Im ersten Beitrag meiner Chronik zu Hermann Michaelis bin ich auf die frühen Projekte und die Firmenentwicklung eingegangen. Die Geschichte des Kraftfahrzeugpioniers wird mit dem nächsten Meilenstein, dem selbst entwickelten Dampfbus fortgesetzt.
Die öffentliche Beförderung von Personen war um 1880 behördlich streng reglementiert. Auf Antrag wurden Konzessionen zur Personenbeförderung, befristet und gegen entsprechende Gebühren, sehr restriktiv und nach genauer Prüfung an Gesellschaften oder einzelne Personen vergeben. Es war üblich, dass in einer Stadt die unterschiedlichsten Gesellschaften Personenbeförderung mit den verschiedensten Beförderungsmitteln betrieben. In Chemnitz gab es so z.Bsp. ab dem 1.April 1853 eine Droschkenanstalt und bekanntlich auch die Pferdebahngesellschaft des Engländers William Roebuck, der 1879 seine Betriebsgenehmigung erhielt.
Absolut unüblich waren Konzessionen zur Personenbeförderung mit Selbstfahrern, wie die Dampfwagen früher genannt wurden. Es ist außerordentlich interessant, dass Michaelis eine derartige Konzession besaß. In den alten Meldeunterlagen der Stadt Chemnitz ist sogar noch das genaue Datum zu finden. Seit dem 11. September 1880 war es Michaelis erlaubt, Personenbeförderung auf öffentlichen Straßen mit seinen Dampfbussen durchzuführen.
Und bereits einen Tag später, ab dem 12.September 1880 fanden erste Probefahrten nach Altchemnitz statt. Die erste Ausfahrt begann vormittags 9 1/2 Uhr ab dem Schützenhaus an der Schützenstraße (heute ca. Annaberger Str. – Einmündung Annenstraße) und endete bei Müller’s Gasthaus in Altchemnitz (etwa Höhe Straßenbahndepot). Für 20 Pfennige pro Fahrt konnte man diesen ersten Omnibus bis Nachmittags 6 Uhr ausprobieren, wie das Chemnitzer Tageblatt in der Annonce schreibt.
Auch der Bau dieser Dampfbusse war eine absolute Pionierleistung von Michaelis. Zwar hatte in Frankreich Bollée schon 1873 ein Fahrzeug vorgestellt, das ausschließlich für die Beförderung von Personen auf öffentlichen Straßen vorgesehen war und einige typische Merkmale eines Omnibusses aufwies, aber Michaelis war der erste, der in Deutschland das Konzept eines eigenständigen Dampfbusses umgesetzt hat. Bald kommt sogar ein Dampf-Sportwagen hinzu.
Ein weiteres Standbein bleibt der Dampfmaschinenbau. Ab 1880 baut er insgesamt 23 feststehende Dampfmaschinen von zusammen 800 PS, darunter die Anlage für das Stadtkrankenhaus an der Zschopauer Str.
Weitere Testfahrten finden am 15.November 1880 statt, wo der Wagen „mit Leichtigkeit alle Terrainschwierigkeiten überwindet“.
1881 erfahren wir dann weiter von diesen Probefahrten: „In 6 Fahrten wurden 210 Personen transportiert. Die erreichte Maximalgeschwindigkeit betrug auf horizontaler Strecke 5 Kilometer in 15 Minuten, die Personenzahl 30-50.“ Auch die Fahrten mit dem Dampffrachtwagen werden in diesem Artikel betrachtet. „der seit Monaten in Betrieb befindliche Wagen arbeitet vorzüglich und beförderte in 65 Fahrten 274.076 Kilogramm Eisen, Maschinentheile und Kohlen“
Am 16. Oktober 1882 wird in Grimma berichtet: „Ein hier noch nicht gesehenes Fahrzeug passierte heute unsere Stadt, es war ein in der Maschinenfabrik von Michaelis in Chemnitz erbauter und nach Köslin in Pommern bestimmter Dampf-Omnibus. Das Gefährt kam von Leisnig hierher und ging in der Richtung nach Leipzig weiter.“
Er hatte also bereits verschiedene Kontakte außerhalb geknüpft und weitere Verkäufe seiner Fahrzeuge angeschoben. Ob der Wagen angekommen ist und welche weitere Route er genommen hat, wäre interessant zu erfahren.
Auch das Amtsblatt der Königl.Amtshauptmannschaft Annaberg berichtet im gleichen Jahr von einem vierrädrigen Dampfbus, bei dem im Vorderteil ein Wagenführer saß, der den Wagen sicher dirigieren konnte und bei dem 4 Personen in der Kabine saßen. Zusätzlich waren noch 2 Plätze hinter der Kabine vorhanden.
