In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm in Chemnitz die industrielle Bierherstellung ihren Anfang, wobei die neuentstehenden Brauereien aus der unmittelbaren Stadt in die Vorstädte verlagert wurden. Den Anfang machte Conrad Heinrich Weber, Gastwirt und Braumeister, als er 1856 in Hilbersdorf die Waldschlößchen-Brauerei errichtete. Es folgten 1857 die „Actien-Lagerbier-Brauerei zu Schloß Chemnitz“, deren einprägsames Logo ein Mönch zierte, der einem Storch im Nest einen schäumenden Bierkrug reichte, und 1864 die Einweihung der Bergschlößchen-Brauerei an der Zschopauer Straße 184.
Im Jahr 1868 gründete der Landwirt Friedrich August Kupfer im kleinen Chemnitzer Vorort Kappel die Feldschlößchen-Brauerei, wo noch im selben Jahr das erste Lagerbier gebraut und verkauft wurde. In dieser dynamischen Zeit entstand auch die Germania-Brauerei in Gablenz, deren Geschichte ich hier näher beleuchte.
Am 15. August 1868 legte Gustav Adolf Günther, Pächter der Lehngerichtsbrauerei in Euba, den Grundstein zur ersten Brauerei im damaligen Vorort Gablenz, Ortslistennummer 55B. Das erste Bier wurde am 7. Juli 1869 hergestellt.
1875 ging das Anwesen durch Kauf an Herrn Karl Franz Theodor Rost aus Altchemnitz über, von dem es Max Hering im Dezember 1881 erwarb. Am 10. November 1882 wurde die Firma „Max Hering“ in Gablenz unter Fol. 297 ins Handelsregister eingetragen. Hering modernisierte und vergrößerte unablässig seinen Betrieb. So führte er sofort den Maschinenbetrieb ein, ließ, da auch das Wasser im Adelsberger Quellgebiet nicht ausreichte, einen 110 Meter tiefen Brunnen bohren und legte große Kellereien an. Dank dieser Maßnahmen vergrößerte sich das Absatzgebiet der Brauerei, die bald als „Germania-Brauerei“ bekannt werden sollte, von Jahr zu Jahr.
1893 lautete die Post-Adresse der Brauerei Gablenz, Hauptstraße 151. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts trat Herings Sohn Maximilian in Erscheinung und wurde vermutlich in diesem Jahr neuer Eigentümer. Am 4. April 1900 ließen die Inhaber die Änderung der Firmenbezeichnung in „Germania-Brauerei Max Hering“ ins Handelsregister eintragen – ein neuer Markenname war geboren, unter dem fortan ein breitgefächertes Biersortiment vertrieben wurde.
Mit der Eingemeindung von Gablenz am 1. April 1900 erhielt das Grundstück die Adresse Oststraße 301.
Maximilian Hering war nicht nur ein fähiger Brauer, sondern auch engagiert: 1903 finden wir ihn als Beigeordneten in der Brauerei- und Mälzerei-Berufsgenossenschaft. Er entwickelte stetig neue Bierspezialitäten. Neben Einfachbier licht und dunkel, Lagerbier, Böhmischbier, Bairischbier, Bockbier und Weißbier bot er sogar Champagner-Weißbier an. Und er tüftelte weiter, um auf den hart umkämpften Chemnitzer Biermarkt – in der Stadt sind am Anfang des Jahrhunderts 10 Firmen am brauen – bestehen zu können.
Die Germania-Brauerei war auch vom Bierkrieg 1906 betroffen. Von sozialdemokratischer Seite einberufene Volksversammlungen riefen zum Boykott gegen die im Chemnitzer Brauring vereinigten Betriebe auf. Grund hierfür war die beschlossene Erhöhung der Bierpreise aufgrund hoher Rohstoff-Einkaufspreise, welche die Brauereien an die Konsumenten weitergeben wollten. Erst nach Monaten konnte eine Einigung erzielt werden.
1911 meldete Hering zwei seiner neuen Produkte, „Qualitator“ und „Malzkrone“, beim Patentamt an und ließ beide als Warenzeichen schützen.
Zu Beginn des Jahres 1914 wurde der Brauereibesitzer Maximilian Hering bei einer Neuwahl erstmals in den Kreis der Stadtverordneten aufgenommen. Im selben Jahr erwarb er auch das bekannte „Gasthaus zur Krone“ an der Oststraße 139, das bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges im Besitz der Familie blieb.
Am 18. Mai 1925 nahm Hering seinen Büroleiter Heinrich Friedrich Otto Deppe als Prokurist in die Firma auf, die Funktion hatte er auch bis Kriegsende 1945 inne. Dippe selbst wohnte seit 1921 in der „Krone“. Wie hier die Zusammenhänge liegen, bleibt derzeit offen.
Max Hering Sen. verstarb am 26. März 1940. Seine Söhne Kurt und Max Jun. führten die Geschäfte so gut wie möglich und trotz der kriegsbedingten Versorgungsmängel an Rohstoffen fort.
Die meisten der einstigen Brauereien existieren heute aus den verschiedensten Gründen nicht mehr. Im Sommer 1946 wurden die verbliebenen Chemnitzer Brauereien enteignet bzw. zu Beginn der 1960er als Betriebe mit staatlicher Beteiligung in den VEB Getränkekombinat Karl-Marx-Stadt umgewandelt. Das Bierbrauen selber wurde in Gablenz (seit ca. 1950 postalisch Augustusburger Str. 329) Ende der 1970er Jahre eingestellt. Viele Chemnitzer erinnerten sich wehmütig daran, als es plötzlich das besonders beliebte Doppel Caramel Bier nicht mehr gab. Noch im Telefonbuch von 1987 ist ein Produktionsbereich des besagten Getränkekombinats unter der Adresse vermerkt. Es wird vermutet, dass dort bis zur Wende alkoholfreie Getränke produziert und abgefüllt wurden.
Danach wurde das Grundstück als vielfältiges Gewerbeobjekt weitergenutzt. Seit 2015 versuchte Michael Friedrich – bis dato Wirt von Karls Brauhaus an der Brückenstraße – mit seiner Stonewood-Braumanufaktur die alten Brauereigemäuer wiederzubeleben. Er lies neue, größere Braukessel aufstellen und schon bald war der ersten Sud für seine edlen Gerstensäfte angesetzt. Kunden sind Groß- und Einzelhändler, die seine Bierspezialitäten schätzen, auch bietet er Brauseminare an.
Im Frühjahr 2025 folgte schließlich der Umzug nach Claußnitz, wo er in kleinerem Rahmen seine Manufaktur weiterbetreibt.
(Quellen: Artikel von W. Bausch in der FP 2003; Adressbücher der Vororte und der Stadt Chemnitz zu finden unter SLUB-Dresden.de u.a.; Einträge im Reichsanzeiger u.a.)