Wenn wir heute einen Einkaufsbummel in das Chemnitzer Stadtzentrum unternehmen, diesen vielleicht mit einem Arzttermin und einem Café- oder Restaurantbesuch verbinden, können wir es uns kaum noch vorstellen, welch reges Treiben es vor dem 2.Weltkrieg an dieser Stelle gab.
Viele Einzelhändler, Restaurants und auch Kinos – Etablissements wie die Kammer-Lichtspiele und den Römischen Kaiser habe ich bereits vorgestellt – säumten dem Marktplatz. Dazwischen war auch das
Sportgeschäft von Moritz Wagner
am Markt 11 zu finden, das ich heute kurz vorstellen möchte.
Eine beliebte Einkaufsstraße war im 19. Jahrhundert die Langestraße. Es war die große Zeit der kleinen Kaufleute. Dort fand man neben altbekannten Herbergen – wie das Gasthaus „3 Schwanen“ und dem „Rothen Hirsch“, ein breitgefächertes Angebot des Einzelhandels.
Neben Kolonialwarenhandlungen, Wein- und Spirituosengeschäften, Frisör, Gemüsegeschäften, Drogerien, Kurzwaren- und Textilgeschäften eröffnete am 1. April 1874 Heinrich Moritz Wagner ein Galanterie- und Herrenartikelgeschäft in der Langestraße 16. Dieses Gebäude befand sich kurz nach der Einmündung der Chemnitzer Straße auf der rechten Seite, wenn wir der Nummerierung vom Falkeplaz beginnend, folgen.
Schon nach einem Jahrzehnt erwiesen sich die Räume zu klein und es glückte, das Grundstück Markt 11 zu erwerben, welches nach einem vollkommenen Umbau des Vorderhauses am 1.Oktober 1886 bezogen wurde.
Damit wurde in bester Lage ein Standort gefunden, direkt neben der altbekannten Drogerie von Otto H. Kratzsch, und das Geschäft nahm einen lebhaften Aufschwung. Weitere Vergrößerungen folgten, 1891 wurde ein Seitenflügel gebaut und für Geschäftszwecke benutzt, 1911 das gesamte große 1. Stockwerk für Verkaufs- und Lagerzwecke eingerichtet.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die deutsche Sportbewegung mächtig erstarkt und die große Nachfrage nach gutem Sportgerät und Sportbekleidung setzte ein. Die Firma löste deshalb ihre Herrenartikelabteilung auf und gründete eine vorzügliche Sportabteilung, die immer weiter ausgebaut wurde.
Auch die Ausstattung der Automobilisten, der Ski- und Bergsport rückte mehr und mehr in den Fokus des Sortiments.
In ihren schönen modernen Räumen bot die Firma ihren Kunden das Beste an Lederwaren, Sportgeräte und Sportbekleidung an. Egal ob Fußballer, Tennisspieler oder Hockeyenthusiasten, sich dort für Reise und Sport auszustatten, war für Tausende von Chemnitzer Familien Tradition geworden, denn ein Motto der Zeit lautete: bei WAGNER kaufen heißt gut kaufen!
Zeitgenössische Werbung des Sportgeschäftes aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts
Bis zum 2.Weltkrieg galt die Firma Moritz Wagner als solides und empfehlenswertes Geschäft am Chemnitzer Markt, bis durch die Bombardierung fast alle Geschäfte, auch das Wagnersche, völlig zerstört wurden.
Mit dem Ende des 2. Weltkrieges war fast nichts mehr von dem ehemals dicht besiedelten Chemnitzer Stadtzentrum übrig geblieben. In einem notdürftig reparierten und nutzbar gemachten Gebäude, die Langestraße 15, wurde noch einmal mit einem Sportartikelgeschäft ein Neuanfang versucht.
Im Sachsenbuch 1948 findet man den letzten Eintrag zum Geschäft. Im Zuge der Neuplanung des Stadtzentrums mußten Mitte der 50er auch diese letzten Vorkriegsgebäude Platz machen. Heute finden wir das Wohngebiet um den Rosenhof an dieser Stelle.
(Quellen: Artikel aus „Jubiläumsfirmen des Handelskammerbezirkes Chemnitz“ von 1929 – Scan von Mike Hähle, Chemnitzer Adressbücher; u.a.)