Gleich nachdem man 1498 am Chemnitzer Markt mit dem steinernen Aufbau des Rathauses fertig wurde, begann man noch im selben Jahr mit dem Bau des Zeug- und Gewandhauses, auch Kauf- oder Tanzhaus genannt, ebenfalls steingemauert, zwischen den Lauben am Marktplatz und dem alten Topfmarkt. Den Namen erhielt es von seiner Bestimmung, zum Feilhalten der Tuche und sogenannten Zeuge, einer Art Gewebe, teils aus Wolle allein, teils aus Wolle und Leinen zusammen. Auch spricht man davon, das in diesen Häusern, die es fast in jeder größeren deutschen Stadt gab, Waren für die Herstellung menschlicher Gewandung (Bekleidung) gehandelt wurden, darauf zurückzuführen der Begriff Gewandhaus. Und weil es zugleich für öffentlichen Tanz und andere Belustigungen bestimmt war, erhielt es auch den beiläufig den Namen Tanzhaus.
Im Jahre 1500 wurde das mit einem vorstoßenden, staffelartigen, steinernen Giebel versehene Gewandhaus fertig. Es war genau in Flucht zum Rathaus 3 Geschoße hoch, mit 72 Ellen (82,30m) Länge und 21 Ellen Tiefe (24m) errichtet worden und galt seiner Zeit als größtes Gebäude der Stadt. Zur Marktseite hin waren zudem unterwölbte Bogengänge, sogenannte Laubengänge vorhanden, mit denen man eine harmonische Verbindung zur Rathausfront geschaffen hatte.
Im Erdgeschoß waren die öffentlichen Fleischbänke untergebracht, wo die Fleischer an Markttagen angehalten wurden, ihr Fleisch zur Taxe und zum Verkauf auszulegen. Die andere Seite wurde als Abstellplatz für die Marktbuden und für allerlei Heergerät, das man im Verteidigungsfall benötigte, genutzt.
Im Schmalkaldischen Krieg 1548/49 waren so die aus Dresden angefahrenen Geschütze und Waffen untergebracht. Aber auch die städtische Feuerwehrspritzen und die Gerätschaften zur Brandbekämpfung dazu standen hier in einem separaten Abteil gut und sicher. Im Obergeschoß legten die Händler zu Markttagen ihre Ware aus, später kamen noch die Kürschner (Pelzboden) und Schusterstände dazu. 1598 waren bereits erste Ausbesserungen notwendig und 1671 die vorderen Bögen des Gewandhauses so baufällig geworden, das eine Reparatur von Grund aus dringend nötig erschien. Am 3. Juli nahm unter der Leitung des hiesigen Maurermeisters Mich. Bilz das Werk seinen Anfang. Man hatte aber wegen Absteifung des hohen Gebäudes mit nicht geringen Schwierigkeiten und sogar mit großen Gefahren zu kämpfen. Deshalb wurde nach Sitte damaliger Zeit in der Kirche um göttlichen Schutz bei diesen Arbeiten gebeten. Und die gefährliche Ausbesserung, in dem auch der steinerne Giebel und die Gewölbe an den Fleischbänken mächtige Risse bekommen hatten, wurde ohne Unglück zu Stande gebracht.
Doch die intensive Nutzung des Gebäudes jedweder Art, bekam dem alten Gewandhaus nicht. 1826 wurde es, wie geschrieben wird, im ruinösen Zustand abgerissen. Erst das Dach, dann das sämtliche Mauer- und Holzwerk, bis auf die Grundmauern wurden die Gebäudereste entfernt. Der Topfmarkt wurde nie wieder bebaut, erst als Neumarkt zum Ende des 19. Jahrhunderts erkennen wir in alten Ansichten eine neue Platzgestaltung mit Bäumen und Brunnen.
Wer heute am Jacobikirchplatz die Rückseite des Rathauses betrachtet, findet ein ähnlich gestaltetes Fassadendetail als Reminiszens an das frühere Gewandhaus, bei der Errichtung des neuen Rathauses 1907-1911 eingearbeitet.
Quellen: Chemnitz wie es war und wie es ist , von C.G. Kretschmar – 1822 – übrigens auch Herausgeber der ersten Chemnitzer Zeitung; Chronik der Stadt Chemnitz von Carl Lehmann – 1843; Der Türmer von Chemnitz 1938; Die Türme der Stadt Chemnitz, St.Weber u. J.Richter, Verlag Heimatland Sachsen 2007)