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Vom alten Ruhm und Glanz

    Mittelalterliche Goldschmiede

    Das filigrane Gewerbe der Gold- und Silberschmiede kennen wir bereits seit dem Mittelalter. Deren Arbeiten waren begehrt für herrschaftliche Tafeln und kirchliches Zeremoniell. Mit dem aufkommenden Handel in alle Welt kamen Edelsteine aus fernen Ländern hinzu, die neue Möglichkeiten zur Gestaltung ihrer Kunstwerke boten.

    Auch gab es durch die Silberfunde im nahen Erzgebirge und dem Schmelzen der Erze in den Chemnitzer Schmelzhütten neue Quellen zur Rohstoffbeschaffung. Die Weiterverarbeitung übernahmen Kunstschmiede, handwerkliches Geschick, künstlerische Fähigkeiten, geduldige Präzision zeichnete sie aus.

    Schon am Ende des 17. Jahrhunderts soll es auch in Chemnitz nachweislich 2 Goldschmiede gegeben haben. Sie fertigten Ihre Waren nur auf Bestellung, denn nur Wenige konnten sich die edlen und wertvollen Arbeiten leisten. Familien gaben oft Ihre letzten Dukaten zur Anfertigung von Schmuckstücken, die häufig Generationen überdauerten. Gold- und Silberbestecke mit entsprechendem Tafelschmuck, wie Vasen, Leuchter und Pokale, waren ein vorzeigbares Zeichen von Reichtum, auch in den vornehmen Chemnitzer Bürgerhäusern. Diesen Wohlstand verdankten viele Familien dem Fortschreiten der industriellen Revolution in unserer Stadt, der Entwicklung im Maschinenbau und in der Textilindustrie.

    Als eine der renommiertesten Firmen und erste Adresse der Branche galt über 150 Jahre die Firma

    Heinrich Bleyer jr., Juwelen, Gold- und Silberwaren

    im alten Chemnitz. Schauen Sie mit mir auf deren Geschichte zurück.

    Erstes Zeugnis der Existenz ist eine am 20. Mai 1804 ausgestellte Rechnung, woraus hervorgeht, daß der Gold- und Silberarbeiter Immanuel Heinrich Bleyer eine Kette umarbeitet, zum Preis von 40 Talern und 12 Neugroschen. Ab dem 2. Juli 1817, das als offizielles Gründungsdatum der Firma galt, betrieb Bleyer das Geschäft im Hause Bachgasse (Katasternummer) 186. Die Bachgasse (die spätere Kronenstraße, heute überbaut mit der „Galeria Kaufhof“ und dem Parkhaus) verband die Langgasse mit dem Markt.

    1829 stiftete der wohltätige Geschäftsmann einen nicht unerheblichen Betrag zur Gründung einer Sonntagsschule für die Chemnitzer Handwerker. Dort konnten die wochentags beschäftigten Handwerker die dringend benötigten Kenntnisse in Lesen/ Schreiben und Rechnen erlangen, die ihnen auf Grund ihrer mangelhaften Vorbildung, zum Weiterkommen in der beruflichen Entwicklung fehlten.

    Da die Entwicklung des Geschäftes größere Räumlichkeiten erforderte, wurde 1837 zusätzlich das Grundstück Plan Kat.Nr. 122 käuflich erworben. Der Plan, ursprünglich eine Grasweide, nach der das Schafsgäßchen (Klostergäßchen) führte, verlief vom Neumarkt zur Theaterstraße. Gegenüber des Hauses befand sich bereits zur damaligen Zeit an der Einmündung zur Klosterquergasse das alte Gebäude des „Kaffee Bienenstock“

    CGH-Bleyer-1929-Werbung
    Annonce aus dem Adressbuch 1857

    1840 werden neben Bleyer Senior in der Bachgasse, der Sohn Heinrich und der Junior Frdr. Aug. Bleyer als Eigentümer des Hauses Plan 122 (3) im Adressbuch geführt. Die Bleyers setzten das Geschäft mit neuen Ideen und der Herstellung vorzüglicher Gold- und Silberwaren, die Sie u.a. auch auf der Erzgebirgischen Gewerbeausstellung 1852 in Chemnitz präsentierten, erfolgreich fort. Im Jahre 1853 überließ der Gründer das Geschäft seinem Sohn Heinrich Eduard Bleyer.

    In Würdigung der Verdienste zur Hebung der Sonntagsschule erhielt Heinrich Bleyer Sen. am 17. Juni 1854 vom Sächsischen König die Goldene Medaille zum Verdienstorden überreicht. Am 23. August 1856 schloss der Firmengründer für immer die Augen. Der Handwerkerverein zu Chemnitz würdigte das über 25jährige segensreiche und ausdauernde Engagement als erster Dirigent (Vorstand) der Sonntagsschule am Begräbnistag mit der Überreichung einer gedruckten Erinnerungstafel für die Familie.

