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Hotel Stadt Gotha – der Hotelpalast

    Am Chemnitzer Johannisplatz/Ecke Friedrich-August-Straße stand bis 1945 wohl das opulenteste Gebäude der Chemnitzer Innenstadt.

    Das Hotel „Stadt Gotha“

    Die Geschichte dieses markanten Gebäudes mit all seinem Prunk und der prächtigen Innenausstattung, aber auch das Davor möchte ich, ergänzt durch zahlreiches Bildmaterial und Annoncen, vorstellen.

    Bereits 1851 fand die Eröffnung des Vorgängers als „Stadt Gotha“ im Hause Klostergraben 34e statt. Dort wird erstmalig das Gebäude im Adressbuch erwähnt – erster Besitzer und Gastwirt ist Louis Müller. Neuer Pächter ab 1876 wird der Hotelier und Restaurateur Gustav Adolf Hahnemann, Eigentümer des Hauses bleibt noch H.L. Müller, ab 1861 ist die Adresse Johannisplatz 5.

    Am 15.November 1889 verkauft Hahnemann das mittlerweile erworbene Gebäude an Richard Feiste. Feiste war vorher Wirth der Casino-Gesellschaft, gleichzeitig auch Pächter des im Casino-Gebäude befindlichen Restaurants „Deutscher Kaiser“, die ihr Domizil schräg gegenüber auf der Theaterstraße hatte.

    1898 rückt das schon lange vorgesehene Bauprojekt, einen Durchgang zwischen Königsstraße und Neumarkt zu schaffen, seiner Verwirklichung ein Stück näher. Erste Häuser in der dahinter liegenden Herrenstraße werden veräußert. Der geschäftstüchtige Chemnitzer Kaufmann Theodor Dietzel erwirbt 1899 in weißer Voraussicht neben einigen Grundstücken in der Zuckergasse und Herrenstraße auch das altrenommierte Hotel „Stadt Gotha“. In einer Vereinbarung mit der Stadt Chemnitz vom März 1900 verpflichtete er sich bis 1901 das Gebäude abzureißen, das Straßenareal freizulegen, und eine chaussierte Straße anzulegen. Von der Stadt erhält er dafür eine ordentliche Entschädigung und sichert sich den Namen „Stadt Gotha“ auf das als Ersatz geplante Hotel zwischen der Ecke Herrenstraße und Johannisplatz und die Konzessionierung dieses Hotels.

    1900 finden wir belegt, das Dietzel Hauseigentümer des „Stadt Gotha“, dessen Adresse jetzt Johannisplatz 9 lautet, ist. Als Pächter wird Ernst Wilhelm Franke – Gastwirt (vormals Wirt im „Sächsischen Hof“ Waisenstraße) genannt. Noch im selben Jahr beginnt der Abbruch.

    Im November 1901 wird in der Presse konstatiert:

    „Die Durchbruchsarbeiten an der neuen Friedrich-August-Straße in Chemnitz, die eine direkte Verbindung zwischen Königsstraße mit dem Hauptmarkte herstellen soll, haben im Verlaufe des verflossenen Sommers einen sichtlichen Fortgang genommen. Die alten Gebäude im ehemaligen Zuckergäßchen, sowie das Hotel Stadt Gotha sind verschwunden und an ihre Stelle treten imposante Geschäftshäuser, von den schon verschiedene unter Dach gebracht worden sind. … In der Friedrich-August-Straße, durch welche auch die Straßenbahn gelegt wird, ist man gegenwärtig beschäftigt, Gas- und Wasserleitungsrohre einzulegen, sowie die Schleusen zu bauen, so das allem Anscheine nach die Straße bereits im nächsten Frühjahr passierbar sein wird.“

    Gleichzeitig wird der neue Hotelpalast nach Plänen des Chemnitzer Architekten und Baumeisters Hugo Duderstädt errichtet. Mit neuestem Komfort, wie Dampfheizung, elektrisches Licht und Bädern, ausgestattet, öffnet das Etablissement 1903 mit 90 Zimmer und 110 Betten in der Friedrich August-Straße 8. Die Zimmer kann man ab 2,50 – 12 Mark pro Tag beziehen. Eigentümer ist Theodor Dietzel, Kaufmann, wohnhaft Stollberger Str.32. Es ist das erste Hotel in Chemnitz das zudem Personenaufzüge und einen Gepäckaufzug erhält. Das Erdgeschoß und die ersten 3 Etagen werden als Gastwirtschaftsräume deklariert. Im Haus wohnen der Buchhalter Ohliger (III.Etage) und im Dachgeschoß (IV.Etage) der Hoteldirektor Frisch.

    Damit ist es neben dem Carola-Hotel, das die gleiche Zimmeranzahl und Preisniveau hat, das größte Hotel in Chemnitz. Frühstück gibt es ab 1,50 Mark, Mittag ab 2,75 Mark, Abendessen ab 2,50 Mark.

    1903 wird das Hotel eröffnet, gleichzeitig das erste Automatenrestaurant in unserer Stadt konzessioniert. Es war der Magdeburger Robert Stolle, der die Idee aufgriff, mit dem Restaurantkonzept „Bediene dich selbst – rasch, gut und zwanglos“ neue Wege in der Gastronomie zu bestreiten. Ab 1905 übernahm der spätere Inhaber des Hotels Rudolf Gerecke den „Automat“.

