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Fremdenwerbung anno 1792

    Früher als man vermutet ist bereits eine Art Fremdenwerbung für Chemnitz betrieben worden.

    Chemnitz um 1756 – Lithographie von Hugo Willisch

    Bereits um 1630 bis 1650 hatten Wilhelm Dilich und Matthäus Merian die Stadt bildlich dargestellt. Diese Stiche geben uns einen ersten Überblick über das mittelalterliche Stadtbild.

    In erster Linie waren es Gelehrte, Geographen und Reiseschriftsteller, die den Fremden auf Chemnitz, als eine der wichtigsten und sehenswertesten Städte in Sachsen, aufmerksam machten. Sie verfertigten Landschafts- und Stadtbeschreibungen, ähnlich wie in diesem Bericht um 1800 bereits veröffentlichte Vorstellung der Stadt Chemnitz.

    Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bemühte sich insbesondere ein Werk, dem Reiselustigen den Besuch von Chemnitz zu empfehlen, das von dem Leipziger Gelehrten Ludwig Wilheim Gilbert zwischen 1791 und 1795 herausgegebene „Handbuch für Reisende durch Deutschland”. Dieses Buch konnte sich seinerseits großer Beliebtheit und weiter Verbreitung erfreuen, fand man in diesem doch alles Wichtige und Sehenswerte eines Ortes oder einer Stadt in knapper Form schnell heraus. Auch wenn einzelne Passagen darin erheitern und uns manches unverständlich erscheint, soll uns dieser nahezu 230 Jahre alte Bericht die Bedeutung unserer Stadt aufzeigen und besonders in gegenwärtiger Zeit wieder Augen und Herzen öffnen.
    Unserem Chemnitz widmete der Verfasser folgendes besonders ansprechende Kapitel, das ich in Auszügen wiedergeben möchte:

    Ansicht von Südwesten auf Chemnitz um 1840

    „Chemnitz zählt 884 Häuser mit Einschluß der öffentlichen und geistlichen Gebäude. Davon liegen 396 in der Stadt und 488 in den vier Vorstädten. (Doch ohne die sogenannte Niklas-Gasse, welche an die Vorstadt von Chemnitz stößt, einschließlich der Kirche 55 Häuser zählt, und vorstädtische Rechte besitzt. Auch könnte man das hart an den Vorstädten liegende, in die Johanniskirche eingepfarrte Gablenz mit seinen 68 Feuerstellen, und Kappel mit 17 Häusern, welches an die Niklasstraße stößt, zu den Vostädten von Chemnitz rechnen.)

    Einwohner hat die Stadt 12.600 einschließlich des Militärs. 1779 zählte man dagegen nur 1835 Familien mit 5167 Menschen über 10 Jahre. Im Jahre 1697 enthielt Chemnitz 484 bewohnte Häuser, 399 wüste Stellen, und ohne die Kinder 3250 Einwohner. Die Garnison besteht aus einem Bataillon und dem Stabe des Prinzlich Maximilianschen Infanterieregiments.

    Chemnitz bietet für den Fremden eine Menge Sehenswürdigkeiten. Zu nennen sind vor allem: Die doppelten mit Türmen besetzten 4506 Ellen langen Ringmauern, durch deren 4 Tore und der Pforte einst die Stadt betreten werden konnte. Dazu die Hauptkirche zu St. Jakob auf dem Markte mit ihrem schönen Altare. Davor der hohe, geschmackvoll gebaute Glockenturm mitten auf dem Markte – das bekannte und wohleingerichtete Gymnasium mit 6 Lehrern, das Rathaus und das weitläufige Gewandhaus, das kurfürstliche Amtshaus, das Posthaus, das 1787 neuerrichtete Gebäude der Casino-Gesellschaft sowie die zum platten Lande gehörige St. Nikolaikirche auf dem sogenannten Hüttenberge jenseits der Chemnitz. Das Hospital zu St.Georg in der Vorstadt mit einer Kirche.

    Die weitläufige Klostervorstadt und nicht weit vom Ende derselben auf einer Anhöhe am entgegengesetzten Ufer des Chemnitzflusses das uralte Schloß Chemnitz, ehemals eine berühmte Benediktinerabtey…. Ein sehr angenehmer Weg führt zu dem Schloßberge, auf dessen Gipfel sich eine treffliche Aussicht über die schöne Stadt und wohlhabende Gegend um Chemnitz bietet.

    Die Linnenweber in und um Chemnitz verfertigten besonders viel Zelt-, Kittel und Segelleinwand, teils für die sächsische Armee, teils für den Absatz nach auswärts. Die besondere Beachtung des Reisenden verdienen in Chemnitz die berühmten äußerst wichtigen Manufakturen in Wolle, Baumwolle, Leinwand und Seide.

    Das alte am Getreidemarkt stehende Gebäude der Casino-Gesellschaft

    Seit Jahrhunderten schon berühmt sind auch die trefflichen Chemnitzer Bleichen. Außer den für Kattun bestimmten sind jetzt 7 öffentliche und 2 Privat-Bleichen im Gange. Außerdem verfertigt man hier auch seit 1756 in Menge Berliner-Blau und brennt einen vorzüglich unter dem Namen des Chemnitzer Luftwassers auch auswärts berühmten Aquavit.

    Keineswegs fehlt es auch an Spaziergängen und Vergnügungen in Chemnitz. Erwähnt seien: Die Promenade nach dem im Sommer häufig besuchten Schloßberge. Der Goldbrunnen im Zeisigwalde, seines heilsamen Wassers und seiner romantischen Lage wegen der Lieblingsort der Einwohner. Das dabeiliegende japanische Lusthaus steht jedermann offen.

    Die Casino-Gesellschaft, die aus 40 Mitgliedern vom Adel-, Militär-, Gelehrten und Kaufmannsstande besteht, versammelt sich vom 1. Oktober bis zum 1. April in ihrem neugebauten Hause an der Ecke der Lohgasse täglich um 5 Uhr nachmittags, teils um sich zu erholen, teils um Journale und neue Bücher zu lesen. Der Zutritt steht hier jedem Fremden frei.

    Lustpartien nach dem 2 Stunden entlegenen Dorf und Rittergut Lichtenwalde usw.”

    Mit seiner bildhaften Beschreibung unserer Stadt und ihrer Umgebung ist dieses Kapitel ein sehr interessantes Zeitdokument, das dazu einläd, die Geschichte der Stadt Chemnitz besser kennenzulernen. Ich hoffe diesen Wunsch mit den Beiträgen in diesem Projekt unterstützen zu können.