Ein Rückblick auf die Entstehung des Taxigewerbes in Chemnitz
Am Anfang des 20.Jahrhunderts entwickelte sich das Auto vom teuren und empfindlichen Luxusgut für Betuchte zum problemlosen und zuverlässigen Fortbewegungsmittel für alle. Bekannt ist aus diesen Anfangsjahren des Automobilismus u.a. die Geschichte des Chemnitzers Unternehmers Willy Pöge, der zu einem der erfolgreichsten Rennfahrer dieser Zeit aufstieg.
Schon bald traten auch in Chemnitz die ersten Unternehmen auf, die kommerziell private Personenbeförderung mit Fahrer und eigenen mietbaren Fahrzeugen anboten. 1897 fuhr das erste Straßentaxi in Stuttgart mit dem von Friedrich W.G. Bruhn erfundenen Taxameter. Aus diesem, den Fahrpreis ermittelnden Gerät, entstand die international sich allgemein durchsetzende Bezeichnung „Taxi“.
Im Jahre 1907 lesen wir nun zum ersten Mal von Automobildroschken in Chemnitz.
Seit dem 26. Juli 1907 besaß Chemnitz – neben den immer noch vorhandenen Pferdedroschken – dieses moderne, großstädtische Verkehrsmittel. Die ersten zwei Fahrzeuge dieser Art wurden durch die Firma Hoffmann & Thranitz (Inhaber Ludwig Aug. Thranitz) an diesem Tag in Betrieb genommen. Das außerordentlich schmucke und gefällige Aussehen dieser Fahrzeuge rief sofort allgemeine Aufmerksamkeit hervor. Als Fahrzeuge kamen halboffene Landaulets der Fa. „Rex-Simplex“ aus Ronneburg zum Einsatz.
An folgenden Stellen waren Standplätze für dieselben mit behördlicher Genehmigung bestimmt worden:
- Nördliche Fahrbahn der Brückenstraße, Ecke Königstraße (neben dem Geschäftshaus von Königsfeld);
- Ecke Lange Straße und Poststraße (am Beckerplatz), gegenüber dem Dresdner Bankgebäude (die frühere Börse);
- am Markt (Westseite) neben den Denkmälern, gegenüber dem Geschäftshaus von Flade;
- Chemnitzer Straße, Ecke Poststraße (an der Hauptpost);
- Herrenstraße, Ecke Friedrich Auguststraße (Historische Ecke)
Der Landbote schrieb ergänzend dazu:
„Die Wagen sind kirschrot lackiert, mit schwarz abgesetzt und innen mit dunkelblauem Leder ausgeschlagen. Sie besitzen extra starke Bereifung des Räder. Die hinteren Gummireifen sind mit Gleitschutzvorrichtung versehen, um bei Regenwetter das Rutschen des Wagens zu vermeiden. Die hintere Erkennungsnummer ist elektrisch beleuchtet, und das betreffende Schild führt die Aufschrift „Chemnitz“ mit der jeweiligen Auto-Droschkennummer. An der rechten Seite des Führersitzes ist die Taxameteruhr so angebracht, daß sie sowohl von den Fahrgästen, wie auch vom Chauffeur übersehen werden kann.“
Bereits am 6.November 1907 schied Ludwig August Thranitz aus der Firma „Hoffmann & Thranitz“ aus. Gleichzeitig wurde die „Ludwig Thranitz – Erste Chemnitzer Automobil-Centrale“ in der Ziegelstraße 10 ins Handelsregister eingetragen. Zum Jahresende hatte er insgesamt 8 Kraftdroschken im Einsatz. Dazugehörig war in der Ziegelstraße (heutiger Standort Technisches Rathaus) eine Wagenhalle mit Reparaturwerkstatt und Autoverkauf entstanden.
Unverzüglich wurde behördlicherseits natürlich auch die bestehende Droschkenverordnung erweitert und die Beschaffenheit der Fahrzeuge und Benutzung durch Fahrer und Fahrgäste reglementiert. Kraftdroschkenführer mußten mindestens 21 Jahre alt sein, körperliche und geistige Rüstigkeit sowie Ortskenntnis mitbringen.
Im Beamtendeutsch ein Auszug aus dieser Verordnung:
§15. Während der Fahrt hat der Führer eine aufrechte Haltung zu wahren und die Hände stets an den Lenkvorrichtungen zu behalten..
§18. Die Dienstkleidung der Führer von Kraftdroschken hat in einem schwarzen Lederjackett mit blau-gelber Borte um den Kragen und einer schwarzen Ledermütze mit blau-gelben Streifen, an der vorn die Droschkennummer aus gelben Metall anzubringen ist, zu bestehen.
1910 bekommt Thranitz von Richard Seltmann, ein privater Kraftdroschkenbesitzer in der Annaberger Straße 35, die erste Konkurrenz, Taxi Nr.9 ist zugelassen.
Ludwig Thranitz selbst erweitert seinen Wagenpark und baut für das Unternehmen 1911 eine neue Wagenhalle mit Werkstatt auf dem erworbenen Gelände Dresdner Straße 232. Auf dem Grundstück richtete er zudem einen weiteren Geschäftszweig ein: er bot dort eine Chauffeurschule an. Junge Männer konnten dort, nachdem sie ihren Führerschein besaßen – auch als Grundlage für eine Anstellung als Chauffeur – Fahrpraxis sammeln und wurden in KFZ-Technik unterrichtet. Die Stellenvermittlung übernahm er gleich mit dazu.
1912 finden wir weitere private Kraftdroschkenbesitzer, die ihr Dienste anboten, im Adressbuch. Bereits 16 Autos waren als Mietwagen registriert, Thranitz besaß davon 10.
Rasant stieg die Entwicklung in dieser Branche, 1913 sind es 26, 1914 sind 34, 1915 40 zugelassene Kraftdroschken verzeichnet.
Der 1. Weltkrieg führte zur ersten Krise im Taxigewerbe. Es fehlte Benzin, Öl und auch Bereifung für die Droschken. Die Wagen konnten nicht gewartet werden, Fahrzeuge die nicht für den Kriegseinsatz gebraucht wurden, mussten eingemottet werden. Mit der Normalisierung der Wirtschaft Anfang der 20er Jahre versuchten viele Auto-Reparaturwerkstätten selbst Mietwagen anzubieten. Die Zulassungen der Konzessionen überstiegen bei weitem den Bedarf an Droschken, was zu weiteren Problemen führte. Bilder von wartenden Taxis auf Fahrgäste waren auch im Chemnitzer keine Seltenheit.
(Quellen: Land-Bote und General-Anzeiger, 28.07.1907; Adressbücher der Stadt Chemnitz zu finden unter SLUB-Dresden.de; Reichsanzeiger; Führer von Chemnitz 1908 und 1913, Fahrzeugspuren in Chemnitz, Teil 1 S165 ff.- Autor Frieder Bach; u.a.)