Zum Inhalt springen

Automatenrestaurants – Teil 1

    An der Schwelle zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert entstand in den unaufhörlich wachsenden Städten Deutschlands ein neues gastronomisches Konzept, die Automatenrestaurants. Als Inbegriff der gastronomischen Zukunft geltend, zog diese Neuerung auch 1903 in Chemnitz ein.

    Im modern und großzügig eingerichteten Gastronomieraum wurden die Besucher von langen Reihen blank geputzter Zapfsäulen und Automatenbuffets empfangen. Unter dem Motto „Bediene Dich selbst – rasch, gut und zwanglos“ konnte man sich hier schnell und preiswert stärken. Man musste nicht warten, bis der Kellner kam, und die Preise waren wegen der eingesparten Lohnkosten deutlich moderater als in normalen Gaststätten.

    Gegen Münzeinwurf (10 Pfennig oder ein Nickel, wie die Münzen früher hießen) konnte man sich sein Getränk oder sein Essen selbst entnehmen. Mancherorts musste man zum Öffnen der Automaten auch nur die dort gültigen Wertmarken beim Kassierer eintauschen. In den Automatenrestaurants gab es kaum Bedienungspersonal, fleißige Hände bereiteten im Hintergrund die standardisierten Speisen zu und füllten die Automaten ständig auf. Erstmals wurde hier auch elektrische Bratpfannen zum Schmoren der Beefsteaks und Würstchen eingesetzt. Alles war auf Sauberkeit und Hygiene bedacht, beständig sprudelnde Spüleinrichtungen sorgten für die Reinigung von Gläsern und des Geschirrs. Zum Verzehr waren hauptsächlich Stehtische und -bänke im Gastraum aufgestellt. Wer mehr Zeit hatte, konnte auch auf Stühlen Platz nehmen. Wen es gelüstete, nach der „Tafel“ einen Mokka zu nehmen, oder eine Zigarre in Brand zu stecken, auch ihm stellten sich die Automaten zu Diensten.

    Ein wenig Geschichte zur Entwicklung davor:

    Der Berliner Ingenieur Max Sielaff entwickelte im Jahr 1887 die erste Warenautomaten. Er integrierte Münzprüfung, Warenausgabe und Kraftübertragung in einen Apparat, allein die Abmessung einer Münze entschied über Annahme und Wiederausgabe durch den Automaten. Damit schuf er eine Grundlage für die standardisierte Warenausgabe. Der Schokoladenhersteller Stollwerck in Köln kaufte dieses Patent ab und entwickelte gemeinsam mit Sielaff die ersten Schokoladenverkaufsautomaten. Ergänzt wurde die Kooperation von Theodor Bergmann, Besitzer einer Eisenwarenfabrik in Gaggenau, von dem die Fa. Stollwerk bereits Emailleschilder und Verpackungen bezog und die wetterfesten Gehäuse der Automaten zulieferte. Im Jahr 1894 wurde die Deutsche-Automaten-Gesellschaft Stollwerck & Co. (DAG) gegründet. Unter der Leitung von Ludwig Stollwerk organisierte sie die Herstellung, den Vertrieb und die Beschickung der Automaten. Die DAG gab auch Impulse für die Weiterentwicklung der Automaten. Was folgte war die Verwertbarkeit des Prinzips auf fast alle Gegenstände und Objekte, die für 10 Pfennige zu kaufen waren. Imbisse, Naschwerk, Tabak, Toilettengegenstände, Briefmarken, Postkarten, Billets, Getränke, u.a. Diese teilweise schon elektrisch beleuchteten Automaten wurden Publikumsmagnete in zahlreichen Geschäften, Wirtshäusern und auf Bahnhöfen.

    Auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896 richtete die DAG einen „Automatenpavillon“ ein, in dem erstmals Speisen und Getränke aus „selbstthätigen Verkaufsapparaten“ angeboten wurden. Der Erfolg war durchschlagend und noch im November des gleichen Jahres eröffnete an der Leipziger Straße 13 neben dem Reichspostamt in Berlin das erste „electrisch-automatische Restaurant“. Innerhalb kurzer Zeit eroberte die Idee das In- und Ausland und derartige Restaurants entstanden in vielen Städten, so auch in Chemnitz, deren einzelne Betriebe ich euch vorstellen möchte.

    Automat Stadt Gotha

    Am aufstrebenden Johannisplatz im gerade neu errichteten Hotelpalast „Stadt Gotha“ wurde 1903 das erste Automatenrestaurant in unserer Stadt konzessioniert. Es war der Magdeburger Robert Stolle, der die Idee aufgriff, mit dem Restaurantkonzept „Bediene dich selbst – rasch, gut und zwanglos“ neue Wege in der Gastronomie zu bestreiten. Die Ausstattung entsprach dem vornehmen Gedanken des Hotels. Als Kunden waren die wohlhabenden, gut bürgerlichen Gästen vorgesehen. Entsprechend wurde mit zahlreichen Jugendstilelementen und aufwendigen Wanddekorationen verziert, die Einrichtung ausgeführt.

