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Gedanken zum 5.März

    Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je, auf die schrecklichen Ereignisse vor 77 Jahren noch einmal hinzuweisen, und den Menschen in Erinnerung zu bringen.

    Poststraße mit Blick zum Johannisplatz

    Eine Kommentation der derzeitigen Geschehnisse in Osteuropa möchte ich an dieser Stelle nicht darlegen, denn diese sind nicht zufällig, sondern von langer Hand vorbereitet.

    Genauso wie die Vernichtung der Stadt Chemnitz durch britische und amerikanische Bomberverbände zum Ende des 2. Weltkrieges. Sie war nicht eine Begleiterscheinung zur Zerstörung der kriegswichtigen Rüstungsindustrie, der Transport-, Versorgungs- und Kommunikationsanlagen, sondern seit 1942 Ziel der alliierten Luftkriegsplanungen. Die dichte Bebauung mit einer Mischung aus Industrie- und Wohnanlagen, mit naheliegenden Industriegebieten, mit einer kompakten Infrastruktur wurde in den Vorbereitungen als lohnendes Ziel für einen schweren Flächenangriff ausgewiesen.

    In meinem Beitrag „1945 – der fünfte März“ habe ich bereits vor 2 Jahren einen Augenzeugenbericht aus meiner Familie zu dem Erlebten wiedergegeben.

    Reste der Paulikirche am Getreidemarkt

    Der leider verstorbene Türmer Stefan Weber beschreibt die Angriffe auf die Stadt ausdrucksvoll: „Bis zum Frühjahr 1944 kannten die Menschen in Chemnitz Luftangriffe auf deutsche Städte nur aus den Wochenschauen. Die ersten Luftangriffe auf Chemnitz und seine Vororte fanden im Mai 1944 statt, Rottluff und Rabenstein, Siegmar und Schönau bekamen die Folgen der Bombardements zu spüren. Am 6. Februar 1945 erfolgte ein schwerer Luftangriff, bei dem es das Küchwald- und Schloßviertel, den Kaßberg, Ebersdorf und Hilbersdorf traf. Am 14. Februar gab es Angriffe auf Siegmar-Schönau, auf Altchemnitz, Reichenhain, Erfenschlag und Einsiedel. Am 2. und 3. März wurde die Stadt von weiteren Fliegerangriffen heimgesucht, die größte Katastrophe stand Chemnitz jedoch noch bevor.
    Der Angriff am 5. März 1945. Bereits zwischen 9:45 und 12:10 Uhr flogen amerikanische Flugzeuge wie üblich ihren Tagesangriff. Es folgte die grauenvolle Nacht zum 6. März 1945. Eine kalter Tag neigte sich dem Ende. Es hatte geschneit und eine weiße Schneedecke lag über der Stadt.
    Gegen 20:20 Uhr wurde Großalarm ausgelöst und die Sirenen dröhnten in allen Stadtteilen. Der englische Rundfunk hatte um 20:00 Uhr bekanntgegeben: 900 Flugzeuge starten zum Großangriff auf Chemnitz. Einzelne Flugzeuge warfen zuerst Leuchtbomben, sogenannte „Christbäume“ ab, um das zu bombardierende Areal zu markieren. Ca. 21:30 Uhr brach dann über Chemnitz die Hölle herein. Die Luft war erfüllt von ununterbrochenem Motorenlärm, die Bomber warfen ihre todbringende Ladung über der Stadt ab – Luftminen, Spreng- und Stabbrandbomben – die Erde bebte, Häuser brannten, stürzten ein und Menschen irrten schutzsuchend umher. Dieses Inferno dauerte bis Mitternacht an, die Bomberverbände zogen ab, innerhalb weniger Stunden waren 80 % der Innenstadt vernichtet.“

    Augustusburger Straße stadteinwärts geblickt

    Über 2.100 Todesopfer waren allein in dieser Nacht zu beklagen. 8 Quadratkilometer bebaute Fläche wurde völlig zerstört, im Innenstadtring war so gut wie kein Haus unbeschädigt, 1/4 des Gesamtbestandes an Wohnungen, 84 von 400 öffentlichen Gebäuden wurden zerstört. Alle Theater und sieben Kirchen waren zu Ruinen geworden, fast alle Schulen wurden beschädigt, die Stadtbücherei mit über 60.000 Büchern und Dokumenten war zu Schutt und Asche geworden.
    Viele weitere vor dem 2. Weltkrieg vorhandene bauliche Zeitzeugen wurden vernichtet. Zu nennen sind u.a. die alten Bürgerhäuser am Neu-, Holz-und Roßmarkt, wie der Römische Kaiser , das Marktgässchen als gut frequentierte Einkaufszone oder die prächtige Bebauung am Beckerplatz (das Alte Rathaus), dem Johannisplatz (Schellenberger) und der Theaterstraße.

    zerstörtes Marktgässchen

    Der vordere Kaßberg ebenso betroffen, fast 1/3 der Gebäude wurden zerstört. Das Gebiet bis zum Theaterplatz, von der Friedrich- bis zur Waisenstraße, nur wenige Häuser blieben erhalten. Sie wurden schließlich im Zuge der sozialistisch geprägten Neubebauung der Innenstadt Ende der 60er Jahre abgerissen. Viele weitere Stadtteile und Gebiete könnte ich hier aufzählen, meine Berichte über einzelne Gebäude und Anlagen spiegeln diese Zerstörungen auch in ihren Abhandlungen wieder. Große Wunden, die der Krieg der Stadt zugefügt hat, sehen wir teilweise heute noch.
    Nüchterne Bilanz dieser Bombenangriffe im 2. Weltkrieg: Nahezu 4.000 Menschen kamen um, 100.000 wurden obdachlos, von den 110.000 Wohnungen wurden 72.000 entweder total zerstört oder schwer beschädigt. 167 Fabriken zerstört, die übrig gebliebenen wurden zu Reparationszwecken geplündert etc.

    Und das alles, weil sich die Alliierten bereits darüber vorab einig waren, die Aufteilung Deutschlands und die Machtverteilung in Europa geplant und beschlossen war.
    Wenn wir jetzt auf unser Denken und Handeln achten, können wir dieses in der heutigen Zeit verhindern. Es wird einem schon mulmig, wenn man hört, wie hilflos wir im Verteidigungsfall dastehen. Keiner weiß, wie sich dieser Krieg entwickelt, aber eines ist bereits jetzt bekannt: Der kleine Mann, wie du und ich, werden für die horrenden Kosten aufkommen müssen. Wie schon 1945 und in den Jahren danach…

    (Quellen: u.a. das Buch „Bomben auf Chemnitz. Die Stadt im Spiegel von Luftbildern der Westalliierten“ von Uwe Fiedler (Verlag Heimatland Sachsen GmbH Chemnitz; Bericht von W. Bausch „Eine Zeitreise durch Chemnitz“, VS-Aktuell Heft 01/2016, u.a. Zeitzeugenberichte)