf dem Vorderperron stehen können….“

    Am 15.Oktober schreibt der Sächsische Landesanzeiger ergänzend: „… die Fahrten haben mitunter zur Folge, das die Pferde vorüberfahrender Geschirre scheu werden. Vorgestern konnte man bemerken, das beim Nahen des Dampfzuges ein Geschirrführer vorsichtig aus dem Wagen sprang und das Pferd kurz am Zügel hielt, dennoch scheute dasselbe dermaßen, das es den kräftigen Führer in die Höhe hob. Hätte derselben nicht so unerschrocken festgehalten, so wäre das Pferd ohne Zweifel mit dem Geschirre sammt Insassen durchgegangen. Dergleichen Vorkommnisse sind dem neuen Beförderungsmittel zwar nicht günstig, doch werden sich mit der Zeit die Pferde daran gewöhnen…. Im Übrigen ist zu bemerken, daß die Fahrten des Dampfomnibus vom Publikum sehr flott benutzt werden.“

    Schließlich 1887 erhält Hermann Michaelis auf Einladung des Dresdner Bankiers Quellmalz die Möglichkeit, sein neues Gefährt in der Landeshauptstadt vorzustellen. Am 5.Mai fand die Probefahrt auf der Strecke Waldschlösschen – Bautzener Straße – Mordgrundbrücke – Weißer Hirsch statt. Der neue Dampfbus schien geeignet, den Ausflugsverkehr zum höherliegenden Dresdner Kurviertel besser zu bewältigen. Das als Eisenbahnfrachtgut hierher beförderte Dampffahrzeug wurde heute früh 8 Uhr vom Leipziger Bahnhof nach dem Waldschlösschen gebracht. Um 10 Uhr fand die erste Fahrt auf der etwa 3 km langen 1:12 ansteigenden Chaussee Waldschlösschen – Weißer Hirsch statt. Der Dampfomnibus besetzt mit ungefähr 24 Herren, fuhr flott und leicht, ließ sich anscheinend schnell und gut lenken und konnte schnell und sicher gebremst werden. Etliche kleine Umstände, welche Fachleute rügten, wurden als leicht zu beseitigen erklärt. Wohl spitzten die dem neuen Transportmittel begegneten Pferde die Ohren über diese fremdartige ungewohnte Erscheinung, allein Alles ging glatt ab. Dem neuen Unternehmen widmete auch der Direktor der Straßenbahnen seine Aufmerksamkeit, welcher bei der Besichtigung anwesend war, weitere hohe Herren wohnten der Probefahrt bei…. Die Behörden bringen dem projektierten Unternehmen ihre volle Sympathie entgegen. Weitere, nicht minder stark besetzte Fahrten geladener Gäste fanden Nachmittags um 2 und 5 Uhr statt. Es wurde durchschnittlich die Fahrzeit, 17-20 Minuten, eingehalten.“

    Die einzigen beiden Fotos der Dampfwagen des Hermann Michaelis, aufgenommen 1887 in Dresden, rechts vorm Ausflugslokal „Weißen Hirsch“ – Quelle: Deutsches Museum München (AdöR)

    Am 25.Mai wurde der Betrieb für 3 Monate versuchsweise eröffnet. Doch das geplante Vorhaben stand unter keinem guten Stern. Schon der Eröffnungstag brachte den ersten Stillstand. Der Dampfomnibus hatte sich gerade 80m vom Waldschlösschen entfernt, als mit einem lauten Knall der Bolzen einer Feder zersprang. Die Insassen mußten wohl oder übel aussteigen und den Weg nach dem Weißen Hirsch unter dem Regenschirm zu Fuß zurücklegen. Am nächsten Tag sollte es weitergehen.

    Mitte Juni wird ein Fuhrwerksbesitzer bei einem Unfall nicht unerheblich verletzt, der Betrieb kurzfristig eingestellt. Und als eine von den königlichen Behörden unternommene Inspektion das Gefährt und den Führer nicht auf der Strecke vorfindet, wird die vorläufige Aussetzung der Fahrten angeordnet. Herr Michaelis versuchte die Unterbrechung anschließend zu erklären, jedoch konnte er die geforderten Ersatzführer für die Fahrten nicht einstellen.