    Ab 1905 wurde das Lokal, postalisch Johannisplatz 7, von Carl Otto Rudolf Gerecke geführt, später ist er auch Miteigentümer des Hotels. Am 19. Oktober 1909 wurde unter Blatt 6187 die Firma „Rudolf Gerecke“ – Geschäftszweig Restaurant mit automatischem Betrieb – in das Handelsregister eingetragen. Die schwierigen Zeiten während und nach des 1. Weltkrieges wurden gemeistert. 1919 wagte man einen Neuanfang als Automatenschankwirtschaft, doch 1922 scheint das Geschäft zum Erliegen gekommen. Einträge ab da fehlen in den Adressbüchern. Gerecke selbst löste erst mit dem 15. Dezember 1926 die Firma offiziell auf.

    Kaiserhof-Automat

    Eine Besonderheit finden wir im 1889 errichteten Haus Kaiserhof an der Nicolaibrücke. Das mondäne Wohn- und Geschäftshaus beherbergte schon verschiedene gastronomische Einrichtungen wie Restaurants und Cafés, bis 1909 mit der „Metroplitain Bier- und Imbissquelle“ das erste Restaurant und Stehbierhalle à la Aschinger unter der Leitung von Georg Gründler eröffnete.

    Die in Württemberg gebürtigen Brüder August und Karl Aschinger – Koch der eine, Bufettier der andere – hatten bereits am 1. September 1892 ihre erste „Bierquelle“ in Berlin eröffnet. Auch hier galt schon die Devise „schnell und billig“, ganz der Hast des angebrochenen Industriezeitalters gemäß. Mit diesem Konzept waren sie in Berlin äußerst erfolgreich, avancierten bald zu Europas größtem Gastronomiebetrieb mit 30 „Bierquellen“, 15 Konditoreien u.a. Bei Aschinger gab es günstige Mahlzeiten und nach Belieben Schrippen zu den Speisen, wodurch der Name Aschinger relativ schnell, gerade bei ärmeren Bevölkerungsschichten, populär wurde.

    Warum es in Chemnitz nicht angenommen wurde, bleibt fraglich. Nach nicht mal einem Jahr wurde am 2. Juli 1910 die „Kaiserhof-Automaten Gesellschaft m.b.H.“ gegründet. Der Geschäftsführer Moritz Heinrich Lohrey brachte allein 50 Automatenapparate in die Gesellschaft ein. Auch diesem brachte der „Automat“ an dieser Stelle kein Glück, am 3. Januar 1911 wurde der Kaufmann Carl Richard Peter als Geschäftsführer bestellt. Nur kurz, denn bereits am 24. Februar 1911 finden wir den Hinweis, daß die neue gegründete „Kaiserhof-Automat, Hugo Linß & Co Kommanditgesellschaft“ die Geschäfte der „Kaiserhof-Automaten Gesellschaft m.b.H.“ fortführe, jedoch nicht für die Verbindlichkeiten der in Liquidation befindlichen Gesellschaft hafte. Anfang Februar 1915 wurde auch diese Firma aufgelöst. Wir finden zwar noch Einträge zum „Kaiserhof-Automat“ im Adressbuch bis 1921, doch ist die mangelnde Aktualisierung des Nachschlagewerkes während und nach dem 1. WK die Ursache. Erst 1922 finden wir mit der „Bratenschänke“ eine nachfolgende gastronomische Einrichtung in diesem Haus.

    Theater-Automat

    Im Gebäude Neustädter Markt 14a (darin auch das Hotel Heyl) richtete der Kaufmann Johannes Kroll 1910 eine Automatenrestauration ein und ließ sie am 13. Mai 1910 auf Blatt 6305 unter der Firma „Theater-Automat Johann Kroll“ in das Chemnitzer Handelsregister eintragen. Der Kaufmann erhoffte sich ein gutes Geschäft an der Ecke zur Carolastraße, direkt am neu gestalteten Königsplatz. So konnten die Opernbesucher vor oder nach der Vorstellung ohne großen Aufwand eine Kleinigkeit zu sich nehmen.

    Mit Beginn des Jahres 1911 wurde dieser Straßenzug neu benannt, aus der Adresse „Neustädter Markt 14a“ wurde „Am Königsplatz 5“. Noch bis 1922 finden wir den Theater-Automat an dieser Stelle. Nachfolger wird das „Neue Theater-Restaurant“.

    Fortsetzung im Teil 2…

    (Quellen u.a.: Beitrag von Gisela Strobel zum Thema in „Transmission“ Heft 52, Dez. 2023 – Museumskurier des Industriemuseums Chemnitz und dem Förderverein; Publikation „Zu Gast im Automaten“ von A.J. Cabusch aus der Reihe „Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt“, Adressbücher  der Stadt Chemnitz – zu finden unter sachsendigital.de)