Die Geschichte einer Schankwirtschaft am Fuße des Kaßbergs.
Die Fabrikstraße und deren Gebäude waren wiederholt von Unwetterkapriolen betroffen. Hochwasser, wie die Julifluten 1854 und die Überschwemmungen 1897 und 1932 der Chemnitz, setzen den Häusern und Anlagen regelmäßig zu. Die Liegenschaften am Pfortensteg, der auch mehrfach zerstört wurde, waren in besonderem Maße von den Auswirkungen betroffen. Es stellt sich die Frage, welche Umstände dazu führten, dass die Bewohner diesen Einflüssen trotzten und sich hier niederließen.
Heute erinnert am Pfortensteg, dem Übergang vom Kaßberg zur Theaterstraße, nichts mehr daran, dass man hier fast 100 Jahre lang einkehren konnte.
Bereits in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts erwarb der Seilermeister Karl Friedrich Leonhardt in der damaligen Klostervorstadt das Haus „Am Katzberge 1“ – überliefert als „Kniebreche“ genannt – unterhalb der späteren Gerichtstreppe von einem Herrn Grünenwald, seines Zeichens Sportelcassirer, und richtete dort eine Schankwirtschaft ein. Ab 1847 finden wir ihn im Adressbuch, ein Feuer zerstörte jedoch bald das einfache Gebäude. 1855 wird dann ein Herr Gebhardt als Schankwirt genannt, der den Neuanfang nach dem verheerenden Hochwasser wagt. 1856 kaufte Carl Moritz Martin das Anwesen und führte die Schankwirtschaft bis 1865, nach seinem Tod seine Ehefrau bis 1869 weiter. Zwischenzeitlich wurde ab 1860 die Straße „Am Katzberge“ in Fabrikstraße umbenannt.
Neuer Besitzer wurde 1869 C. Langheinrich, der zuvor Privatier war. 10 Jahre blieb die Schankwirtschaft in seiner Hand. Er erlebte bis zu seinem Tode, wie oberhalb an der Ecke Hohe Straße/Gerichtsstraße die mächtigen Gebäude des Königl. Land- und Amtsgerichtes entstanden. Zuerst waren es die Bauarbeiter und später die Gerichtsbeamten, die regelmäßig in der nahen Schankwirtschaft einkehrten.
1880 erwarb der Klempner L.O. Kolbe das Haus von Langheinrichs Erben. 1881 zog Friedrich Ferdinand Richard Noack als Restaurateur ins Parterre ein, die Wirtschaft hieß ab diesem Zeitpunkt „Restaurant Kaßberg“ zeitweise auch „Noacks Restaurant“. 1884 ging sie in seinen Besitz über, er errichtete neben dem Haus eine schattige Terrasse mit 2 überdachten Kegelbahnen und lud die Gäste zu Konzerten ein. Bis zum Jahr 1900 führte er die Geschäfte, ein G.E.R. Sommer erwarb in diesem Jahr kurz das Lokal.
1901 übernahm dann Emil Julius Brachmann die Gaststätte und nannte sie „Zum Amtshof“. Erste Erfahrungen sammelte er zuvor als Schankwirt im „König Albert“ Wilhelmplatz 10. Die Lebensmittelkrise zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Boykott der Chemnitzer Brauereien nach Bierpreiserhöhungen 1906 ließen ihm keinen wirtschaftlichen Spielraum. Noch im selben Jahr verkaufte er die Gastwirtschaft an Max Seidenglanz. Brachmann gründete inzwischen eine Kolonialwaren-, Delikatessen- und Südfrüchtehandlung in der Zwickauer Str. 8. Doch schon im Herbst 1907 übernahm er wieder die Gaststätte in der Fabrikstraße 1. Seine Frau Lina Brachmann unterstützte ihn fortan als Schankwirtin. Warum Seidenglanz aufgab, ist nicht bekannt.
1909 übernahm der frühere Besitzer F.F. Richard Noack erneut die Schankwirtschaft, wohl um die Schankgerechtigkeit, die auf dem Haus lag, nicht zu verlieren. Schon 1911 holte er sich den erfahrenen Gastronomen Friedrich Wilhelm Stein, der seit 1876 das Kaffee Bienenstock und seit 1878 die Kassberg-Bastei führte, ins Haus. Zunächst noch als Schankwirt, finden wir Stein ab 1918 bis 1924 auch als Besitzer des Restaurants „Amtshof-Kaßbergbastei“ in den Adressbüchern. Den Namen seiner ehemaligen Wirtschaft an der Kaßbergauffahrt übertrug er 1912 auf die nur zweihundert Meter entfernte Gaststätte.
Ab 1924 betrieb Frau A. Weidig als neue Besitzerin des Hauses und Schankwirtin die Gaststätte unter gleichem Namen, ihr Mann Karl versorgte sie aus seinem Lebensmittelgroßhandel in der Reichenhainer Str. 12. 1924 zog auch er mit Lager und Kontor in die Fabrikstraße 1, nun aber als Spezialität der Handel mit Fleisch- und Wurstkonserven. Ab 1924 finden wir auch die Logenräume der Loge zur Spinx im Gebäude. Nur kurzzeitig, wie das Engagement eines Herrn Walter Grätz als Schankwirt im gleichen Jahr.
Im Jahre 1925 übernahm Herr Gustav Schött als Wirt das Lokal, nannte es „Amtshof-Gaststätte“ und ließ es unter der gleichen Bezeichnung im Handelsregister unter Blatt Nr. 10180 eintragen. 6 Jahre lang bewirtete er seine Gäste, bis das Unternehmen am 15. April 1931 erlosch. Für kurze Zeit versuchte ein Fritz Rossburg im Jahre 1931 in der Gaststätte Fuß zu fassen, wohl vergeblich.
Mit Herrn Martin Arndt, gelernter Koch, ab 1929 Küchenchef, fand sich ab Herbst 1931 ein kompetenter und engagierter Mann, der die Gaststätte „Zum Amtshof“ von Frau Weidig erwarb und bis 1945 als Inhaber und Schankwirt führte. Bei den Luftangriffen 1945 wurde das Gebäude zwar nicht direkt von einer Bombe getroffen, brannte aber aus und die Ruine wurde nach dem Krieg nicht wieder instandgesetzt. 1953 – im Rahmen einer Verschönerungsaktion unserer Stadt anläßlich der bevorstehenden Umbenennung im Karl-Marx-Stadt wurde die Ruine bis auf die Grundmauern abgerissen, die Stützmauer zum Hang war noch lange zu sehen. Die Natur hat sich den Hang mittlerweile zurückgeholt, vereinzelt kann man immer noch Reste erkennen.
(Quellen u.a.: Adressbücher der Stadt Chemnitz und versch. Zeitungsartikel zu finden unter SLUB-Dresden)