Anfang Januar 1883 erhält Michaelis für 4 weitere Straßendampfwagen verschiedener Konstruktionen die Erlaubnis zur Benutzung der öffentlichen Fahrwege im Bezirke der Amtshauptmannschaft Chemnitz erteilt.
Am 17.10.1883 lesen wir dann im Chemnitzer Anzeiger und Stadtboten von diesen Versuchsfahrten:
„Die Firma Hermann Michaelis, die sich schon längere Zeit mit dem Bau von Straßenlocomotiven beschäftigt, hat neuerdings auch Versuche gemacht, Personen mittels eines Straßendampfwagens zu befördern, was auch bei einer am Montag vorgenommenen Spazierfahrt ganz vortrefflich gelungen ist. Die einem Jagdwagen ähnliche Straßenlocomotive bewegte sich mit staunenswerther Schnelligkeit die Zschopauerstraße hinaus. In der kurzen Spanne Zeit von 14 Minuten durchmaß der Dampfwagen die Strecke von 3 km bis in die Nähe des Gasthofs Altenhain bei einer Steigung von im Ganzen 150 m. Zieht man in Betracht, daß eine Strecke von 6 km mit der erwähnten Steigung und demselben Fall in ungefähr 25 Minuten zurückgelegt wurde, so zweifelt man nicht länger, daß die Straßenlocomotiven nach dem System Michaelis bald in Aufnahme kommen werden, was wir den strebsamen Geschäftsleuten von Herzen wünschen.“
Anfang Mai 1884 erhält Hermann Michaelis vom königl.Ministerium des Innern die beantragte Erlaubnis für 2 Dampfomnibusse unter Bedingungen erteilt. Diese sehen u.a. vor, das die Geschwindigkeit der Fortbewegung nicht 200m, bei Nacht nur 120m pro Minute überschreitet und eine 2 Person den Führer begleitet, um Hilfe bei begegnenden Pferdegeschirren zu leisten.
Der regelmäßige Dampfomnibusbetrieb wird damit erstmals Mitte 1884 in Chemnitz aufgenommen.
Am 22.Juni 1884 schreibt das Leipziger Tageblatt und Anzeiger dazu: „Die Personen- und Lastenbeförderung mittelst der von von der Firma Michaelis verfertigten Straßendampfwagen dürfte mit der Zeit immer mehr Anklang finden. Seit dem kurzen Bestehen dieser Einrichtung haben zwischen hier und nach dem 7 km entfernten und 200 m höher gelegenen Altenhain 50 Fahrten stattgefunden, auf welchen 660 Personen befördert wurden. Der Lastenverkehr weist bis 14.Juni d.J. 2.678.928 Kilogramm Güter auf.“ Insgesamt wurden bis dahin bereits 613 Fahrten auf 3.465 km Straßen verzeichnet.
Auch das Wochenblatt für Zschopau berichtet am 14.August 1884 zu den Fahrten:
„In den Abendstunden von 6 bis 7 Uhr verkehrt auf der Zschopauer Chaussee von Chemnitz bis zu dem zwei Stunden entfernten Gasthofe zum Goldenen Hahn in Altenhain und zurück regelmäßig der Straßendampfwagen der Firma Herm. Michaelis zum Zwecke der Personenbeförderung. Die Fahrten sind bisher ohne Störung verlaufen, so daß der Firma die Fortsetzung derselben sowohl seitens der Regierungsbehörde, als auch seitens des Stadtrates von Chemnitz unter Vorbehalt des Widerrufs jüngst genehmigt worden ist. Der Straßendampfwagen überwindet die andauernde Steigung auf der genannten Chaussee anscheinend leicht, und wenn auch die Fahrt nicht so glatt und ohne Holpern vor sich geht, wie auf einem Schienengleis, so sieht man das seltsame Gefährt doch in der Regel mit sechs bis acht Fahrgästen besetzt. Von Rauchbelästigung ist nichts zu spüren. Die Fahrenden sitzen, mit dem Rücken gegeneinander gekehrt, aus an den beiden Längs-Seiten der Maschine angebrachten Bänken.“
Für 1885 gibt es bisher keine Hinweise auf Fahrten. Die Chronik wird im Beitrag „Der Dampfbus setzt sich nicht durch“ fortgeführt.
(Quellen: Sächsischer Landesanzeiger, Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote, Riesaer Elbeblatt und Anzeiger, Dresdner Nachrichten, Leipziger Tageblatt und Anzeiger, Wochenblatt für Zschopau, u.a. Adressbücher der Stadt Chemnitz alles zu finden unter SLUB-Dresden.de; Museumskurier 39/2017 des Industriemuseums Chemnitz, Chemnitzer Roland 01/2008; Journal Dampf und Heißluft Heft 4/2008 – Artikel von Dr.Ing. Heinrich Schmidt-Römer; Webseite: http://dampf-selbstfahrer.de)