Nicht immer bot der Chemnitzer Markt das friedvolle Bild unserer Tage.
Lernen wir ihn als den Ort der Strafvollziehung, als Gerichts- und Richtstätte kennen. Hier wurden die Gerichtsschranken aufgestellt, hier fielen jahrhundertelang Köpfe von Mördern, wurden Diebe hingerichtet, erhielten Falschmünzer und andere Bösewichte ihre gerechte Strafe.
Aber was ist dort wieder für ein Auflauf?
Viel Volk hat sich versammelt, um der Gertraud Pfau zuzuschauen, die den Prangerstein um den Markt trägt, weil sie – es ist im Jahre 1596 gewesen – „lose Worte gegen das Stadtgerichte gesprochen“. Und dann wieder, 1678, kehrt eine Bettelfrau mit angelegten Eisen strafweise den Markt, weil sie ein paar Schuhe gestohlen hat. Es wurden aber noch ganz andere Strafen verhängt als die eben Erwähnten. Manche Tortur erging über die Straffälligen. Sie standen am Pranger, Dirnen wurde eine Schandhaube aufgesetzt, zänkischen Weiber mußten Büttelflaschen tragen oder es wurde ihnen ein Stehkragen verpasst.
In der Vergangenheit wurden hier auch Todesstrafen – Enthaupten, Erhängen – zur Abschreckung vor aller Augen vollzogen.
Die Hinrichtung durch das Schwert erfolgte vor den Ratsstubenfenstern des heutigen Alten Rathauses. Dazu wurden Schranken aufgerichtet, innerhalb derer das „hochnothpeinliche Halsgericht“ zum Vollzug kam. Auftakt bildete das Läuten der Armen-Sünder-Glocke der Jakobikirche. Auf dieses Signal begab sich das Stadtgericht in die Schranken, um die die bewaffnete Bürgerwehr Aufstellung genommen hatte. Danach wurde der Delinquent durch eine bewaffnete Abteilung aus der Stadtfronfeste in Begleitung eines Geistlichen herangeführt und ihm das Urteil verkündet.
Der Stadtrichter brach nach alter Sitte über ihn den Stab und übergab den Verurteilten dem Scharfrichter. Dieser verband ihm die Augen, ließ ihn sich auf einen Stuhl setzen, machte den Hals frei und beförderte ihn dann mit dem Schwert vom Leben zum Tode, „wobei er seine Geschicklichkeit durch einen Hieb bewies“. Danach wurde der Enthauptete in einen bereitstehenden Sarg gepackt und dieser auf den Friedhof der Jakobikirche geschafft. Zu den Hinrichtungen versammelte sich stets „viel Volk“ auf dem Markt.
In der geschilderten Art und Weise wurden am 15. September 1545 zwei Landsknechte auf dem Markt enthauptet, weil sie sich gegen ihren vorgesetzten Hauptmann aufgelehnt hatten. Im gleichen Jahr, wie uns die Stadtgeschichte berichtet, wurde eine Frau enthauptet, oder „dekollieret“, weil sie ihr Kind ermordet hatte, mußte im Jahre 1562 der Marktmeister sein Leben auf gleicher Weise lassen, „weil er 12 Jahre lang mit 2 Weibern in der Ehe gelebte“….
Am 20.Mai 1614 starb Georg Ulrich Pfefferkorn unter dem Schwert, „welcher anno 1609 George Schönickeln zu Prage ermordete“. 1685 traf es einen Falschmünzer. Eine Kindesmörderin büßte am 6.Februar 1737 ihre schreckliche Tat mit der Enthauptung auf dem Markt. Am 3. März 1752 wurde ein 23-jähriger Primaner des Lyceums enthauptet, weil er einen 11-jährigen Mitschüler „auf den Kaßbergfeldern die Kehle durchgeschnitten“ hatte. Noch im Jahre 1807 wurde ein Mann mit dem Schwerte „vom Leben zum Tode gebracht“, weil er einen Verwandten vergiftet hatte. Das war vermutlich die letzte öffentliche Enthauptung in Chemnitz.
In besonderer Weise mußten die Marktplätze dem Militär als Richtstätte dienen. Der hölzerne Winkelgalgen mit dem Arm Richtung Holzmarkt (heute Rosenhof) war 1632 gegenüber dem Rathaus als Vollzugseinrichtung der Militärgerichtsbarkeit errichtet worden. Erstmals am 27.August dieses Jahres wurde ein Mordbrenner aus dem Soldatenstand daran gehenkt.
