Die alte Stadt ging schlafen sobald es dunkel wurde…
„Verdunkelungen“ wurden während des 2. Weltkrieges angeordnet, um möglichst die Stadt vor feindlichen Fliegerangriffen zu bewahren und den Zerstörung bringenden Bomben kein Ziel zu bieten. Unserer Stadt Chemnitz hat es trotz dieser Schutzmaßnahme nichts geholfen, und die älteren Chemnitzer haben noch die schlimmen Februar – und Märztage des Jahres 1945 in trauriger Erinnerung.
Bis zum späten Mittelalter war die verdunkelte Stadt der Normalzustand. Wer da bei Tagesschein nicht mit seinen Gängen und Besorgungen fertig war, verschob den Rest am besten auf den nächsten Morgen, denn am Abend war auf den Straßen nur langsam vorwärts zu kommen, weil überall Dunkelheit herrschte. Nur bei besonderen Anlässen, wie bei hohen Besuchen oder außerordentlichen Festen waren der Hauptmarkt und einige wichtige Gassen erhellt. Die Beleuchtung damals war für unsere Vorstellungen sehr dürftig. Man stellte an Pfeilern oder Gebäudeecken sogenannte Pech- und Kienpfannen auf, in denen entweder schwelendes Pech oder feine Holzspäne angezündet würde. Sicher war dies ein recht romantischer Anblick, aber der Lichtschein reichte nicht weit, und es war eben nur ein Notbehelf. Im alten Chemnitz kam man auch ohne Straßenbeleuchtung ganz gut über die Runden, denn man stand mit der Sonne auf und ging bald nach ihrem Untergang zeitig am Abend zu Bett.
Hatte man nach Eintritt der Dunkelheit noch etwas zu tun, so mußte dies im Licht von Kerzen oder eines Rüböllämpchens geschehen (Rüböl ist ein pflanzliches Öl, welches aus den Samen vom Raps oder seltener auch von dem nahen Verwandten, dem Ölrübsen gewonnen wird).
Doch vielen Chemnitzern waren die Kerzen zu teuer und die schalenförmigen, mit einer Dochtschnauze versehenen Lämpchen, verbreiteten ein nur kümmerliches Licht. So war es also kein Wunder, daß im Sommer spätestens um zehn Uhr und zu Winters Zeiten nach dem Neun-Uhrschlag von St. Jakobi und dem mahnenden Ruf des Türmers … „habet auch acht auf Feuer und Licht“, sich auch fast alle Chemnitzer zur Nachtruhe begaben. So mancher Zecher mußte noch sehen, daß er schnell in seine Behausung kam, denn die Gasthöfe schlossen nun auch ihre Türen von innen ab. Ein Nachtleben gab es damals nicht, die ganze Stadt versank in der Dunkelheit. Nur der Türmer und die städtischen Nachtwächter mussten die schlafende Stadt behüten. Gab es dann doch noch ein paar „Nachtschwärmer“, so wurden diese arg zurechtgewiesen. Oft wurden diese auch mit einer Geldstrafe belegt, und wenn es ganz hart kam, wurden sie vom Stadtbüttel festgenommen und mussten ihre Strafe innerhalb der dicken Mauern des Roten Turmes verbüßen. Der Rat der Stadt griff damals noch sehr energisch und unmissverständlich durch, wenn Übermut oder Unverstand gegen die allgemeinen Lebensordnungen verstießen. wer sich also gegen die „Ratswillküren“ verging, mußte mit oft harten Strafen rechnen.
Als sich die Stadt nach dem Dreißigjährigen Krieg erholt hatte und die Einwohnerschaft wieder anwuchs, auch ein reger Verkehr durch die Stadt Chemnitz führte, bekam die Stadt an der Schwelle der Neuzeit, am 10. November 1791, endlich eine öffentliche und gemeinnützige Straßenbeleuchtung. Begründet wurde es, daß mit der bisherigen Beleuchtung mit Fackeln und Pechpfannen eine „sehr große Feuersgefahr“ bestehe. Man spannte am Markt um Rathaus und Jakobi-Kirche, in der Langen Straße und anderen wichtigen Gassen Drähte in entsprechender Höhe und hing daran Rüböllaternen auf. In den 1840er Jahren wurden in der inneren Stadt zum ersten Mal petroleumgefüllte Ölstraßenhängelaternen abgebrannt. „Abends 8 Uhr war es in der Stadt, als wäre eine große Illumination; die Menschen wogten auf allen Gassen hin und her bis gegen 11 Uhr, da hieß es: Nee, aber so eine Helligkeet, man kann ja jeden Pfennig off der Straße liegen sehen!“
Erst seit 1854 ging man zur Gasbeleuchtung über, nachdem kurz vorher durch Konstantin Pfaff in Chemnitz an der Zwickauer Straße die erste Gasanstalt gegründet worden war. Um 1891 begann sich dann immer mehr das elektrische Licht durchzusetzen, ohne dieses wir uns heute ein nächtliches Leben in der Stadt und in allen anderen Lebensbereichen nicht mehr vorstellen können.
Die ausführliche Geschichte der Straßenbeleuchtung und der Nachtwächter in Chemnitz sollen Themen späterer Beiträge werden.
(Quellen: Artikel von Stefan Weber – ehemaliger Türmer – Sonderausgabe Stadtanzeiger 19/1992, Buch von Emil Weinhold – Chemnitz und Umgebung,1906; u.a.)