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Automatenrestaurants – Teil 2

    Fortsetzung des 1. Teils zur Geschichte der Automatenrestaurants.

    Traum und Wirklichkeit

    Für das Publikum bot ein solches Automatenrestaurant viele Annehmlichkeiten und Vorteile. Für nur 10 Pf. konnte man schnell, ungezwungen und ohne den manchmal lästigen Trinkgeldzwang alle möglichen Delikatessen, Biere sowie alle Arten von Likören und Weinen bekommen. Manchmal gab es auch eine Konditorei, wo man ebenfalls für 10 Pf. eine Tasse Kaffee oder Schokolade, Gefrorenes und eine reiche Auswahl an Gebäck, Torten und Kuchen erwerben konnte.

    Die mächtigen Wandverkleidungen mit reicher Kunstverglasung im Jugendstil, in künstlerischer Schönheit ausgeführt, richteten sich an ein modern gesinntes Großbürgertum, das symbolisch an der Moderne teilhaben sollte. Inwieweit die Vorstellungen der Erfinder mit der Realität übereinstimmten, lässt sich heute nur schwer nachvollziehen, da es keine Berichte darüber gibt. Der „künstlerischen Wirkung“ der eigenen Restaurants, so der Automatenerfinder Sielaff 1905, stand der „bunte Geschmack der Zehnpfennigstückbesitzer“ gegenüber, mit denen die Restaurants real einen Großteil ihres Einkommens bestritten. Diese Zehnpfennigstückbesitzer waren kleine Angestellte der Banken, Versicherungen, Kanzleien und Kaufhäuser, die sich, wie zum Beispiel in Chemnitz, rund um den Johannisplatz angesiedelt hatten. Das Großbürgertum traf man allenfalls nebenan im ebenso kunstvoll gestalteten Café des Hotels Stadt Gotha.

    Das „Patent Sielaff“, das auf jedem der Restaurants prangte und der fast überall verwendete Restaurantname „Automat“ deuten darauf hin, dass man hier frühe Formen des Restaurantfranchising findet. Die Marketingstrategie der überregional wiedererkennbaren Marke übernahm die Automat GmbH von ihrer Kölner Geldgeberin „Stollwerk“, die mit ihrer Markenschokolade aus den Verkaufsautomaten große Erfolge feierte. Egal wo in Deutschland der idealtypische Geschäftsreisende aus dem Zug stieg, sollte er auf ein ihm bekanntes Automatenrestaurant treffen. Genau wie spätere Franchisesysteme in der Gastronomie versuchte die Automat GmbH durch Geschäftsanteile Kontrolle über die lokalen Ableger zu behalten und an langfristigen Gewinnen teilzuhaben. Eine Vollausstattung eines Restaurants konnte schnell 50.000 RM und mehr betragen, für viele Wirte eigentlich nicht stemmbar. Geriet eine der Töchter in Schwierigkeiten, schickte Ludwig Stollwerck seinen Geheimbuchhalter dorthin, etwa um Bilanzen und ausufernde Kosten unter Kontrolle zu bekommen. Bei gravierenden Schwierigkeiten wechselten manchmal erfahrene Geschäftsführer von ihren erfolgreichen Restaurants zu den krisengeschüttelten, um sie wieder auf Kurs zu bringen, ohne dass sich der Erfolg dieser Maßnahmen rekonstruieren ließe. Ein Indiz dafür ist der hier auch dokumentierte mehrmalige Wechsel der Betreiber der „Automaten“.

