Ein paar Monate noch, da wird die Sehnsucht nach frischem Grün, nach knospenden, blühenden Rosen für den Chemnitzer wieder Erfüllung finden. Im Rosengarten des Stadtparks, dem Rosarium, werden dann wieder hoffentlich viele Stöcke der Blumenkönigin ihren Duft verströmen.
1904, nachdem man die Begradigung des Chemnitzflusses fortgesetzt hatte, wurde nach Plänen des Chemnitzer Gartenbaudirektors Otto Werner, dem bestehenden Stadtpark ein streng regelmäßig angeordneter Rosengarten angefügt, der auch heute noch – nicht nur zur Rosenblüte – einen besonderen Anziehungspunkt der Besucher des Stadtparkes bildet.
1913 wurde eine, von dem Berliner Bildhauer Arthur Lewin-Funcke 1906 geschaffene 113 cm hohe Bronzeplastik – die Sandalenbinderin – von der Stadt angekauft und vor dem König-Albert-Museum am Theaterplatz aufgestellt.
Im Bestandskatalog der Kunstsammlungen Chemnitz heißt es zur künstlerischen Gestaltung: „Der Berliner Bildhauer Arthur Lewin-Funcke setzt sich in der Sandalenbinderin mit einem klassischen Motiv der Antike auseinander. Die Junge schlanke Frau beugt sich zu dem leicht angewinkelten linken Bein hinab, um die Bänder der Sandale zu schnüren. Dem Bildhauer geht es hierbei vorrangig um die Darstellung eines Haltungsmotivs. Die Linie, die sich von dem angehobenen linken Fuß über die Beugung des Körpers, den geneigten Kopf und die schlanken Arme zu einem eleganten Bogen schließt, entspricht in ihrem floralen Schwung den Formvorstellungen des Jugendstils. Diese schönlinige Kontur findet sich in allen Ansichten der Sandalenbinderin wieder, was deutlich macht, dass die Bronze für eine freistehende Aufstellung gedacht war. In der Darstellung des Kopfes entfernt sich der Künstler vorn antiken Vorbild und gibt dem Akt einen zeitgenössischen Kontext.“
Lange Zeit schmückte die Sandalenbinderin den Vorgarten an der Ostseite des Museums. Sie mußte schließlich der geplanten Umsetzung des versteinerten Waldes an die Front des Museums weichen.
In den Jahren 1927/28, nachdem der über 20 Jahre alte Rosenbestand an Blühwilligkeit eingebüßt hatte, wurde die ganze Anlage des Rosariums unter Verwendung auch neuerer Rosenzüchtungen neu bepflanzt. Neuer Mittelpunkt wurde die Figur der Sandalenbinderin, die man 1931 an diesen Standort versetzte. Die Postkartenansichten zeigen sie als beliebtes Fotomotiv.
Bis 1941 zierte sie dieses Stadtparkareal. Ihr widerfuhr aber dasselbe Schicksal wie manch anderer Bronzeplastik. Im Zuge der Metallspende wurde sie, wie die Figuren des Saxoniabrunnens auf dem ehemaligen Roßmarkt und die Büste des Vater-August-Denkmals, abgegeben und für Kriegszwecke eingeschmolzen.
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Stadtpark auch in Mitleidenschaft gezogen. Mühsam wurde an der Wiederherstellung, auch des Rosariums gearbeitet. Seit Mitte der 80er ziert die von Harald Stephan geschaffene Bronzeplastik „Junge Frau“ die Anlagen, die an der Stelle der Sandalenbinderin steht. Drohnenaufnahmen dazu finden sie hier dazu.
Den Kunstsammlungen gelang es 1988, ein 2.Skulptur der Sandalenbinderin von der Kunst- und Antiquitäten GmbH Berlin zu erwerben. Wahrscheinlich handelt es sich um das laut Werkbuch des Künstlers im April 1916 gegossene und damals an Dr. Spindler (Berlin Grunewald), verkaufte Exemplar. Ein weiterer lebensgroßer Bronzeguss befindet sich im Foyer des Bürgersaals im Rathaus Berlin-Zehlendorf.
Vielleicht finden Sie durch diesen Beitrag Anregung, sich die Figur einmal selbst in Natura bei einem Besuch der Kunstsammlungen auf dem Theaterplatz anzuschauen.
(Quellen u.a.: Buch „Dt. Städtebau- Chemnitz“, 1929; Bestandskatalog „Plastiken, Skulpturen, Objekte“ der Kunstsammlungen Chemnitz, 2018; u.a.)