Zum Inhalt springen

Vom Arbeitersportlerheim zum Schullandheim

    Im Beitrag über das Luftbad im Küchwald bin ich auf die Entstehung der Anlagen bereits eingegangen. Der Arbeiterturnverein konnte die finanziellen Belastungen, die durch den Bau des Turnerheims im Küchwald und anderer Freizeiteinrichtungen entstanden waren, nicht mehr tragen und musste sich nach dem Konkursverfahren Ende 1931 von diesen Immobilien trennen.

    Vor dem Hintergrund des politischen Durchbruchs der NSDAP bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 und der anhaltenden Weltwirtschaftskrise entwickelte sich die Sturmabteilung (SA) bis Anfang 1933 zu einer schnell wachsenden Massenorganisation mit weit über 400.000 Mitgliedern. Natürlich hatte sie auch in Chemnitz Sympathisanten, die ein Heim für ihre vorwiegend jugendlichen Mitglieder zur politischen Bildung, körperliche Ertüchtigung und gemeinsamer Freizeitgestaltung suchte und es im Küchwald fand.

    Im Juli 1933 wurde das von Standartenführer Winzer geleitete SA-Heim im Küchwald bei einem Besuch des SA-Stabschefs Röhm mit anderen hohen Offizieren besichtigt. Der dort untergebrachte Kursus, der vor allem den Nachwuchs für die spätere politische Laufbahn rekrutierte, zeigte, was er gelernt hatte, und Röhm äußerte sich anerkennend über das Gesehene.

    1937 reiften erste Pläne, das Heim zu einer großen Jugendherberge auszubauen, da die Chemnitzer Jugendherberge in der Dresdner Str. den Anforderungen nicht mehr genügte. Sie wurden 1938 mit Unterstützung des Chemnitzer Oberbürgermeisters Schmidt konkretisiert und sahen eine Anlage mit 200 Betten, 100 Notlagern, Sportplatz und Turnhalle vor. Im Mai 1939 wurde dann die Jugendherberge an den Küchwaldring verlegt, die Pläne zur Erweiterung jedoch noch nicht umgesetzt. Am 2. September 1939 lesen wir wieder von der großzügig geplanten Jugendherberge: „An das Hauptgebäude werden sich ein Seitenflügel und eine Turnhalle mit Kleinkaliberstand anschließen, die durch einen überdachten Gang mit dem Hauptgebäude verbunden sind. Zwei Tagungsräume, Lese- und Schreibzimmer, Schulungsraum, eine Großküche für die Verpflegung von 500 Personen und Schlafräumen mit insgesamt 324 Betten sind vorgesehen. Voraussichtlich wird die Jugendherberge im Jahre 1940 errichtet werden.“ Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges machte diese Illusion zunichte.

    1943 findet sich ein weiterer Hinweis auf die Nutzung. Der sächsische Gauleiter Mutschmann besuchte mit anderen Funktionären die seit Herbst 1941 bestehende Chemnitzer Vorstudienanstalt des Langemarck-Studiums der Reichsstudentenführung. Er besichtigte das schöne „Haus am Küchwald“, das dem Langemarck-Studium auf Initiative des Oberbürgermeisters Schmidt und des Kreisleiters Schöne zur Verfügung gestellt worden war. Er lobte die Einrichtungen, die fachliche Ausbildung und die politische Erziehung in diesem „geistigen Rüstungsbetrieb“… Aus der Jugendherberge war ein Ausleselager, eine Kaderschmiede geworden. Wie lange sie existierte, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. In den letzten Monaten des 2. Weltkrieges soll das Gebäude als Lazarett gedient haben.

    Station Junge Touristen

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das gut erhaltene Gebäude der im März 1946 gegründeten Freien Deutschen Jugend (FDJ) übergeben. 30.000 Mark waren im städtischen Aufbauplan 1946 bereits vorgesehen, das Haus mit Unterstützung der SED zu einem zentralem Jugendklubheim auszubauen. Die Kaderschmiede hatte die Farbe gewechselt.

    Im Jahre 1951 wurde dann das ehemalige Turnerheim ausgebaut, und am 13. Dezember, dem 3. Jahrestag der Pionierorganisation, als Touristenstation der Stadt übergeben. Die Station enthielt neben Arbeitsgemeinschaftsräumen für Touristik, Botanik, Zoologie und Foto auch ein Lesezimmer mit Bibliothek und einen Ausstellungsraum.