    Doch welche Probleme standen dem „schnellen Verzehr“ in diesen Restaurants entgegen? Bedenklich waren diese Restaurants bezüglich der Abgabe an alkoholischen Getränken an Jugendliche, die oftmals Hinweise und Beschwerden auf die mangelnde Kontrolle nach sich zogen. Auch die Frische der Lebensmittel wurde beanstandet, da Kühlanlagen zunächst völlig fehlten. Fälle, in denen alte Lebensmittel wie z.B. Wurst, verwertet im Wurstsalat mit Mayonnaise übertüncht, am nächsten Tag wiederverwendet wurde, führten zu Verfahren und Verurteilungen. Häufig wurde auch auf die hygienischen Gefahren beim massenhaften Durchgang verschiedenster Besucher hingewiesen. Den alteingesessenen Wirten und Pächtern der angrenzenden Restaurants, Cafés und Kneipen waren die neuen Darreichungsformen natürlich ein Dorn im Auge und sie versuchten mit Eingaben an die zuständigen Behörden, weitere Konzessionen zu verhindern. Bis 1909 gelang dies noch, doch danach entstanden in Chemnitz eine Vielzahl weiterer Automatenrestaurants, wie die Nachfolgenden, die bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges die gastronomische Landschaft der Innenstadt mitprägten.

    Reichskanzler-Automat / Schloss-Automat

    Das seit 1890 bestehende „Café Reichskanzler“ bzw. ab 1907 „Grand-Café Imperial“ galt um die Jahrhundertwende als beliebtes Kaffeehaus an der Kreuzung von Königstraße und Theaterstraße. Dem neuen Trend der Automatengaststätten folgend, wurde es bald zu einem dieser modernen Konsumtempel zur schnellen Abfertigung der Kundschaft. Der Privatmann Emil Wilhelm Freund, der bis dahin das EFREUNA in der Zwingerstraße betrieben hatte, und der Konditor und Besitzer des „Grand-Café Imperial“ Gustav Rudolf Nitsche gründeten dazu am 11. November 1910 die Firma „Reichskanzler-Automat, Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ und ließen sie am 19. November auf Blatt 6414 ins Handelsregister der Stadt Chemnitz eintragen. Gegenstand des Unternehmens war der Betrieb eines Automatenrestaurant in den gemieteten Räumen der Hausgrundstücke Königstraße 1 und Theaterstraße 2. Das Stammkapital betrug 60.000 Reichsmark.

    Doch schon am 15. Juli 1914 wurde der Gesellschaftsvertrag geändert, die Firma lautete ab diesem Tag „Schloß-Automat, Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ und war zu diesem Zeitpunkt bereits in die Räume Hartmannstraße 13 gezogen, dem ehemaligen Restaurant „Zum Kronprinz“ an der Ecke zur Fabrikstraße gelegen. Privatier Freund schied aus, neuer Geschäftsführer wurde Johann Friedrich Himmelmann. Dieser war bereits 1911 zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden, weil er im „Reichskanzler-Automaten“ bei der Manipulation von Automaten erwischt worden war und das Geld für sich verwendet hatte. Vermutlich war er mit den Gesellschaftern verwandt, die ihn ab 1914 wieder als Geschäftsführer einsetzten.

    So mancher Arbeiter der Sächsischen Maschinenfabrik vorm. Richard Hartmann AG wird hier wohl auf ein schnelles Mittagessen oder ein Feierabendbier im „Schloß-Automat“ eingekehrt sein. Doch die schwierigen Verhältnisse nach dem 1. Weltkrieg ließen eine Weiterführung des Betriebes nicht zu. Am 21. Juli 1923 wurde die Firma nach Abschluss des Liquidationsverfahrens aufgelöst und aus dem Handelsregister gestrichen.

    Post-Automat

    Die Gesellschaft „Restaurant Postautomat m.b.H.“ wurde am 11. Mai 1909 mit einem Stammkapital von 75.000 RM gegründet. Der erste Geschäftsführer war Gustav Mühlbach, ein bekannter Restaurateur, der bereits das Restaurant Kaisersaal an der Lange Straße und das Kronencafé am Markt besaß.

    Ihr Domizil, das Gebäude Poststraße 35, befand sich gegenüber der Hauptpost an der Ecke zur Reitbahnstraße. Die zahlreichen Beamten des Post- und Telegraphenamtes waren natürlich gern gesehene Gäste in diesem Haus.

