Zum Inhalt springen

Schauburg – Lichtburg

    3 neue Großkinos innerhalb eines Jahres, das ist ein enormer Zuwachs an Sitzplatzzahl und Theaterraum, den wohl keine andere Stadt in so enger Zeitspanne im Jahre 1929 zu verzeichnen hatte. „Filmpalast Luxor-Palast“, „Roter Turm“ und die neue, hier vorgestellte „Schauburg“ in der Augustusburger Straße 31, waren in Chemnitz in diesem Jahr eröffnet worden. Durch diese Lichtspielhäuser rückte die Stadt mit den bereits bestehenden Großkinos, die Astoria-Lichtspiele und Kammerlichtspiele am Markt, mit insgesamt über 7000 Plätzen, die vielen kleinen Bühnen noch nicht mitgerechnet, in die Reihe der deutschen Großstädte auf, die Anspruch auf eine selbständige Bedeutung im Filmleben zur damaligen Zeit erheben konnten.

    Die Schauburg - Lichtburg in einer Ansicht um 1933
    Ansicht der Augustusburger Straße um 1933 – mittig das schon umbenannte Kino

    An der Augustusburger Straße 31, dort, wo einst die Schlote der alten Seidel‘schen Eisengießerei rußten, entstand 1929 auf 4000 m² ein schlichter viergeschossiger Neubau in Eisenbetonrahmenwerk, vom Chemnitzer Architekten Bruno Kalitzki entworfen und auch während der Bauausführung von ihm betreut. Die Hauptfront des Gebäudes war 32,5 m lang, mit Keramikplatten und weißem Putz belegt. In dessen Erdgeschoß befanden sich neben der Theaterkasse auch kurzzeitig Geschäftsräume der Fa. KA-PE Kleinpreisgesellschaft, in den Obergeschossen waren Büros, Versammlungsräume und Wohnungen untergebracht.

    Das Gebäude betrat man über eine breite Treppe und gelangte in das Foyer, in dem sich auch die Garderoben befanden. Ein in freundlichem Gelb mit keramikverkleideten Pfeilern gehaltener Raum, farbig ausgestaltet wie das ganze Haus von Rudolph Pleißner, der ab 1919 in Chemnitz als freischaffender Maler und Grafiker mit Verbindung zur Kunsthütte Chemnitz arbeitete. Daran schloss sich der Zuschauerraum mit 1.200 Plätzen an. Dieser wurde indirekt farbig beleuchtet. Damit auch Theaterkonzerte und Sprechtheater-Aufführungen stattfinden konnten, gab es ein großes Bühnenhaus sowie Künstlergarderoben. Auf rückwärtiger Seite erhielt das Haus an der Jägerstraße einen 6 m breiten Durchgang, von dem, auf Grund des Höhenunterschiedes, eine Freitreppe hinab zum 2. Eingang des Lichtspielhauses führte. Auch wurde ein Hintergebäude auf dem Grundstück errichtet, das für Lagerzwecke vermietet wurde.

    Innenraum der Chemnitzer Lichtburg
    Der Innenraum ohne Rangplätze

    Ziel dieses Unternehmens war die Etablierung von speziellen Kulturfilmen in der Stadt, und diesem eine würdige Heim- und Pflegestätte, ein eigenes Lichtspielhaus, zu schaffen. Bisher wurden die vom Volksbildungsausschuss initiierten Aufführungen der Chemnitzer Kulturfilmbühne im „Lichtspielhaus Friedrichstraße“, dessen Räume als unzulänglich galten, veranstaltet.

    Besitzer und Gründer des neuen Lichtspielhauses waren der Kaufmann Alb. Georg Friedrich (Fritz) Bertram – gleichnamige Fabrik für Kleider, Blusen und kunstseidene Wäsche in der Friedrichstraße 19, und der Kaufmann Adolf Wassermann, Geschäftsführer der Fa. Gebrüder Wertheimer, Poststraße 2, die jeweils hälftig das ihnen gehörige Grundstück Augustusburger Str.31 als Sacheinlagen in das neue Unternehmen einbrachten. Es nannte sich „Schauburg Filmtheater Aktiengesellschaft“. Am 5. Oktober 1929 wurde der Gesellschaftsvertrag geschlossen und nach weiteren Änderungen schließlich am 27. März 1930 die Gesellschaft auf Blatt 10516 ins Handelsregister eingetragen. Die Gründer und deren Ehefrauen, sowie der Chemnitzer Architekt Bruno Kalitzki (Markt 15) übernahmen sämtliche Aktien. Zum Aufsichtsrat gehörte neben den beiden Firmengründern auch der Bücherrevisor Max Böcker.

    Die „Schauburg“ wurde am 9. Oktober 1929 mit einer kleinen Feier eröffnet. Die Gäste kamen in den Genuss, die ausgezeichnete Akustik des Theaterraumes zu erleben. Das Schauburg-Orchester spielte Webers Oberon-Ouvertüre und 2 Jazzstücke, dazwischen gab Organist Alfons Horn eine Probe seiner Kunst auf einer großen Hupfeld-Orgel. Anschließend wurde der Kulturfilm „Simba, der König der Tiere“ aufgeführt, der die Besucher mit einer Fülle noch nie gesehener Bilder der afrikanischen Tierwelt und des Kontinents, beruhend auf einer amerikanischen Expedition, verzauberte.

    Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre begann auch das Tonfilmzeitalter in Deutschland. Neue kostspielige Technik musste angeschafft werden, um den Abstand zur Konkurrenz nicht zu groß werden zu lassen. Doch die Euphorie des Großkinos währte nicht lange, steigende Arbeitslosigkeit ab 1930 ließ die Besucherzahlen rasch sinken. Ausgaben mussten an allen Stellen gekürzt werden, die drohenden Zahlungsschwierigkeiten blieben nicht aus. Auch wenn man die Sitzplätze preisgünstig anbot, Vorstellungen mit nur 40 – 50 zahlenden Zuschauern waren die Realität. Bald wurden nur noch abends und am Wochenende Vorstellungen gegeben.

    Schon Mitte 1931 gab es ein Vergleichsverfahren mit den Gläubigern zur Abwendung des Konkurses, das am 15. Oktober des Jahres noch gütlich beendet werden konnte. Doch der Konkurs blieb nicht aus, zu erdrückend waren die Forderungen, wie die Liquidationsbilanz vom 16.12.1931 aussagt. Adolf Wassermann wurde zum Liquidator ernannt.

    Im Hintergrund suchte man sich bereits neue Geschäftspartner und Geldgeber, die das Haus weiterführen sollten. Am 11. Januar 1932 wurde der Gesellschaftsvertrag der Fa. Willischthaler Spinnereigesellschaft m. b. H. Chemnitz geändert. Gegenstand des Unternehmens war jetzt der Betrieb von Filmtheatern, sowie der Abschluss aller damit zusammenhängenden Geschäfte. Die „Lichtburg Filmtheater, Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ war entstanden und wurde am 1. Februar unter Blatt 9696 ins Chemnitzer Handelsregister eingetragen. Eine Geschäftsführerin war Wassermanns Ehefrau Charlotte geb. Wertheimer. Doch bereits Ende April schied sie aus und der alte Geschäftspartner Fritz Bertram wurde als neuer Geschäftsführer bestellt. Erst am 18. Juli 1933 wurde die ehemalige „Schauburg Filmtheater Aktiengesellschaft“ endgültig aus dem Chemnitzer Handelsregister gelöscht.

    Die allgemeine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ließ auch das Kino fortbestehen. 1935 erfolgte jedoch, vermutlich im Zuge der Arisierung und der Inanspruchnahme jüdischen Vermögens, eine erneute Änderung in der Geschäftsführung. Am 17. September 1935 wurde der Kaufmann Walter Camp, der zum Anfang des Jahres auch den „Filmpalast Roter Turm“ übernommen hatte, zum neuen Geschäftsführer bestellt und ins Handelsregister eingetragen. Am 27. November 1936 erfolgte durch Gesellschafterbeschluss, vermutlich um einer Zwangsenteignung zu entgehen, die Umwandlung in eine neue Kommanditgesellschaft. Am 18. Januar 1937 wurde die Änderung im Reichsanzeiger veröffentlicht: die „Lichtburg Filmtheater GmbH“ ist durch Übertragung des Vermögens in „Lichtburg Filmtheater Inh. Walter Camp & Co“ umgewandelt und unter Blatt 11321 ins Handelsregister eingetragen worden. Eine der Kommanditisten war Camps Ehefrau Augusta Marg. Dorothea geb. Kroog. Ihre Prokura erlosch am 12. Oktober 1944.

    Schon längst war Kriegsalltag in der Stadt eingezogen. Erstaunlich bleibt dennoch, daß selbst 1944 mindestens 17 Chemnitzer Filmtheater, darunter auch das heute noch bestehende „Metropol“, ein regelmäßiges Programm boten, meistens waren es 3 Filmvorführungen täglich, eingebettet darin die „Wochenschau“. An Wochenende konnten Kinder die Lichtspielhäuser mit speziellen Vorführungen besuchen. Willkommene Ablenkungen von Entbehrungen und Angst vor den verheerenden Folgen des andauernden Krieges.

    Am 5. März 1945 wurde die „Lichtburg“ beim Bombenangriff auf Chemnitz getroffen, das Vorderhaus und der Logenbau des Saals im Hof blieben stehen.

    Nach dem 2. Weltkrieg versuchte zunächst Walter Camp mit einem Textilwarengeschäft die Nutzung des Hauses zu erhalten. Auch finden wir im Sachsenbuch 1947 das „Lichtburg-Filmtheater Bertram & Co.“ verzeichnet. Weitere Informationen dazu fehlen leider.

    Kurz nach Gründung der DDR zogen verschiedene Gewerkschaften und Institutionen, wie zum Beispiel die Zentrale Vermittlungsstelle des FDGB-Feriendienstes, in das Haus. Dieses Gebäude wurde, gemeinsam mit dem benachbarten ursprünglichen Verbandshaus (Nr.33), als ‚Haus der Gewerkschaften‘ ohne wesentliche Modernisierungen bis 1995 genutzt.

    Ab 2016 begann die grundhafte Sanierung des Objektes mit der Entkernung des Gebäudes und der Umgestaltung des Hofes. Seit Ende 2017 sind verschiedene Gewerkschaftsorganisationen wieder Mieter des Objektes.

    (Quellen: Beiträge zur Eröffnung der Schauburg aus den Chemnitzer Neuesten Nachrichten von 1929; Einträge aus dem Reichsanzeiger zu den Gesellschaften, zu finden unter Uni-Bibliothek Mannheim; Adressbücher der Stadt Chemnitz; u.a.)