    Sie war die erste Station dieser Art in der noch jungen DDR und erhielt 1952 in Anerkennung der guten Arbeit der Jungen Pioniere und Schüler den verpflichtenden Name „Junge Garde” verliehen. Seit 1955 war diese Station Zentralstation der Jungen Touristen und fungierte als Leiteinrichtung auf touristischem Gebiet für die gesamte Republik. Die personelle, finanzielle und materielle Absicherung der Station teilten sich zunächst das Volksbildungsministerium, der Rat des Bezirkes und der Rat der Stadt Chemnitz (ab 1953 Karl-Marx-Stadt).

    Die Zöglinge lernten die Heimat kennen, unternahmen Wanderungen in die Umgebung von Chemnitz, erstellten heimatkundliche Forschungsarbeiten, Wanderberichte und Wanderkarten. Einige dieser Arbeiten sind heute noch in der Chronik des Schullandheimes erhalten. Eine reichhaltige Sammlung verschiedenster Materialien unterstützten die Heimatkundelehrer bei der Vorbereitung und Durchführung des Unterrichtes und der Wanderungen. Bis 1957 wurden bereits über 125.000 Junge Pioniere in der Touristenstation betreut.

    In den 60er Jahren, als das Ziel ein vereintes Deutschland und den Heimatgedanken wieder herzustellen ad acta gelegt wurde, änderte sich die Ausrichtung hin zur sozialistischen Erziehungsanstalt. Geländespiele, Pioniermanöver, wehrsportliche Wettkämpfe, Expeditionen zu Mahn- und Gedenkstätten waren nun im Auftrag der Pionierorganisation die vorrangigen Ziele der Einrichtung zur Förderung des klassenbewussten Nachwuchses. Zu diesem Zweck wurde u.a. eine Kleinkaliberanlage auf dem Gelände errichtet und sogar ein Panzer aufgestellt.

    Während des V. Pioniertreffens 1964 fanden im Gelände der Zentralstation die Republikmeisterschaften im touristischen Mehrkampf statt.

    Zwischenzeitlich gab es einige Änderungen im und am Gebäude. Eine Hausmeisterwohnung wurde eingebaut, die Eingangstreppe gedreht und die große Freitreppe an der Rückseite abgerissen. Mit dem 1. Juli 1982 gingen die Station in den Verantwortungsbereiche des Rates der Stadt Karl-Marx-Stadt, Abteilung Volksbildung, über. Neue Bungalows zur Unterbringung wurden angeschafft und Gemeinschaftsanlagen wie ein Spielplatz, Sitz- und Grillmöglichkeiten angelegt.

    Im Wendejahr 1990 wurde aus der Zentralstation das Schullandheim „Kinderland“ Küchwald und der Stadt Chemnitz die Verantwortung übertragen. Als erstes wurde der Panzer verschrottet, der bis dahin das Gelände „zierte“. Mit damals noch 16 Mitarbeitern wurde der Neuanfang gewagt, die Freizeiteinrichtung zu erhalten. Investitionen brachten u.a. neue Sanitäranlagen, einen Klubraum und ein Erzgebirgszimmer.

    Seit 2003 befindet sich das Schullandheim in Trägerschaft der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe e.V. Chemnitz. Das Schullandheim wird heute als schulergänzende Einrichtung von Chemnitzer Grundschülern zur Vertiefung ihres Wissens über die heimische Geschichte, Tierwelt, Fauna und Flora und zur Ausprägung des Gemeinschaftssinns genutzt. Regionale Vereine, Familien, aber auch ausländische Gruppen sind gern gesehene Gäste im Chemnitzer Küchwald. Im letzten Jahr konnten über 6.000 Übernachtungen gezählt werden. Leider sind die finanziellen und personellen Mittel des Vereins begrenzt, das Angebot weiter auszubauen. Vielleicht kann ich mit diesem Artikel helfen, ihre Aufmerksamkeit auf diese zu erhaltende Einrichtung zu lenken und sie um Unterstützung zu bitten.

    Infos erhalten sie dazu bei Herrn Leibelt, dem Leiter der Einrichtung, der mich auch bei der historischen Aufarbeitung unterstützte und mir die vorhandene Chronik zur Verfügung stellte. Vielen Dank!

    Quellen: Chronik des Schullandheimes Chemnitz (besonderer Dank dem Verein „Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Chemnitz e.V. für die freundliche Leihe); Zeitungsbeiträge zur Geschichte der Station Junger Touristen zu finden unter https://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/; u.a.