    Am 17. September 1909 kam der Erfurter Bruno Hamann aus Erfurt als 2. Geschäftsführer hinzu. Am 20. Dezember 1909 wurde das bisherige Stammkapital von 75.000 auf 130.000 RM erhöht. Kurz darauf schied der Gründer Gustav Mühlbach aus der Gesellschaft aus. Emil Otto Hennig vertrat ihn bis zum 27. Januar 1911, unterstützt von einem August Kuhl. Hennigs Nachfolger war der Kaufmann Wilhelm Heinrich Potthoff. Potthoff verstarb überraschend im August 1911. Adolf Wohlfarth übernahm das Geschäft und führte es gemeinsam mit Herrn A. Kuhl. Ab 1914 wurde er von Selmar Schött als zweitem Geschäftsführer unterstützt. Im Jahr 1917 wurde der Kaufmann Martin Schnabel als Prokurist eingestellt. Schnabels Prokura erlosch am 20. Februar 1920.

    Am 24. März 1923 schied Adolf Wohlfarth aus, und Schött wurde sein Nachfolger als alleiniger Geschäftsführer. Nach der Währungsinflation wurde das Stammkapital am 20. November 1924 auf 100.000 Reichsmark umgestellt. Ab diesem Datum übernahm der Kaufmann Alfred Görner aus Chemnitz die Position des Geschäftsführers.

    Am 3. Oktober 1928 kam es zu einem erneuten Geschäftsführerwechsel. Der Kaufmann Egon Michael aus Rudolstadt übernahm den Postautomat.

    Am 24. Februar 1932 schließlich wurde die Gesellschaft aufgelöst und der bisherige Geschäftsführer Egon Michael (Rudolstadt) zum Liquidator bestellt. Am 30. Mai 1933 erfolgte die endgültige Löschung aus dem Handelsregister. Ab 1932 übernahm Alfred Görner wieder das Lokal und führte es als Restaurant zur Hauptpost weiter,

    10 verschiedene Geschäftsführer konnten den Postautomat nicht halten. Jeder hatte mit den Schwierigkeiten seiner Zeit zu kämpfen.

    Bahn-Automat

    1910 übernahm der Neuchemnitzer Johann Gottfried Gerlach das Hotel Meininger Hof in der Mauerstraße 5 unmittelbar am Hauptbahnhof. Mit der Neubenennung in „Hotel Gerlach“ war auch die Einrichtung eines Automatenrestaurants verbunden. Dazu wurde am 2. August 1910 die Firma „Bahn-Automat mit beschränkter Haftung“ gegründet und am 22. Oktober des Jahres ins Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital betrug 53.000 Mark, zum Geschäftsführer wurde Hugo Morgenroth aus Chemnitz bestellt. Gegenstand des Unternehmens war die Einrichtung und der Betrieb eines automatischen Restaurants nach den neuesten System der Fa. Automatenfabrik Rheinland, Bernhard Röhrig, G.m.b.H. in Köln-Ehrenfeld sowie ähnlicher Gewerbetreibende.

    Bereits am 20. November 1910 übernahm Max Träuptmann aus Chemnitz die Geschäftsführung. Auch er schien das Geschäft nicht in den Griff zu bekommen, im Juli 1911 wechselte der Geschäftsführer erneut, Karl Richard Jentsch übernahm die Firma. Mit Beginn des Jahres 1912 wurde aus dem Hausgrundstück Mauerstraße 5 die Obere Georgstraße 9. Dort finden wir jetzt auch im Adressbuch 1912 erstmals den „Bahn-Automat“. Das Geschäft lief zunächst recht gut, doch der 1. Weltkrieg setzte auch dem Hotel und der Firma zu, bereits am 14. März 1917 wurde die Firma aufgelöst, die Gläubiger hatten wohl auch hier nichts mehr zu holen. Ebenso erging es dem Hotelbesitzer Gerlach, denn schon im Herbst 1917 übernahm Moritz Richard Prätorius Hotel und Bahn-Automat. Mit der Umbenennung in „Hotel Prätorius“ 1921 verlieren sich auch die Spuren des „Bahn-Automaten“

    Fortsetzung demnächst im Teil 3

    (Quellen u.a.: Publikation „Zu Gast im Automaten“ von A.J. Cabusch aus der Reihe „Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt“, Adressbücher  der Stadt Chemnitz – zu finden unter sachsendigital.de; Sammlung Chemnitzer Hobbyhistoriker)