    Innenansicht des Automatenrestaurants

    Warme Speisen gibt es dort täglich und zu jeder Tageszeit für einen Preis zwischen 30-50 Pfennige, Belegte Brötchen für 10 Pf., Warme Würstchen mit Salat für 20 Pf., versch. Suppen für 15 Pf., Kaffee, das Glas Bier und Wein ebenfalls für 10 Pf. Das erste Schnellrestaurant in Chemnitz sozusagen.

    Das Ziel: die Laufkundschaft am aufstrebenden Johannisplatz, das neue Modehaus Schellenberger gegenüber zieht bereits magisch die Fremden an. Der Platz entwickelt sich in dieser Zeit zu einem der meistfrequentierten in Deutschland. 1906 wird Albert Schneckenburger Hoteldirektor und erwirbt es im darauffolgenden Jahr von Dietzels Erben und lässt es modernisieren.

    Die Werbung des Hauses aus dem Jahre 1911 klingt vielversprechend:

    „Im Mittelpunkte von Chemnitz, am Johannisplatz und an der Friedrich August-Straße, beherrscht der hochragende Hotelpalast „Stadt Gotha“ weithin das Stadtbild. Die kuppelbekrönten Fassaden dieses 1902 errichteten Monumentalbaus blicken auf die großstädtischen Verkehrsströme nieder, die von allen Seiten in die wichtige Straßenkreuzung einmünden. Die Vorzüge der prächtigen Lage werden jedoch nicht geschmälert durch brandenden Straßenlärm, da die Anordnung und technische Ausstattung der Zimmer und Salons jede Störung verhindert.

    Das in modernem Geiste geführte Haus enthält nur vornehm und praktisch eingerichtete Räume. Jeder Gast fühlt sich in dieser eleganten und dabei äußerst behaglichen Umwelt wohl. Dem gesteigerten Bedürfnis nach Bequemlichkeit entsprechen die mit den Appartements in unmittelbarer Verbindung stehenden Privat-Badekabinetts.

    Die von hervorragenden Baukünstlern gestalteten Lese-, Rauch- und Schreibzimmer finden den Beifall selbst der verwöhntesten Reisenden. Eine malerische Treppenanlage führt zu dem Weinrestaurant, einer säulengetragenen, in heiteren Farben prangenden Halle, in der die bildenden Künste und das moderne Kunstgewerbe in schönem Bündnis ein wohlgelungenes harmonievolles Werk schufen. Wer aber ein trauliches Zecherwinkelchen vorzieht, findet Erfüllung seiner Wünsche in der gemütlichen Probierstube der renommierten Weingroßhandlung „Stadt Gotha“. Mit den edlen Spenden des Kellers wetteifern die schmackhaften Gaben der Küche. Für geschlossene Kreise, insbesondere für Privatfestlichkeiten, stehen einladende Salons zur Verfügung. Mit dem Hotel ist das Café „Stadt Gotha“ an der Ecke des Johannisplatzes verbunden, ein Etablissement vornehmen Stils, das speziell auch den Billardspielern einen willkommenen Treffpunkt und Tummelplatz bietet.“

    Wer möchte nicht bei dieser Beschreibung in der noblen Herberge nächtigen und den guten Service genießen.

    1918 stirbt Albert Schneckenburger, seine Frau Gertrud führt bis 1922 mit dem Teilhaber Rudolf Gerecke das Geschäft weiter. Sie holen sich dazu Anton Türpe als Geschäftsführer ins Haus. Anschließend tritt der Kaufmann Max Spielmann als dessen Nachfolger in Erscheinung. Um die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen, werden Gereckes Anteile an die Commerz- und Privatbank AG Chemnitz, Kronenstraße 24, abgetreten.

    Die Friedrich August-Straße wird im Zeitraum von 1923-1933 in Rathenaustraße umbenannt.

    Annonce 1935

    Im Jahre 1926 erhält es noch einmal eine Verjüngungskur durch den Berliner Architekt Prof.Dr. Straumer, dessen Entwurf zum neuen Großstadthotel Chemnitzer Hof anschließend umgesetzt wird.

    Bis 1934 bleibt Max Spielmann Leiter des Hotels, Frau Gertrud Spielmann-Schneckenburger Inhaberin der Firma „Hotel Stadt Gotha, Albert Schneckenburger“. Ihm folgt Hotelier Albert Günther, der bis zum Kriegsende die Geschäfte führt.

    1937 geht das Unternehmen in den Besitz der Bayrische Hypotheken- und Wechselbank A.G. München über, als Hausverwalter wird Dr. Brandenburg, Wirtschaftsprüfer, Markt 21, für das noch immer beliebte Hotel eingesetzt.

    Die ganze Pracht und Schönheit dieses repräsentativen Gebäudes geht leider mit der Bombardierung 1945 für immer verloren. Das Gebäude brennt vollständig aus, die Trümmer werden erst Ende der 40 Jahre beräumt, um Platz für die Neubebauung zu schaffen.

    (Quellen: Diverse Chemn. Tageszeitungen und Adressbücher zu finden unter SLUB-Dresden.de, Buch Chemnitz in Wort und Bild 1911, div. Stadtführer von Chemnitz, u.a.)