    Am 24.Juni war der Besuch in Dresden wieder vorbei, der Michaelische Dampfomnibus wurde zum Schlesischen Bahnhof gebracht und per Eisenbahnwaggon abtransportiert.

    Annonce 1881 aus der Illustrierten Zeitung

    Auch andere Städte waren an den Dampfomnibussen interessiert. So lud der Plauener Oberbürgermeister Herrn Michaelis am 26.Mai 1887 ein, um eine angedachte Strecke in Plauen zu begehen. Michaelis hatte sich dazu bereit erklärt, wenn ihm auf 2 Jahre garantiert würde, das keine andere Verbindung hergestellt werde. Doch die Ratsherren schienen zögerlich gewesen zu sein, die Route kam nicht zu Stande. Im April 1889 wird von der Stadt Plauen noch einmal angefragt, ob Michaelis während des im Juli stattfindenden Mitteldeutschen Bundesschießens Probefahrten unternehmen wolle.

    Danach verlieren sich die Spuren und Aufzeichnungen zu den Dampfwagen und -Omnibussen.

    Dauerhaft erfolgreich konnten weder die Frachtwagen noch die Omnibusse von Michaelis werden. Die damaligen verkehrstechnischen Gegebenheiten mit Reitern, Kutschen, Fuhrwerken, Fahrrädern aller Art und Fußgängern waren für den Weiterbetrieb zu gefährlich. Das vorhandene Wege- und Straßensystem war zudem unzureichend ausgebaut, die schweren Dampfbusses hinterließen gerade bei schlechtem Wetter deutliche Spuren.

    1888 erwirbt H.Michaelis auf der Uferstraße ein Grundstück und errichtet dort sein neues Unternehmen. Der Umzug dahin erfolgt zum 31.März 1889.

    Daß der nachlassende Bedarf an dampfgetriebenen Fahrzeugen nicht der totale Bankrott für den Unternehmer war, verdankte er mehreren Eisen, die er im Feuer hatte, so u.a. der Anfertigung von Zahnrädern, Riemen- und Seilscheiben, Dampfmaschinen und Transmissionen. Sogar eine Eisengießerei konnte er sein eigen nennen, die zwar hauptsächlich firmeneigene Bedürfnisse befriedigte, aber auch kleinere Fremdaufträge annehmen konnte.

    Briefkopf der Firma Hermann Michaelis um 1900 (Sammlung J.Eichhorn)

    Sein bisheriger Teilhaber H.Julius Kluge scheidet am 30.April 1896 aus der Firma aus, ihm folgt sein Sohn Georg Heinrich Kluge, ebenfalls Kaufmann in Chemnitz, als Mitinhaber.

    Am 10.September 1911 stirbt Hermann Michaelis und wird mit einer Urnenbeisetzung auf dem neuen städtischen Friedhof beigesetzt. Die Firma wurde zunächst von seinen Söhnen Gustav Hermann M. und Franz Gustav M. eine zeitlang weitergeführt, doch 1919 gab die Firma Michaelis auf. Die Moll-Werke übernahmen als Nebenwerk das Betriebsgelände. Dennoch blieb der Industriekomplex an der Uferstraße bis zuletzt immer auf irgendeine Art dem Fahrzeugbau treu.

    Eine Spurensuche in heutiger Zeit nach alten Fabrikanlagen ist vergebens. Mittlerweile wurden alle Gebäude abgerissen, 2012 die letzten ihm zuzuordneten Anlagen an der Uferstraße.

    (Quellen: Sächsischer Landesanzeiger, Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote, Riesaer Elbeblatt und Anzeiger, Dresdner Nachrichten, Leipziger Tageblatt und Anzeiger, Wochenblatt für Zschopau, u.a. Adressbücher der Stadt Chemnitz alles zu finden unter SLUB-Dresden.de; Museumskurier 39/2017 des Industriemuseums Chemnitz, Chemnitzer Roland 01/2008; Journal Dampf und Heißluft Heft 4/2008 – Artikel von Dr.Ing. Heinrich Schmidt-Römer; Webseite: http://dampf-selbstfahrer.de)