Am Stamm des Galgens waren Blechschilder mit den Namen von Deserteuren angebracht. Nach erfolgter Hinrichtung wurde das jeweilige Blechschild als „erledigt“ wieder abgenommen. Die Leichen der Hingerichteten hingen stets bis Sonnenuntergang und wurden erst danach auf einem Platz an der Annaberger Straße verscharrt, der auf dem Terrain des heutigen Wirkbau-Industrieparks gelegen war.
Beispiele für die Vollstreckung der Galgenstrafe ließen sich leicht in größerer Zahl erbringen. Aber statt viele nur diese Drei, die kurz und bündig heißen: „1633 den 19.Januar ward ein schottländischer Deserteur auf dem Markt gehenkt“, „1685 den 23.November wurde ein Dragoner auf dem hiesigen Markte am Schnellgalgen gehängt weil er Pferde gestohlen“ und „1722 – ein Sergeant vom Fitznerischen Regiment wurde an der Soldatenjustiz gehangen, weil er einen Soldaten erstochen“.
Übrigens wurde der Militärgalgen auch gleich von den Preußen benutzt, die an ihm drei sächsische Grenadiere, die bei ihnen desertiert waren, am 11.Juni 1757 hinrichteten. Zudem wurde ein Unteroffizier als Anstifter gerädert und aufs Rad geflochten, nachdem ihm vorher die Zunge aus dem Hals geschnitten war.
Dabei soll es für die Bewohner „ein großes Ergötzen“ gewesen sein, die Opfer „vor den Fenstern baumeln zu sehen“.
Dennoch wurde der Militärgalgen für die Bürgerschaft insgesamt ob seines schrecklichen Anblicks an stadtzentralem Orte zunehmend zum Ärgernis.
Im langwierigen und zähen Streit mit den Militär- und Regierungsbehörden erreichte es die Stadt schließlich, dass der Galgen am 31.März 1765 auf den Topfmarkt, den heutigen Neumarkt, umgesetzt wurde. Als am 1.April diese sogenannte Justiz bestätigt worden war, erhielt sie als erste Zierde den Namen eines desertierten Unteroffiziers. Bis 1791 stand der Galgen auf dem Topfmarkt, ehe er abgerissen wurde.
Hier in unmittelbarer Nähe des alten Gewandhauses waren auch der hölzerne Esel und der Pfahl aufgestellt, auf und an dem Soldaten als abschreckende Beispiele zur Schau gestellt wurden, gleich wie auf dem Prangerstein des Alten Rathauses Bürgersleute dem Gespött Vorübergehender preisgegeben wurden, wenn sie vielleicht Lästerreden getrieben hatten; und endlich mußten hier auf dem Markt, Soldaten „Gasse“ oder Spießruten laufen, wenn sie sich ein Vergehen hatten zu schulden kommen lassen.
1722 mußte so ein Soldat 12 mal durch 200 Mann Gassen laufen, weil er „aus der Sakristei der Johanniskirche 2 Gesangbücher gestohlen hatte“. 1757 wurde 7 aufständische Soldaten zu 24 Gängen, ein jeder durch 200 Mann, verurteilt. Und das diese Strafen nicht glimpflich ausgingen, können wir uns natürlich vorstellen.
Glücklicherweise gehören heutzutage solche drakonische Strafen der Vergangenheit an, obwohl leider die aktuelle Rechtsprechung einen Einblick in die Frühere gut vertragen könnte. Damit Straftäter auch so verurteilt werden, wie sie es verdient haben und sich nicht hinter schwammigen Gesetzestexten und durch Berufungen ihrer gerechten Strafe entziehen können, wie wir es tagtäglich erleben.
(Quellen: Bericht von W.Bausch, Oktober 2002 im Cityjournal; Chronik der Stadt Chemnitz und Umgebung, Julius Pinther – 1855; Chronik der Stadt Chemnitz nach Urkunden und gedruckten Schriftwerken, Carl Lehmann – 1843; „Das neue Chemnitz“ – Sonderbeilage des Chemnitzer Tageblattes zur Einweihung des neuen Rathauses – 1911; u.a.)