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Die 1. Chemnitzer Stadtansicht

    Der 1571 in Hessen geborene Wilhelm Dilich reiste ab 1626 als Landschaftszeichner seines Dienstherrn, des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I., durch Sachsen, um verschiedene Stadtansichten für die Ausstattung des Dresdner Schlosses anzufertigen. So entstanden in den Jahren bis 1629 zahlreiche Federzeichnungen kursächsischer und meißnischer Ortschaften, aus dem Erzgebirge sind Ansichten z.Bsp. aus Grünhain, Scheibenberg und Stollberg bekannt. In diese Schaffensperiode fällt auch die älteste Gesamtansicht der Stadt Chemnitz.

    Die Darstellung von „Kemnitz“ umfasst die ganze Stadt, links beginnend bei Altchemnitz, rechts endend unterhalb des Schlosses. Im Hintergrund erstrecken sich die Höhen an der Stollberger Straße, der Kaßberg, die Höhen bei Rabenstein und der Schloßberg, während sich im Vordergrund Ackerflächen ausbreiten, an deren inneren Rändern, so zur Johannisvorstadt (G) und zur ehemaligen Ziegelstraße hin, Scheunenreihen aufragen. Ein Beweis dafür, dass zur Entstehungszeit des Bildes die Bürger noch in größerer Zahl der Landwirtschaft nachgingen.

    Fast genau den Mittelpunkt der ganzen Darstellung bildet die innere Stadt, aus der die Jakobikirche mit den 3 Türmen, dem Kirchturm, dem Dachreiter und dem Markt- oder Uhrturm, hervorragen. Ringsum zieht sich wohlerhalten die Mauer mit ihren Türmen, die sich in der Darstellung zwischen dem „Brehtthurm“ (K), der Stelle des späteren Stadthauses am Beckerplatz, und dem „Nikolaitor“ (I) besonders häufen. Aus der Mauer treten neben den bereits genannten Bauten von rechts nach links das „Klostertor“ (T), der „Rote Turm“ (R), das „Johannesthor“ (F) und das „Kemnitzer Thor“ (H) hervor, meist in den Formen, die wir auch von späteren Einzelbildern her kennen.

    Von den Einzelgebäuden fallen das „Kaufhaus“ oder „Gewandhaus“ (O), das „Rahthaus“ (L) durch seinen Turm und das „Closter“ (Ω), links vom Rathausturm, demnach das Franziskanerkloster an der Stelle des heutigen Getreidemarktes, auf.

    Außerhalb des Ringes sind es vor allem die übrigen Gotteshäuser, die zuerst ins Auge fallen: „S. Joannes“ (F) mit dem ummauerten Friedhof, ganz klein die Altchemnitzer Kirche (A) und auf der Höhe die Nikolaikirche (E), deren Turm von einem hohen Baum verdeckt wird. Dazu kommen neben der „Niclausmühle“ die Kloster- (a) und die Neumühle, erstere mit langgezogenem hohem Dach, letztere als Gehöft mit 3 Gebäuden, und das Spital (V) an der Johannisstraße. Besondere Erwähnung verdient natürlich das „Schloß“ (f), das ehemalige Benediktinerkloster, mit dem „Schloßvorwerk“ und den den Schloßbergweg hinaufführenden Türmen und Bastionen. Vom Schloßteich ist nur wenig zu sehen, doch ist die „Schloßmühle“ (h) mit ihrem Mühlrad deutlich zu erkennen.

    Es sei noch vermerkt, daß zwischen der Klostervorstadt und der „Newstadt“ der Anger, die alte Bürgerwiese, klar hervortritt und daß darauf neben 3 stattlichen Bäumen die Vogelstange aufragt. Ein Ziehbrunnen unweit davon kann von der Art der Wasserbeschaffung in manchen alten Chemnitzer Häusern erzählen. Ganz aus der Ferne grüßen die Kirche von Nieder- und das Gut von Oberrabenstein. Aus alledem ergibt sich, daß als Standpunkt für den Zeichner die Anhöhe im Osten, der heutige Sonnenberg, gedient haben muß. Betrachtet man das Bild und vergleicht es im Detail mit Aufnahmen aus späterer Zeit und vor allem auch mit den wenigen erhalten gebliebenen Bauwerken, so erkennt man, wie sorgfältig Dilich seine Aufgabe gelöst hat. Schauen Sie sich zum Beispiel das Bild des Roten Turms an: Der Umriss des Daches, der vorspringende obere Teil, die Bögen an den Seitenwänden sind da wie heute. Und auch die Dachform der Jakobikirche ist uns noch vertraut.

    Auch auf Grund des Chemnitzer Bildes muß man für durchaus richtig halten, was die Einleitung zur Neuausgabe der Zeichnungen im Jahre 1907 sagt: „Dilich war der erste, dem das Stadtbild als Ganzes etwas bedeutete. Er erfaßte nicht nur die Einzelheiten, sondern, um diesen damals üblichen Ausdruck zu gebrauchen, den „Prospekt“ als etwas Einheitliches, durchaus Ganzes. Die Stadt war ihm untrennbar von der Gegend, darin sie wurzelte; nur in und mit dieser will er ihr Bild erfaßt und charakterisiert haben. Auch insofern war Dilich weit moderner denn alle seine Vorgänger und viele seiner Nachfolger, selbst so bedeutende wie Merian nicht ausgeschlossen, als in ihm jene heitere Freude an der schönen Natur, das objektive ästhetische Wohlgefallen an der Landschaft lebendig war, daß im Großen und Ganzen eigentlich erst den Bildungsmenschen der Neuzeit innewohnt.“

    „Fein charakterisiert“ darf man unbedingt die Dilich‘sche Zeichnung nennen. Sie gibt uns heute einen anschaulichen Eindruck des damaligen Chemnitzer Stadtbildes.

    Siehe dazu auch die Ansicht von Matthäus Merian im Beitrag „Chemnitz um 1650“.

    (Quellen u.a. „Wilhelm Dilichs Federzeichnungen“, Dresden, Meinhold & Söhne 1907 – Richter und Krollmann; Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte; Band 16 1913/14, Seiten 70-72 zu finden unter SLUB-Dresden.de)