    Unter der geschäftskundigen und zielbewußten Leitung von Heinrich Eduard Bleyer, gewann das Haus noch mehr an Bedeutung. Ab 1863 finden wir den Firmennamen „Heinrich Bleyer Jr.“ in den Adressbüchern. Die Firma selbst wurde dann 1865 unter diesem Namen auf Folium 421 ins Handelsregister der Stadt Chemnitz eingetragen.

    Mit Wirkung zum 1. Januar 1889 wurde die Straße „Am Plan“ umnummeriert, die rechte Seite erhielt gerade Hausnummern, aus dem Haus „Plan 3“ wurde die neue Geschäftsadresse „Am Plan 6“.

    Strassenansicht um 1935, rechts markiert das Geschäft der Firma H.Bleyer Jr.

    Als am 1. September 1892 der Sohn Heinrich Max Bleyer die Führung des Geschäftes übernahm, war der Ruf der Firma als erstes, größtes und leistungsfähigstes Geschäft am Platze sowie in der Umgebung fest begründet. Der 2.Sohn Heinrich Rudolf wurde zeitgleich Prokurist.

    Wurde im Rathaus eine Ehrenbürgerschaft verliehen, kamen die ausschmückenden Arbeiten der überreichten Diplome und Mappen aus Bleyers Hause. Gab es eine Festlichkeit in Chemnitz wurden Pokale, Becher und Medaillen bei Bleyer bestellt und gefertigt. In seinen üppig ausgestatteten Schaufenstern konnte man sie vorab bewundern.

    Heinrich Bleyer Sen. engagierte sich auch noch im hohen Alter ebenso wie sein Vorfahren im sozialen Bereich. Er wirkte ab 1894 im Allgemeinen Erziehungsverein Chemnitz mit und widmete seine aufopferungsvolle Tätigkeit dem 2. Kindergarten des Vereines, dem er ein neues Heim spendete.

    Am 15. Mai 1897 erlosch die Prokura von Heinrich Rudolf Bleyer. Der Bruder zog sich aus dem Geschäft zurück, machte sich selbständig und eröffnete später ein Kunstgewerbehaus auf der Barbarossastraße.

    Im August 1902 starb Heinrich Bleyer Sen. Mit dem Ausscheiden von Heinrich Max Bleyer im Jahre 1911 ging am 1. Juni des Jahres die Firma in die Hände der Hofjuwelierfirma Georg Schnauffer, Dresden und des Herrn Max Georg Dietrich in Chemnitz über. Deren Väter standen seit mehr als 40 Jahren mit den Inhabern der Firma Bleyer in freundschaftlichen geschäftlichen Beziehungen. Die Gebrüder Schnauffer waren auch Inhaber der in den 1850er Jahren gegründeten Hofjuwelierfirma J. Eichler, Berlin, Friedrichstraße 85. Außerdem wurde in Dresden als besondere Spezialität die Fabrikation von Juwelen und Goldwaren, sowie handgeschlagener Silberwaren im sächsischen Barock (Hofmuster) betrieben.

    Mit der Übernahme im Jahre 1911 erfuhren die Räumlichkeiten eine moderne Umgestaltung, der traditionelle Firmenname wurde beibehalten, weiterhin blieben hochgestellte Kreise des Chemnitzer Bürgertums als Kunden der Firma treu.

    Annonce aus dem Führer durch Chemnitz 1926

    Die Firma Heinrich Bleyer jr. fertigte auch zur Einweihung des neuen Rathauses 1911 ein komplettes Ratsbesteck aus Gold an und stiftete es den Städtischen Kollegien.

    Anfang Mai 1913 verlieh Seine königliche Hoheit, der Prinz Johann Georg von Sachsen, in Dresden den Kaufleuten Georg, Friedrich und Eugen Schnauffer, Inhaber der Juwelierfirmen Georg Schnauffer – Dresden; Heinrich Bleyer Jr. – Chemnitz und J. Eichler – Berlin, das Prädikat „Hoflieferant Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Johann Georg“. Fortan konnten Sie das hervorstechende Merkmal im Namen tragen und damit werben.

    Mehrfach wechselten in den 20er und 30er Jahren die Prokuristen des Geschäftes, 1935 zog die Firma in die damalige Horst-Wessel Straße 6 (Innere Klosterstraße) und der Hausbesitzer, mittlerweile ein Sohn der Schnauffer – Carl – in Dresden, vermietete 1936 das Haus „Am Plan 6“ an das Bankgeschäft der Gebrüder Müller.

    Die schwerwiegenden Bombenangriffe überlebten beide Häuser nicht. Nach dem Krieg versuchten die Nachkommen durch Eingaben an die Sächsische Interimsregierung bis 1948 an das konfiszierte Vermögen auf den Sperrkonten heranzukommen. Danach verlieren sich die Spuren zur Firmen- und Familiengeschichte.

    (Quellen: Die Kreishauptmannschaft Chemnitz und ihre Jubiläumsfirmen – 1929, aus der Sammlung von M. Hähle; Adressbücher der Stadt Chemnitz, Zeitungsausschnitte diverser Tageszeitungen aus Chemnitz und Zschopau, zu finden unter SLUB-Dresden.de; Reichsanzeiger; u.a.)